Das Spotlight-Team recherchierte minutiös. Im Bild: Michael Keaton und Mark Ruffalo.
Das Spotlight-Team recherchierte minutiös. Im Bild: Michael Keaton und Mark Ruffalo.
Der sechsfach für den Oscar nominierte Film „Spotlight“ (jetzt in unseren Kinos) erzählt wie ein Journalistenteam den jahrzehntelangen und systematischen Kindesmissbrauch durch Geistliche der Erzdiözese Boston aufdeckt. Die Enthüllungen kamen einem Erdbeben gleich und führten zu entscheidenden Veränderungen in der Kirche. "Der SONNTAG" berichtet.
Packend und stringent erzählt „Spotlight“ in der Regie von Tom McCarthy von den Ereignissen in Boston im Jahr 2001: Der Außenseiter Marty Baron (Liev Schreiber) wird neuer Chefredakteur des Boston Globe. Baron stammt aus Miami und ist Jude.
Angeregt durch eine Kolumne im Globe, in der es um unaufgeklärte Fälle von Kindesmissbrauch durch Priester geht, beauftragt er das Investigative-Team der Zeitung (genannt „Spotlight“), die Thematik umfassend zu recherchieren.
Das Journalisten-Team rund um Walter Robinson (Michael Keaton) stößt Schicht um Schicht auf einen viel größeren Skandal als zunächst angenommen: Seit Jahrzehnten wurden in der Erzdiözese Boston immer wieder Kinder von Priestern missbraucht – und die Taten von höchsten Würdenträgern gedeckt und vertuscht.
Die Spuren führen direkt zu Kardinal Law, doch die Reporter stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Die Opfer schweigen aus Angst, hoch bezahlte Anwälte spielen auf Zeit. Die Reporter von Spotlight arbeiten sich durch Archive und entdecken, dass des Missbrauchs beschuldigte Priester immer wieder einfach in eine andere Pfarre versetzt wurden, wo sie sich erneut an Kindern vergingen.
Nie wurden sie einem Strafprozess zugeführt. Die Diözese traf außergerichtliche Abkommen, ließ Akten verschwinden und zahlte Schweigegeld. Das Journalisten-Team befragt unzählige Opfer und wird bei seinen Recherchen von dem Ex-Priester und Pastoralpsychologen Richard Snipe beraten. Als fest steht, dass die Missbrauchsfälle und deren Vertuschung System hatten, entschließt sich der Boston Globe Anfang 2002 zur Veröffentlichung. Die Diözese Boston wurde zum Ausgangspunkt einer US-weiten Aufdeckungswelle. Das Recherche-Team des Boston Globe erhielt 2003 für seine Arbeit den renommierten Pulitzer-Preis.
Nach einer Bilanz der katholischen Kirche in den USA wurden in den vergangenen 50 Jahren landesweit mindestens 5.000 Priester des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Die Gesamtkosten für Entschädigungen und Anwaltskosten betrugen bei 2011 rund zwei Milliarden Euro. Mehrere Diözesen gerieten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.
Gott „weine“ über den sexuellen Missbrauch von Kindern, sagte Papst Franziskus bei seinem USA-Besuch 2015. Er sei zutiefst beschämt, dass Geistliche ihren schutzbefohlenen Kindern Gewalt angetan und ihnen schwere Wunden zugefügt hätten. Die Verbrechen könnten nicht länger geheim bleiben. „Ich verspreche, dafür zu sorgen, dass Minderjährige geschützt und alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der Papst.
2015 richtete der Vatikan ein eigenes Gericht für Bischöfe ein, die sexuellen Missbrauch vertuschen, angesiedelt an der Glaubenskongregation. Für solche Bischöfe kannte das katholische Kirchenrecht bisher keine Sanktionen. Amtsmissbrauch von Bischöfen war nicht als eigener Straftatbestand vorgesehen. Die päpstliche Kinderschutzkommission (2014 gegründet) unter der Leitung des neuen Bostoner Kardinals Sean Patrick O‘Malley hatte diese Ergänzung im Kirchenrecht dringend gefordert.
Als Nachfolger von Kardinal Bernard Law wusste O‘Malley aus eigener Erfahrung, worum es ging: Law war in den USA zum Inbegriff eines Bischofs geworden, der sich weigerte, die Verantwortung für die Missbrauchsfälle in seiner Diözese zu übernehmen. Kein Mitarbeiter, keine Mitarbeiterin der Erzdiözese Boston hatte es geschafft, die jahrzehntelangen Verbrechen aufzudecken und zu stoppen. Mittlerweile hat die Kirche zahlreiche Maßnahmen zur Prävention von Missbrauch und Gewalt getroffen.
Internet: ombudsstelle.erzdioezese-wien.at
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at
Weitere Informationen zu "Der SONNTAG" die Zeitung der Erzdiözese Wien