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21.03.2004

Der verlorene Sohn

Wir alle sollen verstehen, dass er Gottes größte Freude ist, wenn wir, seine Kinder, zu ihm heimfinden.

Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn

zum 4. Fastensonntag, 21. März 2004,

(Lk 15,1-3.11-31)

Wenige Evangelien sind so sehr Evangelium, Frohe Botschaft, wie dieses. Wen berührt es nicht, diesen Vater zu sehen, der seinen verlorenen Sohn sehnsüchtig erwartet, der ihn schon von weitem sieht, als er schließlich heimkehrt? Kein Wort des Vorwurfs, kein "warum hast du das getan?". Nur einfach Freude über den Sohn, der ihm so viel Sorgen bereitet hat und der jetzt wieder zurückgekommen ist.

 

Künstler haben diesen Augenblick der Heimkehr festgehalten. Ergreifende Barmherzigkeit des Vaters, der seine Arme bergend um die Schultern des Sohnes legt. Wie wohltuend ist es, das Jesus einen solchen Gott verkündet. Nicht einen verdammenden, strafenden Richter, sondern den verzeihenden, barmherzigen Vater. Zu Recht empfinden viele Menschen, dass Jesus in diesem Gleichnis das ausgedrückt hat, was wirklich seine Botschaft ist.

 

Sieht man aber genauer hin, dann zeigt sich, dass Jesu Herzensanliegen gar nicht so leicht angenommen wurde, ja zum Teil auf heftigen Widerstand stieß. Beide Söhne in diesem Gleichnis tun sich im Grunde schwer, die Güte und Liebe des Vaters zu begreifen und anzunehmen. In diesen beiden Söhnen hat Jesus gezeigt, wie wir Menschen uns Gott gegenüber verhalten.

 

Der jüngere fordert sein Erbteil, obwohl das zu Lebzeiten des Vaters damals verboten war. Der Vater gibt es ihm, zum Schaden des eigenen Betriebs. Jesus sagt damit: Gott lässt uns die Freiheit. Wir können sie auch gegen Gott und das Gute gebrauchen. Bald ist das Erbteil verjubelt. Der Jüngere gerät in selbstverschuldete Not. Als Schweinehirt (für Juden eine besondere Schande) fristet er sein Dasein.

 

Da erinnert er sich an zu Hause. Der Hunger treibt ihn heim. Er überlegt: selbst die einfachsten Arbeiter im Betrieb des Vaters haben es besser. Er legt sich eine Rede zurecht, was er dem Vater sagen wird. Ist es wirkliche Reue oder nur Berechnung, wo es ihm besser geht? Vielleicht beides, wie so oft bei uns, wenn wir in der Not bereuen, was wir vertan haben. Kurz: der jüngere Bruder ist keine prächtige Figur.

 

Umso besser ist die Wut des Älteren zu verstehen. Da bringt der Jüngere sein Erbteil durch, während er treu daheim geblieben ist, immer fleißig im Betrieb des Vaters. Aber kaum kommt der Bruder nach Hause, schon ist alles verziehen, vergessen und vergeben. Der Vater ist überglücklich und nimmt ihn wieder als Sohn auf. Das heißt doch im Klartext: auch als Erben. Wenn Sohn, dann auch Erbteil. Der Ältere wird also mit dem Hallodri von Jüngerem seinen eigenen Anteil am Erbe einmal teilen müssen. Und darüber soll er sich auch noch freuen!

 

Ist der barmherzige Gott, von dem Jesus spricht, nicht doch ungerecht in seiner Güte? Der Jüngere kann es anfangs gar nicht glauben, dass der Vater ihn nochmals aufnimmt. Zu sehr verachtet er sich selber wegen seines gescheiterten Lebens. Der Ältere kann nicht annehmen, dass dem Vater die Heimkehr des verlorenen Sohnes wichtiger ist als alle Erbteile: "Er war tot und lebt wieder." Beide müssen erst begreifen lernen, dass Gott ihr Glück und ihr Leben will. Wir alle sollen verstehen, dass er Gottes größte Freude ist, wenn wir, seine Kinder, zu ihm heimfinden. Von je ferner wir nach Hause zurückkommen, desto größer ist seine Freude.

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Evangelium für den 4. Fastensonntag 21.3.2004, (Lk 15,1-3.11-32)

In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.

 

Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land.

 

Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land, und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.

 

Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner.

 

Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.

 

Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.

 

Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.

 

Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.

 

Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.

 

Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.

 

 

 


 

Weiterführende Informationen:

 

  • Mehr Informationen über Kardinal Schönborn.
  • Mehr Texte über die Heilige Schrift.

 

 

Fragen an Kardinal Schönborn?

 

  • per Video auf www.fragdenkardinal.at
  • an sein Sekretariat.

 

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