Es geht nicht um das Leiden im Allgemeinen, sondern schlicht darum: Was hast du, mein Gott, mir durch dieses Leid zu sagen? Was kann und muss ich daraus lernen?
Es geht nicht um das Leiden im Allgemeinen, sondern schlicht darum: Was hast du, mein Gott, mir durch dieses Leid zu sagen? Was kann und muss ich daraus lernen?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 3. Fastensonntag,
3. März 2013 (Lk 13,1-9)
Wie kann Gott das zulassen? Wenn Gott gut ist, warum dann so viel Leid? Diese Fragen bewegen seit Menschengedenken, auch zur Zeit Jesu. Da kommen Leute zu ihm und berichten ihm etwas Schreckliches, das sich in Jerusalem ereignet hat. Pilger aus Galiläa, der Heimat Jesu, wurden wohl verdächtigt, Terroristen zu sein, Aufständische, Widerständler gegen die römische Besatzung. Der Statthalter des Kaisers, Pontius Pilatus, ließ sie durch seine Soldaten mitten im Tempel einfach niedermetzeln, „so dass sich ihr Blut mit dem der Opfertiere vermischte“.
Diese schockierende Brutalität bewegte offensichtlich viele, auch wenn solche Grausamkeiten damals ebenso wenig selten waren wie heute in der Region. (Denken wir an die täglichen Schreckensnachrichten aus Syrien!) Wie kann Gott solches zulassen, so fragen wir heute. Damals war die Reaktion der Leute eine andere: Diese Galiläer haben sicher Schuld auf sich geladen, und deshalb hat Gott sie gestraft.
Ist das Leid Gottes Strafe? Oder ist Gott so ohnmächtig, dass er Leid nicht verhindern kann? Oder ist er so herzlos, dass er es nicht verhindern will? Die Antwort Jesu ist überraschend. Er geht gar nicht auf die Frage ein, ob diese ermordeten Galiläer besondere Sünder waren, ob Gott sie gestraft hat oder warum er das Leid nicht verhindert hat. Jesus wendet den Blick auf uns selber.
Diese Schreckensnachricht soll euch zum Nachdenken bringen. Sie soll mir zur Frage werden: Wie stehe ich selbst vor Gott? Wie wäre es mit mir, wenn ich plötzlich Opfer der Gewalt würde und vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen müsste?
Die Frage nach dem Leid der Anderen ist immer auch eine Frage an mich: Was will Gott mir durch diese Nachricht sagen? Und Jesus gibt eine klare Antwort: Du selbst musst umkehren, dich bekehren und dein Leben ändern.
Um das zu verdeutlichen, erzählt er von einer Katastrophe, die damals in aller Munde war: Der Einsturz des Turmes vom Teich Schilóach, der achtzehn Menschen das Leben gekostet hat. Wenn ihr solche Nachrichten hört, sagt Jesus im Wesentlichen, dann nehmt sie zum Anlass der eigenen Umkehr. Jeder soll sich selber sagen: Auch ich kann in jedem Augenblick Opfer einer Katastrophe, einer Gewalttat werden. Wie schaut es dann bei mir selber aus, in meinem Herzen, in meinem Leben?
Warum das Leid? Diese Frage ist nicht abstrakt, theoretisch zu beantworten, sondern durch das Leben selbst. Es geht nicht um das Leiden im Allgemeinen, sondern schlicht darum: Was hast du, mein Gott, mir durch dieses Leid zu sagen? Was kann und muss ich daraus lernen?
Jesus gibt selber die Antwort mit dem kleinen Gleichnis vom geduldigen Weingärtner. Der Baum, der da im Weingarten wächst, bringt schon drei Jahre lang keine Frucht. Weg mit ihm! Rentiert sich nicht, schadet nur! Der Winzer will es nochmals versuchen, dem Baum noch eine Chance geben, eine letzte. Genau das tut Gott: Ich bin einem Unglück entkommen – Gott gibt mir geduldig noch eine Chance, mein Leben zu ändern, heute noch!
Zu jener Zeit kamen einige Leute zu Jesus und berichteten ihm von den Galiläern, die Pilatus beim Opfern umbringen ließ, so dass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte.
Da sagte er zu ihnen: Meint ihr, dass nur diese Galiläer Sünder waren, weil das mit ihnen geschehen ist, alle anderen Galiläer aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden - meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt.
Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.