Krankheit ist oft der Weg, auf dem Gott Menschen in seine Nähe führt, nicht weil Er uns quälen will, sondern weil es manchmal schmerzlicher Grenzen bedarf, damit wir uns öffnen für Gottes heilsames Wirken an uns.
Krankheit ist oft der Weg, auf dem Gott Menschen in seine Nähe führt, nicht weil Er uns quälen will, sondern weil es manchmal schmerzlicher Grenzen bedarf, damit wir uns öffnen für Gottes heilsames Wirken an uns.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 13. Sonntag im Jahreskreis,
1. Juli 2012 (Mk 5,21-43)
Wenn ich nur sein Gewand berühre, werde ich gesund! Hoffnung auf Heilung bewegt die Frau, von der heute im Evangelium berichtet wird. Diese Hoffnung bewegt so viele von schwerer Krankheit Heimgesuchte. Sie bewegt auch den frommen Jaïrus Jesus anzuflehen, sein Töchterlein zu retten, das sterbenskrank ist.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, wird oft gesagt. Wie viele Krebskranke hoffen bis zum Schluss, bis knapp vor dem Tod, dass es doch noch Heilung geben wird. Und viele bestärken sie darin, wider besseres Wissen, es könnte noch ein Wunder geben.
Heute könnte der „blutflüssigen“ Frau wahrscheinlich dank dem riesigen Fortschritt der Medizin geholfen werden. Und das Töchterlein des Jaïrus könnte wohl heute von einem guten Kinderarzt geheilt werden. Wir können Gott nicht genug dafür danken, dass heute so viel Heilung durch die Medizin möglich ist.
Dennoch sterben heute noch Kinder, nicht nur in den armen Ländern. Manche Krankheit bleibt unheilbar. Dann sagen wir: Hier kann nur mehr ein Wunder helfen! Aber diese wunderbaren Heilungen sind rar. Zwei werden heute berichtet. Achtundsechzig medizinisch nicht erklärbare Heilungen haben die Ärzte in Lourdes anerkannt. Zahllose sind in den zweitausend Jahren des Christentums geschehen. Sie sind dennoch die Ausnahme. Wenn zwei solcher Wunder uns heute berichtet werden, wecken sie dann nicht falsche Hoffnungen?
Eine Antwort auf diese Frage fand ich bei einer Schwerstkranken, die jedes Jahr nach Lourdes fuhr. Immer kam sie gestärkt wieder zurück. Sicher hatte sie im Herzen auch die Hoffnung auf Heilung. Aber sie kam jedes Mal mit neuer Kraft heim, ihr unheilbares Leiden zu ertragen, dazu Ja zu sagen. Alle, die sie kannten, haben gesagt: Es ging von ihr eine Kraft aus, eine Freude, die ansteckend war. Sie selber erlebte Lourdes als eine Kraftquelle. Dort ging es ihr wie der blutflüssigen Frau. Sie konnte neu Jesus berühren und von ihm berührt werden.
Es gibt wunderbare Heilungen von schwerer Krankheit. Ja, es gibt sogar, gut bezeugt, Totenerweckungen. Aber das häufigste Wunder ist die seelische Heilung, die die Berührung mit Christus bringt. Krankheit ist oft der Weg, auf dem Gott Menschen in seine Nähe führt, nicht weil Er uns quälen will, sondern weil es manchmal schmerzlicher Grenzen bedarf, damit wir uns öffnen für Gottes heilsames Wirken an uns. Diese Hoffnung auf Heilung stirbt nicht. Gott enttäuscht sie nicht.
In jener Zeit fuhr Jesus im Boot wieder ans andere Ufer hinüber, und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn.
Während er noch am See war, kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt.
Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte.
Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten (zu Jaïrus): Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?
Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur! Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten, trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag.
Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt.
Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.