Der 93-jährige Elema Wario hat viele Dürren miterlebt, aber keine so lang andauernde wie diese. Für ihn ist klar: „Das ist eine Auswirkung der Klimaerwärmung.“
Der 93-jährige Elema Wario hat viele Dürren miterlebt, aber keine so lang andauernde wie diese. Für ihn ist klar: „Das ist eine Auswirkung der Klimaerwärmung.“
Der Norden Kenias wird von einer der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit heimgesucht. Eine zweijährige Dürre rafft die Tiere der Nomaden dahin. Stefan Hauser berichtet für den SONNTAG aus Marsabit, wo die Nomadenfamilien unsere Hilfe brauchen.
Im Norden ist alles anders“, schildert Steve Machell, Pilot der christlichen Flugorganisation MAF, als ich in Nairobi in den Propellerflieger steige. Gechartert werden die Flieger von Hilfsorganisationen wie der österreichischen Caritas.
Anfangs ein Flug wie im Film „Jenseits von Afrika“: Zebras, Büffelherden in weiter Prärie. Zwei Stunden später Landung am Wüstenflugplatz.
Mit Mitarbeitern von PACIDA, der regionalen Hilfsorganisation, mit der die österreichische Caritas Nothilfe in Marsabit leistet, geht es auf der Schotterstraße nach Qorqa.
500 Frauen, Männer und Kinder warten auf Hilfsgüter. Das Dorf mit typischen Hütten aus Ästen, Leder und Planen zusammengehalten, ist von der extremen Dürre betroffen.
Die ganze Wüsten- und Hungerregion Marsabit ist so groß wie Österreich, 300.000 Menschen sind hier vom Hunger bedroht. 80 Prozent der Kamele, Schafe, Ziegen und Kühe – traditionell die Einkommensquelle der Viehnomaden - wurden von der Dürre dahingerafft.
Die „Wüstenschiffe“ liegen skelettiert im Sand. Caritaspräsident Michael Landau und Auslandshilfechef Christoph Schweifer verteilen Bohnen, Mais, Mehl und Öl.
Eine die sich für die Hilfspakete anstellt ist Elle Duba. Die 60-jährige Frau, gezeichnet von den Strapazen, strahlt dennoch Würde aus. 40 Grad im Schatten zeigt das Thermometer. Die siebenfache Mutter schildert mir: „Wir hatten 200 Schafe, alle sind tot. Ohne Nahrungsmittelhilfe wären wir schon verhungert“.
Die 21-jährige Arbe Sora, die ein Baby unter dem wallenden Kleid trägt, ergänzt: „Mein Mann und ich können nicht weggehen, dazu bräuchten wir Tiere, die unsere Lasten transportieren, die haben wir nicht mehr“.
Nach zwei Stunden sind die Güter verteilt, sie reichen für 14 Tage um den äußersten Hunger der Menschen zu lindern.
Brunnen in der Region sind nach einem zweieinhalbjährigen Ausfall der Regenzeiten versiegt. Daher organisiert die Caritas „Watertrucks“, Lastkraftwagen, die Wasser in abgelegene Dörfer bringen.
Übernachtung auf der Missionsstation in North Horr. Beim Waschen wird mir bewusst, wie gut ich es habe, denn ich muss keine Wasserkanister weit schleppen.
Am nächsten Tag geht es zur Wüstensiedlung Yaa Sharbana. Hier kämpfen 900 Menschen um ihr Überleben. Der nächste Brunnen ist unglaubliche 30 Kilometer entfernt. Ohne Wasser-LKW-Lieferungen droht Tod durch Verdursten.
Elema Wario, der Dorfälteste, sitzt mit den Männern unter zusammengetragenen Zweigen von Sträuchern, die ein wenig Schatten in der glühenden Hitze gewähren. Warios Haarlocken sind schneeweiß, die Haut ledrig, in den Augen leuchtet hellblauer Pupillenrand. 93 Lebensjahre liegen hinter ihm: „Das wichtigste Gut für uns ist Wasser. Dazu kommt noch der Hunger, wir haben kaum etwas zu essen. Unsere Lebensversicherung sind die Tiere, sie sind verendet“.
Elema Wario hat viele Dürren erlebt, aber keine wie jetzt: „Für mich ist das eindeutig eine Auswirkung des Klimawandels.“ Auf die Frage ob nomadisches Leben überhaupt Zukunft hat, sagt Wario: „Das weiß ich nicht, aber weggehen tun wir nicht“. Ich wünsche ihm das Beste.
Es geht weiter. Im CD-Spieler des Jeeps erklingt, „I wish it would rain down“ von Phil Collins. Ich würde es den Menschen hier im Norden Kenias so wünschen.
Wir kommen zur „Nomadic Girl School“. Eine Schule mitten in der Wüste. Die Mädchen der Nomaden erhalten hier Chance auf Bildung. Schuldirektor Sora Duba kämpft für sie: „Die Mädchen kommen weg aus ihrer Familie, wo sie wenig Perspektiven haben, jung heiraten und Mutter werden“.
Die 14-jährige Antho erklärt mir: „Ich möchte einmal Lehrerin werden und mit dem Einkommen meine Eltern unterstützen“. Ich hoffe, ihr Wunsch geht in Erfüllung.
Es folgt eine Nacht in der Missionsstation Maikona. Ich trinke sehr viel Wasser, die Hitze hat mich ausgedörrt, die Kartoffeln und das gekochte Gemüse stärken mich. Ich denke mir, hoffentlich haben auch die Menschen, die ich heute treffen durfte, zumindest so viel zu essen, dass sie sich nicht zu hungrig auf ihre einfachen Matratzen legen müssen.
Nach dem frühen Gottesdienst mit Caritaspräsident Landau geht es nach Turbi. Mit Geldern von „Nachbar in Not“ errichtete man eine Wasserstation, ein Sammelbecken für Oberflächenwasser, eine Tränke für die noch wenigen Tiere der Nomaden. 15 Minuten entfernt eine Wasseraufbereitungsanlage.
Imam Sheik Mohammed betont die Dankbarkeit für die Hilfe der Caritas. Ein schönes Zeichen des religiösen Miteinanders. „Not lehrt beten“, ein Sprichwort, das die Menschen hier täglich prägt.
Beim Wasserkiosk warten 150 Frauen mit ihren gelben Kanistern zu je 10 Litern auf die Ausgabe. Die 42-jährige Bokayo Budha schildert mir, dass sie zehn Kinder zu Hause zu versorgen hat, dreimal ist sie täglich mit den Kanistern drei Kilometer unterwegs.
Es geht zurück auf der einzigen asphaltierten Straße Nordkenias nach Nairobi. Von der Wüste, in das Grün des Hochlands. Wahlplakate hängen.
Ein neuer Präsident und eine neue Regionalregierung werden gewählt. Ob diese die Not der Menschen lindern, ist mehr als unsicher, der Norden Kenias wird traditionell nicht in den Blick der Politiker genommen. Das dürfen wir in Österreich hier nicht.
Wenn wir den Menschen im Norden Kenias nicht helfen, werden viele verhungern, die nächste kleine Regenzeit wird erst für Oktober erwartet, auch dann ist nicht sicher, dass Regen fällt.
Mein Appell: Spenden Sie für die Menschen in Nordkenia und weiteren Hungerregionen Afrikas!
Mit einer Spende von 25 Euro kann eine sechsköpfige Familie eine Woche mit UNIMIX, Bohnen, Weizenmehl und Speiseöl versorgt werden.
Mit einer Spende von 25 Euro kann eine sechsköpfige Familie eine Woche mit UNIMIX, Bohnen, Weizenmehl und Speiseöl versorgt werden.
zum nachhören
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at