Jesus heilt den Blinden: Jesus tut Dinge, die sonst nur Gott tut. ( Ausschnitt; gemalt um 1570/76 von El Greco - Domenikos Theotokopoulos)
Jesus heilt den Blinden: Jesus tut Dinge, die sonst nur Gott tut. ( Ausschnitt; gemalt um 1570/76 von El Greco - Domenikos Theotokopoulos)
Wundererzählungen aus der Bibel und von heute, etwa in Fatima oder Lourdes, erregen Anstoß. Gleichzeitig weiten sie den Blick auf einen liebenden Gott, der in dieser Welt handelt.
Bei seinem Fatima-Besuch hat Papst Franziskus zwei Hirtenkinder heiliggesprochen. Für eine Selig- oder Heiligsprechung braucht es in der Katholischen Kirche entweder das Blut-Zeugnis des Lebens, das kirchlich anerkannte Martyrium. Oder ein Wunder. Und Wunder gibt es nicht nur in der Bibel, sie geschehen auch heute noch.
Die biblischen Wundererzählungen wollen „Hingucker“ sein und Aufmerksamkeit erregen, erklärt der Wiener Neutestamentler Martin Stowasser: „In der biblischen Überlieferung sind Wunder Hinweiszeichen auf die Welt Gottes und auf sein Handeln in dieser Welt. Sie führen zu einem tieferen Verständnis der Person Jesu und wollen zeigen: Jesus ist der Christus, der Auserwählte, der Messias Israels, der von Gott gesandt ist.“
Für moderne Menschen gehören Wundererzählungen „oft zu schwierigen Dingen, die der Glaube mit sich bringt“, sagt Stowasser: Dennoch können sie auch für einen rational denkenden Menschen relevant sein und die Frage nach dem Größeren stellen.
Aus seiner Sicht regen Wundergeschichten Menschen zum Nachdenken und Suchen an: „Die Welt ist nicht nur etwas, das man messen und beschreiben kann. Das wäre eine verkürzte Realität. Die Wundererzählungen geben auch heute noch dem Menschen den Blick auf einen Gott, der sich dem Menschen heilend und liebend zuwendet.“
Ähnliches leisten für Stowasser moderne Wunderberichte aus Orten wie Lourdes oder Fatima: „Sie eröffnen den Blick auf die dahinterstehende Wirklichkeit Gottes.“ Kein Urteil sei damit gesprochen, was historisch ist und was nicht, sagt der Neutestamentler: „Es ist die Frage des persönlichen Weltbilds, ob man für die tiefere Realität Gottes offen ist oder sich dieser durch die eigene Entscheidung verschließt.“
Viele Wundererzählungen aus der Antike wurden über Kaiser, Philosophen oder religiöse Personen erzählt. Dass im Neuen Testament mehr als 30 Wundergeschichten vorkommen, die mit der Person Jesu zu tun haben, sieht der Theologe als Hinweis für die Bedeutung des Jesus von Nazareth: „Wir können mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass es Phänomene wie Exorzismen, Heilungen oder Therapien beim historischen Jesus gegeben hat.“
Stowasser bezeichnet Jesus als „charismatischen Wunderheiler“, bei dem Menschen in der Begegnung mit ihm Heil gefunden haben, auch körperliche Heilung: „Das gibt es auch in der heutigen Zeit: Es gibt Menschen, die auf andere Menschen heilend wirken.“ Dass heute Menschen über das Wasser gehen oder Lebensmittel vermehren, sei nicht zu erwarten, so Stowasser. In solchen Naturwundern werden biblische Motive sichtbar, die die Göttlichkeit Jesu zum Ausdruck bringen sollen.
Klar ist für Stowasser, dass im Neuen Testament eine Weiterentwicklung des Wunderbegriffs zu beobachten ist. Im Markus-Evangelium, das als ältestes der vier Evangelien gilt, wird die Heilung eines Blinden beschrieben, im zeitlich späteren Matthäus-Evangelium die Heilung von zwei Blinden. Im Markus-Evangelium ist eine Heilungserzählung zu finden, Matthäus beschreibt dieselbe Szene als Totenerweckung. Stowasser: „Die neutestamentliche Überlieferung will hier zeigen: Dieser Jesus tut Dinge, die sonst nur Gott tut. Er schenkt Leben.“
Dass die Wundererzählungen im Neuen Testament keine Mirakelsammlung sind, betont der Theologe mit Hinweis auf die Evangelien selbst: „Das Markus-, Matthäus- und Lukas-Evangelium üben versteckte Kritik an einem reinen Wunderglauben. Wenn man nur aufgrund eines Mirakels glaubt, ist das kein echter Glaube.“ Die Wundergeschichten wollen für den Glauben der Menschen vermitteln, wer dieser Jesus war, erklärt Stowasser. Sie zeigen, dass Jesus „mehr ist als alle anderen Propheten“.
Als „Unterschrift des Himmels“ bezeichnet Andreas Lotz, Leiter des diözesanen Referats für Selig- und Heiligsprechungen, Wunder. Es brauche eine Bestätigung, die einen Kandidaten für ein Selig- oder Heiligsprechungsverfahren legitimiert, und zwar in Form eines Wunders durch eine Gebetserhörung.
Mehr als 90 Prozent der Wunder sind laut Lotz medizinisch definiert. Als Wunder gilt dann eine „schnelle, spontane, nach heutiger Wissenschaft nicht erklärbare Gesundung auf Anrufung eines Dieners, einer Dienerin Gottes“. Damit ist die Latte für Wunder ziemlich hochgelegt, so Lotz.
zur Person:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Stowasser lehrt Neues Testament an der Universität Wien.
Einen Weg mit Gott gehen Christinnen und Christen seit mehr als 2000 Jahren. Wundersame Eingriffe Gottes nehmen Menschen immer wieder wahr. Und sie geben davon Zeugnis.
An einem Wunder tatkräftig mitgewirkt hat P. Petrus Pavlicek, erzählt der Franziskaner P. Benno Mikocki. Nach seiner Rückkehr aus dem Zweiten Weltkrieg hatte P. Petrus eine Eingebung: „Tut, was ich euch sage, und ihr werdet Frieden haben“, hörte er in seinem Inneren. Im Jahr 1947 gründete er den Rosenkranz-Sühnekreuzzug und initiierte damit das Gebet von 500.000 Österreicherinnen und Österreichern für den Frieden und die Freiheit Österreichs: „Und wirklich ist 1955 das Wunder des österreichischen Staatsvertrags passiert. Das ist für mich das Wunder des P. Petrus.“ Eine günstige weltpolitische Situation, das Verhandlungsgeschick Österreichs und eben auch das Gebet haben zur Befreiung Österreichs geführt, so P. Benno. Der Seligsprechungsprozess von P. Petrus wurde im Jahr 2000 eröffnet.
Einige Situationen hat Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation, in seinem Leben bereits erlebt, in denen er das Eingreifen Gottes „ganz stark“ begriffen hat. Vor fast zehn Jahren hat Neubauer Jürgen kennengelernt, einen überzeugten Atheisten: „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass sich diese Haltung ändern könnte.“ Aber es ist passiert. Eine Freundschaft hat sich entwickelt und Jürgen hat nach fast zehn Jahren zum Glauben gefunden: „Ich kann nur Zeugnis davon geben, dass ich das Eingreifen Gottes in dieser Situation erlebt habe. Das war ermutigend, das hat aufgebaut, das hat gestärkt im Glauben. Das war für mich ein echtes Wunder.“
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