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22.06.2025 · Kardinal · Gedanken zum Evangelium

Wer bin ich für dich?

„Wer bin ich für dich?“ Diese ganz persönliche Frage erfordert eine ganz persönliche Antwort. Es gibt darauf so viele Antworten, wie es Menschen gibt.

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 22. Juni 2025

Es macht einen großen Unterschied, wann und wie jemand mir diese Frage stellt. „Was sagen die Leute über mich?“ In einem lockeren Gespräch wird leicht einmal über den Tratsch geredet, wie man so allgemein von den Anderen eingeschätzt und wahrgenommen wird. „Die einen sehen dich so, die anderen ganz anders“ – so könnte dieses Gespräch verlaufen. Man bleibt im Bereich der Meinungen, meist ohne genaue Kenntnis, oberflächlich, mehr oder weniger wohlwollend oder boshaft. Die Situation ändert sich grundlegend, wenn es ganz persönlich wird: „Und du, wer bin ich für dich?“ Da geht es nicht mehr um das, was „man“ so denkt und sagt. Hier geht es um die ganz persönliche Beziehung: „Wer bin ich für dich?“ Jedes Wort ist jetzt verbindlich, ernsthaft, ohne Ausweichen, Ich und Du! Beide spüren, dass es um Gültiges geht.

 

Als eine solche Situation lese ich das heutige Evangelium. Vorweg ein Wort der Klärung: Die Szene, um die es geht, wird von drei der vier Evangelisten berichtet, dreimal leicht verschieden, aber im Wesentlichen mit gleichem Inhalt. Am ausführlichsten ist die Fassung im Matthäusevangelium. Sie wird am nächsten Sonntag gelesen, da der 29. Juni das Fest der Apostel Petrus und Paulus ist. Petrus steht bei Matthäus deutlicher im Mittelpunkt. Der Evangelist Markus ist weniger ausführlich, dafür kantiger in seiner Art, Petrus darzustellen. Heute ist der Bericht des Lukas Thema. Die feinen Unterschiede zwischen den drei Evangelien zeigen etwas, das uns aus der menschlichen Erfahrung vertraut ist: Wir erleben dieselben Ereignisse unterschiedlich, und ebenso ist es mit der Art, wie wir darüber berichten. Entscheidend ist freilich, dass zwischen den unterschiedlichen Berichten im Wesentlichen Übereinstimmung herrscht. Das ist im Falle des Petrus sehr deutlich.

 

Jesus stellt zuerst die allgemeine Frage: „Für wen halten mich die Leute?“ Die Antworten sind ebenso unbestimmt wie die meisten Meinungen, die wir Menschen über andere haben. Sie enthalten ja oft ein Körnchen, aber nicht die ganze Wahrheit. Die Leute sehen in Jesus einen der alten Propheten, der irgendwie wiedergekommen ist. Persönlich wird Jesus mit seiner zweiten Frage: „Wer aber sagt ihr, dass ich bin?“ (so die wörtliche Übersetzung). Petrus antwortet schnell und ganz entschieden: „Der Christus Gottes!“ Klarer könnte er nicht sein. Mit einem Wort hat er alles gesagt: Du bist der Messias, der Christus, den alle erwarten, der von den Propheten Verheißene, der den Frieden auf Erden bringen wird. Damit sagt Petrus zugleich, wer Jesus für ihn persönlich ist: Du bist für mich der Christus! Du bist der Inbegriff aller meiner Hoffnungen. Mit einem Wort sagt Petrus alles, was seinem Leben Sinn gibt. Es ist eine Art Liebeserklärung, ein völliges Ja zu Jesus.

 

Völlig überraschend und verwirrend daher ist die Reaktion Jesu: „Er verbot ihnen streng, das irgendjemandem zu sagen.“ Sollte die gute Nachricht nicht möglichst schnell alle Menschen erreichen? Mit dem Wort Messias, Christus, verbanden sich hohe politische Hoffnungen auf Befreiung, Frieden, Wohlergehen. Bis heute sind diese Träume nicht ausgeträumt. Immer noch versprechen falsche Propheten ein Paradies auf Erden. Der Haken daran ist, dass Christus dem Petrus und allen Menschen einen anderen Weg vorgezeigt hat: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Erst wenn klar ist, dass mit dem Namen Christus untrennbar mein tägliches Kreuz verbunden ist, besteht keine Gefahr mehr, Jesus misszuverstehen. „Wer bin ich für dich?“ Diese ganz persönliche Frage erfordert eine ganz persönliche Antwort. Es gibt darauf so viele Antworten, wie es Menschen gibt.

 

 

erstellt von: Kardinal Christoph Schönborn
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Evangelium vom 22.6.25

 

Lukas 9,18-24

 

In jener Zeit betete Jesus für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elíja; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Christus Gottes. Doch er befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen. Und er sagte: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden. Zu allen sagte er: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.

Nachrichten
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Pallottinerorden: Profanierung der Wiener Pallottikirche erst 2026

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