Kardinal Christoph Schönborn und Hans Marte.
Kardinal Christoph Schönborn und Hans Marte.
"Marte hat neue Akzente im Themenbereich von 'Pro Oriente' gesetzt".
Die außerordentliche Vorfeldrolle von "Pro Oriente" für die ökumenischen Bemühungen des Papstes unterstrich Kardinal Christoph Schönborn am Freitagabend, 22. Juni 2018 bei einem Festakt aus Anlass des Abschieds des scheidenden "Pro Oriente"-Präsidenten Johann Marte.
Kardinal Schönborn würdigte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung die besonderen Verdienste Martes, der für seine Verdienste mit einem hohen päpstlichen Orden geehrte wurde. "Gespür für Gerechtigkeit", aber auch das Wissen um "im Glauben verwurzelter Freundschaft" für die Ökumene, Einsatz für die verfolgten Christen wie auch die Aufmerksamkeit für die spannungsreiche Begegnung mit dem Islam zeichneten Marte aus, so der Kardinal.
Johann Marte habe neue Akzente im Themenbereich von "Pro Oriente" gesetzt, wo heute die klassischen theologischen Kontroversthemen nicht mehr den zentralen Platz einnehmen. Aus seiner römischen Erfahrung verwies der Erzbischof von Wien darauf, dass die Kardinäle Walter Kasper und Kurt Koch immer wieder froh gewesen seien, dass "Pro Oriente" Themen aufgreife, die von Rom aus nicht behandelt werden könnten. Die Verbindung von "Pro Oriente" mit Rom sei immer sehr eng gewesen, "Pro Oriente" habe wichtige Beiträge zu den großen Anliegen des Bischofs von Rom geleistet, sagte Kardinal Schönborn, als er am Höhepunkt seiner Ausführungen Johann Marte die Insignien des Komturkreuzes des päpstlichen Gregoriusordens überreichte.
In herzlichen Worten dankte der Kardinal auch der scheidenden "Pro Oriente"-Generalsekretärin Regina Augustin für die Jahre ihrer "hervorragenden Arbeit im Dienst der Ökumene" (Regina Augustin ist jetzt Generalsekretärin der Katholischen Frauenbewegung Österreichs). In ihrer witzigen und viel applaudierten Würdigung der - 17 Jahre dauernden - Ära Martes als "Pro Oriente"-Präsident sagte sie, er habe "das Beste daraus gemacht". Die Arbeit von "Pro Oriente" sei in diesen Jahren thematisch in die Breite gewachsen, er habe den Mut gehabt, neue Themen aufzugreifen und zu verantworten. Eine wesentliche Qualität seiner Arbeit sei es gewesen, Ideen aufzugreifen, Mut zum Dranbleiben zu machen und hinter den Ideen der vielen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stehen.
Wesentliche Themen, die den orthodox-katholischen Dialog belasten, seien unter Marte Präsidentschaft bearbeitet worden, die Unionen von Siebenbürgen und Brest, die theologische Anthropologie, die patristischen Quellen. Aber auch die Wiederannäherung an die orientalisch-orthodoxen Quellen sei ihm wichtig, "vor allem seit dem Erstarken eines fundamentalistischen Islam". In der gemeinsamen Arbeit habe es viel Vertrauen, aber auch die Entwicklung einer Streitkultur gegeben, die vom echten Interesse am Standpunkt des anderen geprägt ist. Freilich sei Marte in den letzten Jahren ungeduldiger geworden - "alles ist gesagt, warum geht es nicht weiter". Diese Frage beschäftige ihn zunehmend vor allem auch deshalb, weil er die Herausforderungen der Kirchen und Gesellschaften weltweit im Blick habe und um die Notwendigkeit von Friedens- und Versöhnungsprozessen wisse, "die der kirchlichen Einheit bedürfen". Die Ost-West-Spaltung habe er am eigenen Leib erlebt, als er in Polen und Russland als österreichischer Diplomat aktiv war.
Eingangs hatte Martes Nachfolger als "Pro Oriente"-Präsident, Alfons M. Kloss, bei der Eröffnung des Festakts im Refektorium des Salvatorianer-Klosters St. Michael an die ökumenischen Verdienste seines Vorgängers erinnert, die Leitlinie von dessen unermüdlichem Einsatz sei das Wort Jesu "Alle sollen eins sein". Er sei dankbar, von Marte lernen zu können, wofür "Pro Oriente" steht, betonte Kloss. Im Sinn von Papst Franziskus gehe es in der Ökumene darum, gemeinsam voranzugehen und Zeugnis für die Botschaft Jesu abzulegen.
In seinen Dankesworten weitete Marte die päpstliche Auszeichnung auf die Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus. Es sei wie auf dem Schachbrett, auch dort könne der "König" allein nichts tun. In besonderer Weise dankte er für die treue und höchst verdienstvolle ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder der Gremien und Ausschüsse von "Pro Oriente". Sie hätten mit ihm die "Mühen der Ebene" geteilt, die mit der oft über die Grenzen der Belastbarkeit hinausgehenden ökumenischen Arbeit verbunden sei. Kardinal Kasper habe diese Arbeit das "Bohren dicker Bretter" genannt , Marte präsentierte an dieser Stelle den Teilnehmenden des Festakts ein kürzlich von ihm entdecktes volkstümliches Relief, auf dem der Knabe Jesus beim "Bohren dicker Bretter" dargestellt ist.
Im Rückblick könne er heute sagen, dass es nicht die Lehre ist, die die Menschen zusammenbringt, sondern die Art des Lebens "in der Nachfolge Christi". Als Beispiel nannte Marte die tränenreichen Umarmungen der Vertreter der neun Kirchen der syrischen Tradition, die 1995 in Wien von "Pro Oriente" nach jahrhundertelanger gegenseitiger Isolation im Meer des Islam zusammengeführt wurden. Bei so manchen ökumenischen Begegnungen habe er den Eindruck gehabt, als würden nicht Vertreter verschiedener Konfessionen einander gegenübersitzen, sondern Brüder und Schwestern der einen Kirche Jesu Christi, "die sich mit familiären Problemen und Auffassungsunterschieden herumschlagen". Wörtlich sagte Marte: "'Pro Oriente' ist zu einer Marke geworden, viel Sympathie begegnet uns, wo immer wir hinkommen, auch in Rom, wo man große Erwartungen in uns setzt. Nicht selten scheint es mir, als würden wir als eine Art Unterpfand für die angestrebte 'vollkommenere Gemeinschaft' angesehen, verbunden mit dem Wunsch nach häufigeren Begegnungen".
Obwohl in den letzten 17 Jahren in den Beziehungen zu den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen viel Positives bewirkt wurde, sei er manchmal "traurig und verzagt" gewesen, bekannte der scheidende "Pro Oriente"-Präsident. Der "ökumenische Enthusiasmus" aus der Zeit von Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI. sei Geschichte, viele offizielle und inoffizielle Dialogergebnisse seien vergessen, es scheine immer noch schwer, sich gegenseitig als Geschenk anzuerkennen und anzunehmen, die Sünde der Uneinigkeit hindere die Christen nach wie vor daran, die weltverändernde Kraft der Botschaft Christi "glaubhafter und nachhaltiger" zu verkünden.
Vor dem Festakt hatte der Abt von Geras, Michael Prohazka, bei der von Kardinal Schönborn geleiteten Vesper in der Michaelerkirche an Hand der im Johannes-Evangelium überlieferten Abschiedsreden Jesu ("alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt") einen spirituellen Zugang zum Ökumenismus erschlossen. Man müsse sich die Frage stellen, ob nicht bisweilen zu viel über Einheit und theologische Probleme debattiert wird, statt in die Bewegung des Gebets Jesu einzutauchen, sagte der Abt. Die Einheit drohe zu zerbrechen, wenn sie mit Gleichmacherei verwechselt wird, das habe sich in der Geschichte der Kirche als große Gefahr erwiesen. Zugleich müsse man sehen, dass das Glas nicht halb leer, sondern halb voll ist, wenn man bedenke, was heute schon an Einheit möglich ist, während vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der katholischen Kirche jede Gebetsgemeinschaft mit anderen Christen untersagt war. "Pro Oriente" sei unter der Führung von Johann Marte einen guten Weg gegangen und befinde sich heute auf einem "richtigen Weg in die Zukunft".
An der Vesper nahmen mit vielen Ökumene-Interessierten und mit Geistlichen aus den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchengemeinden Wiens u.a. auch der Apostolische Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, Msgr. Gabriel Quicke als Abgesandter des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Kurt Koch, der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) und der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner teil.
George Panamthundil, Gabriel Quicke, Johann Marte, Kardinal Christoph Schönborn, Peter S. Zurbriggen, Alfons M. Kloss, Regina Augustin