Beten ist ein Zeichen des Glaubens, des Gottvertrauens. Es ist höchste Zeit dafür.
Beten ist ein Zeichen des Glaubens, des Gottvertrauens. Es ist höchste Zeit dafür.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 29. Sonntag im Jahreskreis,
17. Oktober 2010 (Lk 18,1-8)
Es geht um das Gebet. Hilft es? Bringt es etwas? Ist es eine fromme Selbsttäuschung? Um uns zu überzeugen, dass Beten sinnvoll ist, greift Jesus zu starken Mitteln, zu schockierenden Vergleichen. Ja, Beten ist möglich. Es ist dringend nötig.
„In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm“. Keine schöne Aussicht für die Justiz in dieser Stadt! Wehe dem Land, das eine bestechliche Justiz hat! In wie vielen Ländern der Welt ist das so! Es ist erschütternd zu erfahren, gar zu erleben, was es heißt, wenn die Justiz nur nach der Größe der Geldbörse funktioniert. Wenn ein Akt nur weitergeht ,wenn entsprechend „geschmiert“ wird. Wenn jemand bei einem Prozess nur eine Chance hat, wenn er oder seine Freunde entsprechend zahlen können. Ich danke Gott, dass ich in einem Rechtstaat leben darf, auch wenn bei uns in Österreich vieles zu verbessern bleibt (ich denke hier besonders an den Schutz der Ungeborenen).
Die Witwe gehört zu den Schutzlosen. Die Bibel empfiehlt so oft, auf Witwen und Waisen zu achten, weil sie damals besonders hilfsbedürftig waren. Diese Witwe weiß sich zu helfen. Auf ihre Art. Sie hat kein Geld, um den Richter zu bestechen. Keine mächtigen Beschützer, um auf ihn Druck auszuüben. Sie kann nur lästig sein. Und das ist sie so gründlich, dass es dem Richter schließlich zu ärgerlich wird. Sie könnte ja noch handgreiflich werden. Und so bekommt sie schließlich ihr Recht.
Die Logik der Geschichte ist klar: wenn schon der böse Richter…, um wie viel mehr der gute Gott! Aber der eigentliche Vergleichspunkt ist nicht der Richter, sondern die Witwe. Sie hat gewonnen, weil sie nicht locker gelassen hat. Sie ist das Vorbild für das Gebet. So unermüdlich dranbleiben wie diese energische Frau: „Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen?“
Wir klagen, dass unser Gebet von Gott nicht gehört wird. Aber beten wir „allezeit, ohne nach zu lassen“? Mir sagt dieses Gleichnis vor allem eines: wir beten viel zu wenig! Wenn wir nicht regelmäßig beten, verlernen wir es - so wie Muskeln, die nicht gebraucht werden, allmählich verkümmern. Die Witwe bittet mit Erfolg, weil sie „immer wieder“ kommt, dem Richter keine Ruhe lässt.
Am Schluss stellt Jesus eine erschütternde Frage: wird er, wenn er (wieder-)kommt, „auf der Erde noch Glauben vorfinden“? Wird er in Österreich, bei uns, bei mir, noch Glauben finden? Beten ist ein Zeichen des Glaubens, des Gottvertrauens. Es ist höchste Zeit dafür.
In jener Zeit sagte Jesus ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!
Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt.
Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.
Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?