"Die Menschen wollen eine lebendige, gerechte und demokratische Ukraine. Wo ein so starker Wille da ist, da ist auch Hoffnung", so der Kardinal.
"Die Menschen wollen eine lebendige, gerechte und demokratische Ukraine. Wo ein so starker Wille da ist, da ist auch Hoffnung", so der Kardinal.
Sondergesandter des Papstes sieht Hoffnung für Ukraine. Landesweite Feier zu 25. Jahrestag der Wiedererrichtung der griechisch-katholischen Kirche. Kardinal und Premier Jazenjuk warnten gemeinsam vor Vereinnahmung von Religion für politische Zweck.
Kardinal Christoph Schönborn sieht Hoffnung für eine freie, demokratische und unabhängige Ukraine, freilich braucht das ukrainische Volk dafür mehr Solidarität vom Westen. Das ist die Bilanz des Wiener Erzbischofs, der am Mittwoch, 10. Dezember 2014, Kiew besuchte, als päpstlicher Sondergesandter an der Feier zum 25-jährigen Jubiläum der Wiedererrichtung der griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine teilnahm und darüber hinaus noch weitere kirchliche und politische Gespräche führte. "Die Menschen wollen eine lebendige, gerechte und demokratische Ukraine. Wo ein so starker Wille da ist, da ist auch Hoffnung", so der Kardinal.
Von der EU und dem Westen ganz allgemein sei der Ukraine viel versprochen worden. Er habe aber Sorge, so Schönborn am Rande des Besuchs, dass sich ein negatives Muster wiederhole: Vom Westen werde Unterstützung zugesagt, im Ernstfall würden die Zusagen aber nicht eingehalten und Erwartungen bitter enttäuscht.
Besonders beeindruckt habe ihn die Begegnung mit dem "Ukrainischen Rat aller Kirchen und religiösen Organisationen", sagte der Kardinal. In dem Rat sind alle in der Ukraine anerkannten christlichen Kirchen sowie die jüdische Gemeinschaft und die islamische Gemeinschaft zusammengeschlossen. Ein demokratischer Staat könne nur funktionieren, wenn es keinen Alleinvertretungsansprüche von Religionen bzw. Kirchen gibt, betonte Schönborn.
In der Ukraine würden die Kirchen und Religionen in gegenseitigem Respekt und Toleranz seit Jahren gut zusammenarbeiten. Das sei ein starkes Zeichen.
Diese Praxis stelle aber auch ein alternatives Modell zur Entwicklung in Russland dar. Dort stelle die Russisch-Orthodoxe Kirche "in besorgniserregender Weise" den Anspruch, die einzige Kirche Russlands zu sein. Dabei sei auch Russland von Religionspluralismus gekennzeichnet und könnte diesen Pluralismus als Chance für eine offene Gesellschaft nützen.
Am Mittwochabend bei der kirchlichen Feier zum 25-jährigen Jubiläum der Wiedererrichtung der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche würdigte Schönborn deren "heroische Geschichte". Die Verbundenheit mit dem Papst habe unter Klerus und Gläubigen viele Opfer gefordert. Der Glaube habe aber seine Kraft bewiesen.
Zur aktuellen Krise in der Ukraine appellierte der Kardinal an die Gläubigen: "Ihr müsst euer Land verteidigen. Das ist euer Recht und eure Pflicht. Aber ohne Hass." Nur so sei der Hass der anderen Seite überwindbar.
Die Kirche müsse den Menschen dienen. Alle Kirchen und Religionen gemeinsam müssten sich für das Wohl des Volkes einsetzen, so Schönborn.
Die Feier fand in der neu errichteten griechisch-katholischen Kathedrale zur Auferstehung in Kiew statt. Sie war Anfang des Jahres in ein Matratzenlager mit Nahrungsmittelausgabe und medizinischer Versorgung für die Teilnehmer der Protestkundgebungen auf dem Maidan umfunktioniert worden.
Vor der Jubiläumsfeier hatte Kardinal Schönborn am Maidan-Platz der Opfer der Protestbewegung Anfang des Jahres gedacht. Schönborn entzündete vor einer der zahlreichen kleinen Gedenkstätten rund um den Platz eine Kerze und sprach zusammen mit dem Großerzbischof der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche, Swjatoslaw Schewtschuk, ein Gebet. Rund 100 Personen waren von Scharfschützen und den Sicherheitsdiensten der kurz darauf gestürzten Regierung von Viktor Janukowitsch ermordet worden.
Auch beim Nationaldenkmal für die Holodomor-Opfer entzündete der Wiener Erzbischof eine Kerze. "Holodomor" (wörtlich "Tod durch Hunger") ist jene von Stalin in den 1930er-Jahren absichtlich ausgelöste Hungerkatastrophe, bei der Millionen Ukrainer starben. In der Gedenkstätte wird zusätzlich auch an die Opfer der Hungersnöte in den 1920er und 1940er-Jahren erinnert.
Beim Besuch einer Caritas-Einrichtung für Flüchtlinge sprach der Kardinal den Menschen Mut zu. Familien aus der von Russland annektierten Krim und aus den von Separatisten besetzten Gebieten von Donezk und Lugansk waren zur Begegnung mit dem Kardinal gekommen; alle sprachen russisch.
Das zeige, so Schönborn, dass der Konflikt in der Ukraine kein Konflikt in zwischen dem ukrainischsprachigen und russischsprachigen Teil der Bevölkerung sei. Vielmehr sei es einer "zwischen jenen, die für eine frei und eigenständige Ukraine stehen und jenen, die das nicht wollen".
Am Mittwochnachmittag war weiters auch eine Begegnung mit dem ukrainischen Premierminister Arsenij Jazenjuk auf dem Programm gestanden. Schönborn und Jazenjuk warnten gemeinsam davor, Religion für politische Zwecke zu vereinnahmen. Der Premierminister dankte der katholischen Kirche für ihre Unterstützung des Landes in der gegenwärtigen Krise.
Lobende Worte fand Schönborn für die griechisch-katholische Kirche der Ukraine. Diese befinde sich derzeit in einer Blütephase. Weit über ihre zahlenmäßige Größe hinaus sei sie ein stark belebender Faktor im gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und politischen Leben der Ukraine.
Die mit Rom verbundene Ukrainische griechisch-katholische Kirche war 1946 unter Stalin verboten und in die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats zwangsintegriert worden. Sie lebte aber im Untergrund und in der Diaspora weiter. Zahlreiche Bischöfe, Priester und Gläubige wurden von den Kommunisten inhaftiert. Viele davon fanden auch den Tod. 1989 wurde die Kirche wieder zugelassen. Mehr als 5 Millionen und damit etwas über zehn Prozent der 45 Millionen Einwohner der Ukraine gehören der Griechisch-katholischen Kirche an.
Etwa gleich stark sind die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats und die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats. Dazu kommt die kleine Autokephale ukrainisch-orthodoxe Kirche. Zur römisch-katholischen Kirche bekennen sich rund eine Million Menschen in der Ukraine. Daneben gibt es auch noch einige kleine protestantische Kirchen.
Kardinal Christoph SchönbornSeine Texte, Predigten und Vorträge. |