Er wusste, dass man nie aufgeben darf, denn mancher Samenkern kann erst später reifen.
Er wusste, dass man nie aufgeben darf, denn mancher Samenkern kann erst später reifen.
Florian Kuntner wäre am 22. März 85 Jahre alt geworden, wäre er nicht am 30. März 1994 im Alter von 61 Jahren an einer Tropenkrankheit gestorben. Obwohl das schon 24 Jahre her ist, ist doch vieles von diesem „politschen Menschen“ geblieben: Erinnerungen an das „Lichtermeer“ 1993, der Florian Kuntner Preis für innovative Projekte in Mission/Weltkirche, die weiter bestehenden Selbstbesteuerungsgruppen, die Partnerschaft von Wr. Neustadt mit der Prälatur Infanta, der Fastenkalender und nicht zuletzt die vielen Diakone, die Kuntner auf ihre Berufung angesprochen und geweiht hat.
Florian Kuntner hat vieles initiiert, vieles versucht, ist manchmal auch gescheitert – Diplomatie war nicht seine Stärke. Aber er hat nie aufgegeben, betonte Ingeborg Schödl vergangene Woche bei einer Gedenkmesse für den beliebten Weihbischof in der Minoritenkirche, bei der auch eine kleine Gedenktafel enthüllt wurde. „Die Saat geht auf“ sollen seine letzten Worte gewesen sein.
Von seiner bäuerlichen Herkunft her wusste er, dass nicht immer alles sofort aufgeht, was gesät wurde. Weil das Unkraut überhand nimmt, weil das Klima zu feucht oder zu trocken ist. Zu wenig gedüngt wurde oder Wetterkatastrophen es verhinderten. Er wusste aber auch, dass man nie aufgeben darf, denn mancher Samenkern kann erst später reifen.
„Kuntner war ein sehr politischer Mensch. Er erhob seine Stimme gegen jede Art von Gewalt, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen. Er erhob seine Stimme gegen die Apartheid-Politik Südafrikas, die Gewalteskalation in den Balkankriegen, die Verfolgung der Christen in der Südosttürkei, gegen den Golfkrieg.
Er engagierte sich als Präsident von „Iustitia et Pax“ in der Plattform „SOS Mitmensch“ gegen die aufbrechende Ausländerfeindlichkeit und nahm als Redner am „Lichtermeer“ 1993 teil.
Er machte sich damit nicht nur Freunde. Im Gegenteil – aber auch die Bezeichnung „Bischof der Linken“ zu sein, hielt ihn nicht von seinem bedingungslosen Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und auch Schutz der Umwelt ab. Die uns aufgetragene Schöpfungsverantwortung lag ihm ebenfalls am Herzen. Lange bevor dies ein Thema wurde“, so Schödl.
Dem Aufbau „lebendiger Gemeinden“ galt auch sein ganzes Wirken als Pfarrer, Bischofsvikar und Weihbischof. Er war überzeugt, dass nur unter Einbeziehung der Laien solche entstehen können, und zwar mit Männern wie Frauen, und auf Augenhöhe. Und er war auch überzeugt, dass die Kirche dafür neue Wege beschreiten müsse.
Florian Kuntner war es ein großes Anliegen, die Mitarbeiter in ihrem echten Selbstbewusstsein zu stärken. „Die von ihm zum Motto gemachten ,geglückten Beziehungen‘ durfte ich in der gemeinsamen kreativen Arbeit erfahren“, erzählt auch Diakon Franz Ferstl, der zehn Jahre lang als Vikariatssekretär an der Seite Kuntners wirkte.
„Es war ein brüderliches Miteinander, das wir besonders bei den einwöchigen Rocca-di-Papa-Kursen in Rom, die wir organisierten, erleben durften. Sein Ziel war es, nicht nur von der lebendigen Kirche zu reden, sondern gerade in Rom Weltkirche erlebbar zu machen.
In allen geistlichen Angeboten ging es ihm darum, nicht fertige Rezepte aufzustülpen, sondern die Priester und Mitarbeiter kreativ beim Überlegen und Gestalten einzubinden.“
„Strukturveränderungen sollten von den Menschen getragen werden, indem auf Menschen und nicht auf Strukturen gebaut wurde. Es galt, die Kirche ,nicht krank zu jammern‘, sondern an den Frühling zu glauben und dem Heiligen Geist etwas zuzutrauen“, so Ferstl. Pfarre verstand Kuntner als „Gemeinschaft von Gemeinschaften“.
Kuntners bewusst einfacher Lebensstil überraschte viele, z. B. kam er oft zu Fuß, mit dem Rad oder per Bahn, sogar bei bischöflichen Visitationen. Er war überzeugt, dass unser Lebensstil und Konsumverhalten sich auf die große Not in der Welt auswirkte.
So ging er selbst mit gutem Beispiel voran, spendete einen Teil seines Einkommens für Projekte in den Missionsländern. Er gründete den Arbeitskreis Weltkirche, unterstützte Fritz Giglinger von der Franziskusgemeinschaft Pinkafeld durch die Herausgabe des Fastenkalenders, in dem das „Bewusst einfach leben“ und das Teilen mit den Ärmsten in kleinen Schritten aufgezeigt wurde.
Er gründete die erste Selbstbesteuerungsgruppe des Vikariats und die Projektpartnerschaft mit Bischof Labayen von Infanta auf den Philippinnen. Er motivierte, als Weihbischof und für die Missio zuständig, Menschen, in die Mission und als Entwicklungshelfer zu gehen und gründete das Missionsreferat der Erzdiözese Wien.
„So war Bischof Florian in seinem Vikariat als guter Hirte immer bei den Menschen und lud ein, Christsein als Lebensfreude zu erfahren und dabei zu erleben, dass der Glaube hilft, dass das Leben gelingt. Er lud uns ein, die Zeichen der Zeit zu erkennen und ging mit uns gemeinsam die Schritte des ,Bewusst einfach Lebens und Teilens‘, indem er seine Eindrücke von den Missionsreisen lebendig schilderte. Er versuchte, die vorhandenen Charismen bewusst einzusetzen und war als „Herzensbischof“ unterwegs.
So waren die zehn gemeinsamen Jahre mit meinem „Chef und geistlichen Vater Bischof Florian“ eine fruchtbare Zeit der Aussaat, erinnert sich Ferstl. Vieles, was heute in der Diözese neu gelebt wird, war damals in Ansätzen durch sein Wirken und das Einbinden aller kreativen Kräfte und Charismen schon vorhanden.
Es gelang Bischof Florian, eine Epoche des Vikariates zu gestalten und die Kirche langzeitig zu prägen: durch seinen bewussten, glaubwürdigen Lebensstil, seinen tiefen, vom Heiligen Geist inspirierten Glauben, sein unermüdliches Ringen um eine kirchliche Erneuerung und sein Fordern einer weltweiten Gerechtigkeit. Wie dies in einem Menschenleben gelingen kann, dafür ist und bleibt er ein nachhaltiger Zeuge.
Der „radelnde Bischof“ beim Auftakt zur „Lourdes-Wallfahrt“ 1981 vor dem Tor der Propstei in Wiener Neustadt.
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