Das christliche Leben ist ein Unterwegs mit Jesus.
Das christliche Leben ist ein Unterwegs mit Jesus.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 13. Sonntag im Jahreskreis, 27. Juni 2004,
(Lk 9,51-62)
Das Leben ist ein Weg. Ein ständiges Unterwegs. Das christliche Leben ist ein Unterwegs mit Jesus. Das eigene Leben christlich gestalten heißt, den Weg mit Jesus gehen. Was heißt das? Um verschiedene Facetten dieses Weges geht es im heutigen Evangelium. "Nachfolge Jesu" wird von allen möglichen Seiten her beleuchtet. Und es zeigt sich: Es ist gar nicht so einfach, den Weg mit Jesus zu gehen. Warum legt er die Latte so hoch? Will er denn nicht, dass möglichst viele Menschen seinen Weg mit ihm gehen? Schafft es nur eine kleine Elite, seinen strengen Anforderungen gerecht zu werden? Diese Frage stelle ich mir selber oft, gerade in unserem Land, in dem das Christentum so beherrschend war.
Vielleicht wollte es zu sehr beherrschend sein. Die Versuchung, den Weg Jesu mit Macht und Gewalt durchzusetzen, hat es offensichtlich von Anfang an gegeben. Wer von Galiläa nach Jerusalem pilgert, muss durch Samaria gehen. Dort war man den Juden gegenüber feindlich gesonnen. Jesus und seine Begleiter bekommen es zu spüren. In dem Dorf, in dem sie nächtigen wollen, verweigern ihnen die Samariter die Gastfreundschaft. Das ist nicht nur eine unfreundliche Geste, das ist ein feindschaftlicher Akt.
Zwei "Chefapostel", Jakobus und Johannes, wollen "Feuer vom Himmel" auf die Samariter kommen lassen, "damit es sie verzehre". Nicht umsonst hat Jesus die beiden Brüder "Donnersöhne" genannt! Auf Ablehnung mit Gewalt antworten! Den eigenen Weg "mit Feuer und Schwert" durchsetzen! Wie weit sind die beiden noch von Jesu Weg entfernt! Wie oft haben Nachfolger der Apostel, Bischöfe, Priester, die Intoleranz gepredigt, die Gewalt gerechtfertigt!
Heute ist diese Frage weltweit zu einem Sorgenpunkt großen Ausmaßes geworden. Neigen Religionen zur Gewalt? Ist religiöse Radikalität ein Risikofaktor? Jesus wies das Ansinnen der beiden Apostel entschieden zurück. Sein Weg ist das nicht. Und seine Apostel haben es schließlich auch begriffen. Sie haben auf Gewalt verzichtet und lieber ihr Leben gegeben, als andere aus Fanatismus in die Luft zu sprengen. Von ihnen über Franz von Assisi bis zu Franz Jägerstätter und Oscar Romero führt der Weg der gewaltlosen Friedensliebe. Er allein führt aus der Spirale der Gewalt heraus. Der Weg Jesu bleibt das große Vorbild auch in unserer von Terror geschüttelten Zeit.
Doch fordert dieser Weg mehr als nur den Verzicht auf Gewalt. Es gilt, sich von manchem zu lösen. Jesus selber hat heimatlos, ja fast obdachlos gelebt. Viele sind ihm nachgefolgt. Die irischen Mönche, die uns den Glauben gebracht haben, wurden freiwillig Fremde, fern ihrer Heimat, um Christus zu bringen. Bis heute wählen Menschen diesen Weg, werden Missionare, Entwicklungshelfer.
"Lass die Toten ihre Toten begaben!" Das klingt hart und ist es auch. Wer aber Jesus nachfolgt, soll "das Reich Gottes verkündigen", das heißt die Auferstehung und das Leben. Schau nicht zurück! Hänge nicht nostalgisch an "Haus und Hof", am Gewohnten und Vertrauten! Sei frei für Gottes Ruf!
Ist das zu "steil"? Zu schwer? Nicht alle werden von Jesus so radikal gerufen. Alle aber müssen wir lernen, loszulassen. Spätestens am Ende des (irdischen) Weges. Zu üben beginnen sollten wir schon jetzt.
Als die Zeit herankam, in der er (in den Himmel) aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen.
Und er schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?
Da wandte er sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen zusammen in ein anderes Dorf.
Als sie auf ihrem Weg weiterzogen, redete ein Mann Jesus an und sagte: Ich will dir folgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.
Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben.
Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen.
Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.