Kardinal Karl Lehmann verstarb am Sonntag, 11. März 2018.
Kardinal Karl Lehmann verstarb am Sonntag, 11. März 2018.
Amtsnachfolger in der Diözese Mainz, Kohlgraf: Kardinal hatte darauf gedrungen, dass Theologie und Glauben mit den anderen Wissenschaften und der Welt im Gespräch bleiben müssen.
Kardinal Karl Lehmann hat in seinem beim Requiem in Mainz am Mittwoch, 21. März 2018 auszugsweise verlesenen Geistlichen Testament bekannt, dass Christen und Kirche in Deutschland sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht genug auf das Zentrum des christlichen Glaubens fokussiert haben. "Wir haben uns alle, gerade in der Zeit nach 1945, tief in die Welt und das Diesseits vergraben und verkrallt, auch in der Kirche", zitierte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf beim Requiem aus dem von Lehmann hinterlassenen Vermächtnis. "Dies gilt auch für mich", hatte Lehmann darin unterstrichen, und er bitte Gott und die Menschen um Vergebung.
Kohlgraf zeigte sich in seiner Predigt auch beeindruckt von der Reaktion vieler Menschen auf den Tod von Lehmann. Wie nur wenige andere habe der Kardinal die wissenschaftliche Theologie, den priesterlichen und bischöflichen Dienst sowie die Zuwendung zu den Menschen in der Seelsorge verbunden. Das hätten die Menschen intensiv gespürt.
Auch Heimatverbundenheit sei für den Kardinal kein Lippenbekenntnis gewesen, fügte Kohlgraf hinzu. "Die Mutter war Buchhändlerin, der Vater Lehrer, die Liebe zum Buch und zum Nachdenken sind ihm offenbar in die Wiege gelegt worden."
Lehmann habe darauf gedrungen, dass Theologie und Glauben mit den anderen Wissenschaften und der Welt im Gespräch bleiben müssten, damit sie nicht sektiererisch würden, betonte sein Nachfolger als Mainzer Bischof. "Ein eigenes festes Glaubensfundament braucht die Offenheit, die geistige Weite", charakterisierte Kohlgraf die Haltung Lehmanns. Für diese Haltung habe der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) auch Kritik und Gegenwind einstecken müssen, etwa in der Frage der Schwangerenkonfliktberatung und der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie. "Er hat sich dem päpstlichen Lehramt gefügt und persönliche Niederlagen eingesteckt, ohne zu verbittern", sagte Kohlgraf.
Zugleich bekannte der Kardinal in seinem Geistlichen Testament, er habe in seinem Leben immer mehr unter dem Bewusstsein gelitten, wie abgrundtief zwiespältig das irdische Leben und die menschliche Macht sein könnten. "Unsere Erde und weithin unser Leben sind in vielem wunderbar, schön und faszinierend, aber sie sind auch abgrundtief zwiespältig, zerstörerisch und schrecklich", schrieb der Kardinal: "Das brutale Denken und rücksichtsloses Machtstreben gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksformen des Unglaubens und der Sünde."
Tausende Menschen hatten vor dem Requiem den Trauerzug von Kardinal Lehmann begleitet. Mehr als 350 Mitwirkende, darunter sieben Kardinäle sowie 200 Bischöfe und Priester gaben dem verstorbenen Mainzer Bischof das letzte Geleit von der Augustinerkirche zu seiner Grablege im Dom. Zum Gedenken an Lehmann läuteten zu Mittag alle Kirchenglocken der Diözese Mainz 15 Minuten lang, während des Trauerzugs läutete die größte Glocke des Mainzer Doms, die Martinus-Glocke. Am Requiem nahm auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teil.
Der frühere Mainzer Bischof und langjährige Bischofskonferenz-Vorsitzende war am 11. März mit 81 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls in seinem Bischofshaus gestorben. Gläubige hatten sich in der Augustinerkirche eine Woche lang von dem dort aufgebahrten Kardinal verabschieden können. Etwa 1.000 Besucher kamen jeden Tag.
Im Geistlichen Testament hat Lehmann auch Rückschau auf über 20 Jahre Vorsitzfunktion in der Bischofskonferenz gehalten. "Es ging mir immer um die Einheit im Glauben in der Vielfalt unseres Lebens, ohne Scheuklappen und Uniformismus." Theologie und Kirche "haben mein Leben in Atem gehalten, ich würde wieder so wählen". Er danke "Gott für alle Gaben, besonders die Menschen, die er mir geschenkt hat, besonders auch meine Eltern, Lehrer und meine Heimat".
Lehmann schloss sein 2009 verfasstes Geistliches Testament mit den Worten: "Wählt einen guten Nachfolger! Betet für ihn und für mich! Auf Wiedersehen!" Tatsächlich konnte Lehmann seinen Nachfolger Peter Kohlgraf am 27. August 2017 noch selbst zum Mainzer Bischof weihen. Es sollte Lehmanns letzter öffentlicher Auftritt sein.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte am zum Abschluss des Requiems: "Mit Karl Lehmann verlässt uns ein katholischer Weltbürger, auskunftsfähig zu allen Themen der Zeit." Lehmann habe den deutschen Katholizismus stark geprägt und sei weltweit als Wissenschaftler, Priester und Bischof anerkannt gewesen, fügte der Münchner Erzbischof hinzu. "Wir alle hier im Dom schätzen uns dankbar dafür, Karl Lehmann gekannt zu haben oder ihm begegnet zu sein." Lehmann sei ein großer Menschenfreund gewesen. Er habe den Glauben nicht als Festung und Zitadelle verstanden, sondern als Beziehung zwischen Menschen und Gott.
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, verlas während des Gottesdienstes das Beileidstelegramm von Papst Franziskus. Es sei das Anliegen Lehmanns gewesen, "offen zu sein für die Fragen und Herausforderungen der Zeit und von der Botschaft Christi her Antwort und Orientierung zu geben". Er habe über die Grenzen von Konfessionen, Überzeugungen und Ländern hinweg das Verbindende gesucht.
Als verlässlichen Ansprechpartner, Freund und ökumenischen Mitstreiter bezeichnete der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, den verstorbenen Kardinal. Lehmann sei nicht nur ein großer Theologe und ein wacher Zeitgenosse gewesen, sondern habe "mit seinem weiten Herzen auch unsere Seele berührt. Sein Herz war einfach zu weit, um in irgendwelche konfessionelle Korsette zu passen."
Bedford-Strohm erinnerte daran, dass der Kardinal als erster Katholik die Luthermedaille des Rats der EKD erhalten habe. "Ich danke Gott für all den Segen, der aus seinem Leben für so viele andere erwachsen ist", sagte der Landesbischof. "Ich selbst zähle mich auch zu diesen Menschen, und viele in unserer Evangelischen Kirche mit mir."