Caritas Helferinnen und Helfer versorgen täglich 2.200 Menschen in und um Aleppo mit warmen Mahlzeiten und Brot.
Caritas Helferinnen und Helfer versorgen täglich 2.200 Menschen in und um Aleppo mit warmen Mahlzeiten und Brot.
Erzbischof Tobji: "Krieg gefällt niemandem, aber endlich ist Aleppo nicht mehr in Ost und West geteilt“.
Während die Christen Aleppos die Eroberung des Ostteils der Stadt durch syrische Regierungstruppen und die schiitische Hisbollah begrüßen, wächst die Sorge über Racheakte. Die Evakuierung des eroberten Rebellensektors sollte Angaben von Rebellen zufolge am Donnerstag, 15. Dezember 2016 anlaufen.
Wie diese Vereinbarung zustande gekommen ist, blieb aber zunächst unklar. Laut der Rebellengruppe Ahrar al-Sham konnten sich die Verhandler auf einen Deal einigen, obwohl der Iran versucht habe zu intervenieren und eine Evakuierung zu verhindern. Die aufseiten der Regierung von Bashar al-Assad kämpfende Hisbollah-Miliz bestätigte in ihren Medien die Einigung. Zunächst sollten etwa 1.000 Verletzte Ost-Aleppo verlassen. Die gesamte Evakuierung solle innerhalb von drei Tagen abgeschlossen werden.
"Wir haben fünf Jahre lang alle unter den Folgen der Terrorakte gelitten, und jetzt demonstrieren die Menschen auf den Plätzen, weil es endlich Hoffnung auf ein bisschen Frieden gibt", sagte uns der maronitische Erzbischof von Aleppo, Joseph Tobji, am Mittwoch im Interview mit "Radio Vatikan": "Der Krieg gefällt niemandem. Aber endlich ist Aleppo nicht mehr in Ost und West geteilt, sondern eine geeinte Stadt", so Tobji.
Wie viele Christen, die im Westteil von Aleppo unter Kontrolle der syrischen Armee ausgehalten haben, sieht der Bischof in den aufständischen Rebellen aus dem Ostteil Terroristen. Ein Abkommen, das am Mittwoch von iranischen Kämpfern aus dem Assad-Lager nicht respektiert wurde, sah den freien Abzug der Rebellen in Richtung Idlib vor. Die UNO fürchtet, dass es auf den Straßen von Aleppo zu Racheakten und Grausamkeiten kommen könnte.
Aus dem Ostteil sind in den letzten Tagen Tausende von Menschen in den von der Regierung kontrollierten Teil Aleppos geflohen. "Die Regierung hat schon seit vier Monaten Auffangorte vorbereitet, an die auch humanitäre Hilfen gelangen können. Ich glaube allerdings, dass das nicht reicht. Man hat nicht mit so viel Menschen gerechnet. Allerdings sind einige der Flüchtlinge aus Aleppo-Ost jetzt nach dem Einzug der Armee dort in ihre Wohnungen zurückgekehrt."
Papst Franziskus hatte Assad vor zwei Tagen einen Friedensappell zukommen lassen. Der Nuntius in Damaskus, Kardinal Mario Zenari, konnte den Brief dem Präsidenten persönlich in die Hand drücken. "Darüber haben alle nationalen Fernseh- und Radiosender berichtet. Der Papst denkt immer an Syrien, das zeigt dieser persönliche Brief. Uns bedeutet diese Geste viel. Wir hoffen, dass der Appell des Papstes gehört wird. Krieg ist etwas Diabolisches; die Schäden sind nicht nur materiell, sondern da fließt Blut", erklärte Erzbischof Tobji.
Das Weihnachtsfest werden die Christen von Aleppo nach Auskunft von Erzbischof Tobji diesmal anders feiern als in den letzten Jahren: "Mit etwas mehr Hoffnung. Wir Maroniten haben keine Kirchen mehr, die sind alle zerstört. Wir werden Weihnachten in unserer Eliaskathedrale feiern, die nur zur Hälfte zerstört ist. Wir werden auf den Trümmern feiern, um zu erleben, dass die Hoffnung nicht stirbt, dass aus dem Tod Leben hervorkommt."
Aktivisten berichteten am Mittwochabend von neuen Luftangriffen. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete heftigen Beschuss der verbliebenen Rebellenstützpunkte. Aus regierungsnahen Kreisen hieß es, die Armee und verbündete Milizen hätten den bisher heftigsten Angriff auf die oppositionellen Milizen begonnen.
Nach der Rückeroberung Aleppos soll mit militärischer Härte gegen die Assad-Gegner vorgegangen werden. "Von einer Feuerpause kann keine Rede sein", sagte der Präsident dem russischen Staatsfernsehen in einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview. Mit Milde könnten nur "Terroristen" rechnen, die sich ergeben oder den Kampfort verlassen. Die Kämpfe gingen weiter, bis "das ganze Land von Terroristen gesäubert" sei.
Als Beispiel nannte Assad die Rückeroberung der Oasenstadt Palmyra. Gemeinsam mit den Verbündeten Russland und Iran wolle die syrische Führung die weiteren Pläne erörtern. Zunächst müsse jedoch Aleppo gesichert werden. "Die Terroristen feuern täglich Raketen und Granaten ab", sagte er.
Der österreichische Auslandshilfe-Chef der Caritas, Christoph Schweifer berichtete am Donnerstag, dass die Hilfe in Syrien sehr schwierig zu organisieren sei. Caritashelferinnen und -helfer in und um Aleppo leisteten jedoch nach wie vor wichtige Überlebenshilfe. Die Caritas sei als eine der letzten Hilfsorganisationen noch in Aleppo aktiv.
"Die Hilfsstationen unserer syrischen Kollegen liegen im weniger umkämpften Westteil der Stadt. Dorthin sind in den vergangenen Tagen sehr viele Menschen aus Ost-Aleppo geflohen. Die Kollegen berichten, dass Krankenhäuser in von Rebellen besetzten Stadtteilen zerstört wurden und dass der Nachschub an Medikamenten zusammengebrochen ist. Verwundete können kaum noch versorgt werden", so Schweifer. Die Caritas verteile Trinkwasser, Hygieneartikel und Kleidung an Vertriebene aus dem Ostteil. Zudem werden täglich 7.500 Menschen, die aus der Stadt flüchten konnten, mit warmen Mahlzeiten und Brot versorgt. Eine Feldküche koche für 500 Patienten und Mitarbeiter in fünf Gesundheitszentren.
Vor einer Winterkatastrophe warnten am Donnerstag die SOS-Kinderdörfer. Mit sinkenden Temperaturen werde sich die katastrophale Lage noch einmal dramatisch verschlechtern. Unter der Situation litten vor allem Kinder, die ihre Eltern verloren haben. "Sie versuchen in diesem Chaos und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt allein zu überleben", so die Direktorin der SOS-Kinderdörfer im Nahen Osten, Alia Al-Dalli.
Die SOS-Nothilfeteams im Westteil der Stadt versuchten eigenen Angaben zufolge so viele Familien und Kinder wie möglich mit Nahrung, Wasser, Babybrei, Medikamenten, Decken und Winterkleidung zu versorgen. "Aber egal, wie viel wir auch verteilen, es reicht nicht, um alle Notleidenden zu erreichen", so Al-Dalli. Jeden Tag kämen mehr Flüchtlinge aus dem Ostteil der Stadt. "Diese Menschen sind ausgehungert und erschöpft, sie brauchen jetzt Hilfe, aber die Versorgungslage wird immer schlechter."
Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) warnte am Donnerstag, dass die Spenden für Syrien insgesamt deutlich zurückgingen. Während das DRK im vergangenen Jahr 1,13 Millionen Euro an Spenden für Syrien erreichten, erwartet die Hilfsorganisation für 2016 etwa die Hälfte. Im sechsten Jahr des Krieges gebe es in der Öffentlichkeit möglicherweise einen gewissen Gewöhnungseffekt, was die Lage in Syrien anbelangt, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters. Die Helfer der Organisation in Aleppo leisteten jedoch "buchstäblich Überlebenshilfe": "Der Bedarf ist immens, aber das Andauern der Kämpfe und der Mangel an Sicherheit erschweren die humanitäre Hilfe sowie auch notwendige Reparaturarbeiten etwa an Infrastruktur und Wasserleitungen gravierend." Den Menschen fehle es an allem. "Nahrung und Medikamente werden dringend benötigt", so Seiters. "Die Situation in der Stadt ist katastrophal."
Caritas Spendenkonten: BAWAG P.S.K. BIC: BAWAATWW IBAN: AT92 6000 0000 0770 0004; Erste Bank BIC: GIBAATWWXXX IBAN: AT23 2011 1000 0123 4560; Kennwort: Nothilfe Aleppo; Online spenden ; Hilfspaket: http://shop.caritas.at/hilfspaket
Caritas Hilfe für Syrien:
www.caritas.at/syrien