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25.12.2005

Unbegreiflich nahe

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, ...

Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn

für den Christtag, 25. Dezember 2005,

(Joh 1,1-18)

Feierlich wie die ersten Worte der Bibel klingen heute die ersten Worte des Johannesevangeliums: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, so beginnt die Bibel. „Im Anfang war das Wort“, so beginnt Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, sein Evangelium. Beide sprechen vom Anfang. Vom Anfang der Welt spricht das Buch Genesis, das erste der Bibel. Vom Urbeginn, vor allem Anfang der Welt, spricht Johannes. Mit ihm dürfen wir ahnend und glaubend in das Urgeheimnis Gottes blicken. Wir können es nicht begreifen. „Niemand hat Gott je gesehen“, sagt Johannes und wehrt so jeden Versuch ab, das Geheimnis Gottes verstehen zu wollen. Aber Johannes hat den gekannt und geliebt, der „Kunde gebracht hat“, der als Einziger Gott wirklich „begriffen“ hat, der deshalb auch als Einziger wahrhaft von Ihm sprechen kann.

 

Johannes war, mit seinem Bruder Jakobus und ihrem Vater Zebedäus, Fischer am See Genesareth gewesen. Dort hatte Jesus, der Mann aus Nazareth, sie eines Tages angesprochen. Sie sind mit ihm gegangen, haben ihn kennen gelernt. Je näher sie ihm kamen, desto rätselhafter wurde er für sie. Wer war er? So einfach und doch so geheimnisvoll. So menschlich und doch ganz anders als die Menschen und als sie selber. Wann haben sie begonnen, sein Geheimnis zu ahnen? Ich glaube, schon sehr früh, vielleicht noch undeutlich, wie im Gegenlicht. Spätestens nach seinem schrecklichen Tod, nach seiner Auferstehung, als er ihnen erschien, erkannte Johannes in aller Klarheit, was er dann in den Worten des heutigen Evangeliums festhielt.

 

Sein Meister kam nicht nur aus Nazareth. Er kam von Gott, ja, er war von Anfang an bei Gott, mehr noch, er war Gott. Diese Einsicht musste für Johannes und seine Freunde umwerfend gewesen sein. Jesus, sein geliebter Lehrer, war nicht nur ein wunderbarer Mensch, er war „das Wort“, das ewig bei Gott ist, das selber Gott ist. Johannes nennt ihn „den einzigen Sohn vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“.

 

Unsere jüdischen und muslimischen Freunde (oder Gegner) sagen: Gott kann doch keinen Sohn haben. Er ist ja nicht ein Mensch. Gewiss, Er ist nicht ein Mensch, Er hat auch keinen Sohn, wie Menschen Söhne und Töchter haben. Aber Er ist nicht alleine, einsam und nur für sich. „Im Anfang war das Wort … bei Gott. Er ist nie ohne Wort und ohne Geist. Er ist Gemeinschaft und doch der Eine.

 

Zu begreifen ist das nicht. Es wäre auch für immer unbegreiflich und verborgen geblieben, wäre nicht das geschehen, was heute gefeiert wird. Johannes spricht davon in vertraut gewordenen Worten: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

 

Gott wurde Mensch. Gottes Sohn wurde ein Menschenkind, geboren von Maria, Jesus mit Namen. „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Dieses rätselhafte Wort will auf fast anstößige Weise klarmachen, dass Gottes Sohn wirklich in unser Fleisch und Blut gekommen ist, ganz Mensch unter uns Menschen.

 

Der Zimmermann aus Nazareth, dem Johannes nachgefolgt war, hatte sein Menschsein nicht vorgetäuscht. Aber Jesus, der Meister und Freund, trug in seiner Menschlichkeit ein Geheimnis, das ihn so einzigartig machte. Bis heute ist es das Fundament des christlichen Glaubens. Das Weihnachtsfest ist wohl der ergreifendste Ausdruck davon: Das „Christkind“ ist Gottes ewiges Wort, sein Sohn. Es stimmt: Gott ist unbegreiflich. Ja, Er ist uns unbegreiflich nahe.

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Evangelium zum Hochfest der Geburt des Herrn, 25.12.2005 (Joh 1,1-18)

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

 

Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

 

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

 

Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

 

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

 

Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.

 

Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

 

 


 

Weiterführende Informationen:

 

  • Mehr Informationen über Kardinal Schönborn.
  • Mehr Texte über die Heilige Schrift.

 

 

Fragen an Kardinal Schönborn?

 

  • per Video auf www.fragdenkardinal.at
  • an sein Sekretariat.

 

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