Bis heute klagen wir ihn an: Warum hilfst du uns nicht, so wie wir es erwarten? Und er antwortet: Warum vertraust du mir nicht, so wie der rechte Schächer?
Bis heute klagen wir ihn an: Warum hilfst du uns nicht, so wie wir es erwarten? Und er antwortet: Warum vertraust du mir nicht, so wie der rechte Schächer?
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den Christkönigssonntag, 25. November 2007,
(Lk 23,35-43)
Bist du ein König? So fragt Pilatus den angeklagten Galiläer, Jesus aus Nazareth. "Ja, ich bin ein König", antwortet der ohnmächtig vor ihm Stehende. Pilatus findet zwar keine Schuld an ihm, wie er deutlich sagt, traut sich aber nicht, ihn freizulassen. Ohne Grund, nur um die lautstarken Ankläger zu beschwichtigen, lässt er ihn geißeln. Welche schrecklichen Spuren die Geißelhiebe auf dem Rücken, der Brust und auf den Beinen hinterließen, bezeugt heute noch erschütternd das Grabtuch von Turin.
Wusste Pilatus, was seine Soldaten dabei mit dem "König der Juden" taten? Wie sie ihm eine Krone aus Dornen auf den Kopf drückten und ihn mit Schlägen ins Gesicht "verehrten"? Was wissen wir "da oben", wie es oft "unten" zugeht, wie Menschen gemobbt, verspottet und gequält werden, so einfach aus Hetz oder grundloser Bosheit? Jesus weiß es. An ihm hat sich aller Hohn und Spott ausgetobt.
Da steht es also auch noch schriftlich: "Über ihm war - am Kreuz - eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden" Hat denn keiner Mitleid mit den unbeschreiblichen Qualen des Gekreuzigten? Ich frage mich oft: Wie konnten die Leute damals einfach zuschauen? Wie konnten sie dieses schreckliche Schauspiel der an die Balken angenagelten, sich in Todesqualen windenden Verurteilten anschauen? Und dann auch noch spotten? Wo bleibt da die Menschlichkeit, das Mitgefühl? Kein Mitleid? Kein Mitleiden? Und dann frage ich mich selber: Schaue ich nicht auch manchmal selber zu - oder lieber weg -, wenn mir großes Leid begegnet?
Es wird noch krasser: Wenn du der Messias bist, Christus, der Retter, wie du behauptest, dann zeige deine Macht! Zeig, was du kannst! Steig vom Kreuz herunter! Hilf dir selber! Und hilf auch uns, sagt einer der mit ihm gekreuzigten Verbrecher! "Anderen hat er geholfen", sagen sie, sich selber kann er nicht helfen.
Spüren wir, wie schrecklich dieser Spott ist? Sie geben zu, dass er anderen geholfen hat. Sie wissen es. Sie können es gar nicht abstreiten, dass er viele wirklich geheilt hat. Unglaubliche Heilungen, etwa von Leprakranken. Ja dass er Tote auferweckt hat, noch vor wenigen Tagen den Lazarus, in Bethanien, vor den Toren Jerusalems. Und zahlreiche Zeugen sahen es. Nein, sie bestreiten nicht, dass dieser Gekreuzigte anderen geholfen hat. Wirklich, er ist ein Heiland, ein Retter.
Warum rettet er sich nicht selbst? Ahnen sie, dass er es könnte, aber nicht will? Dass er es freiwillig angenommen hat, ohnmächtig ausgeliefert zu sein? Dass seine Qual am Kreuz nicht "Pech gehabt" bedeutet, ein Beweis, dass er eben doch kein König ist?
Einer spürt es, dass dieser anders ist! Der rechts von Jesus Gekreuzigte, den wir "den rechten Schächer" nennen. Er bittet Jesus, ihn nicht zu vergessen, wenn er als König kommt. Und Jesus gibt ihm die Antwort, die seit damals unzählige Sterbende getröstet hat. "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein."
Das Kreuz ist anstößig. Ein Retter, der sich nicht selber retten kann. Wie soll der ein König und Herrscher sein? Bis heute klagen wir ihn an: Warum hilfst du uns nicht, so wie wir es erwarten? Und er antwortet: Warum vertraust du mir nicht, so wie der rechte Schächer?
In jener Zeit verlachten die führenden Männer des Volkes ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist.
Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst! Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden.
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!
Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen.
Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.
Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.