Kardinal Schönborn empfängt den armenischen Präsidenten Sargsyan
Kardinal Schönborn empfängt den armenischen Präsidenten Sargsyan
Das vom Jerusalemer Patriarchen an Franz Werfel übergebene armenische Kreuz als bewegender Höhepunkt der Begegnung – Im kommenden Jahr wird es im Stephansdom Gedenken an den 100. Jahrestag des Beginns der Armenier-Verfolgung im Osmanischen Reich geben
Bewegender Höhepunkt des Besuchs des armenischen Staatspräsidenten Serge Sargsyan bei Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Erzbischöflichen Palais war am Donnerstagmorgen der Augenblick, als der Wiener Erzbischof dem Staatsgast aus Armenien eine Reliquie aus dem Besitz von Franz Werfel, dem Autor des dramatischen Romans „Die 40 Tage des Musa Dagh“, zeigte.
Das Werk Werfels ist für die Armenier in aller Welt das große literarische Zeugnis über den Völkermord an den armenischen Bürgern in den letzten Jahres des Osmanischen Reiches. Der damalige armenisch-apostolische Patriarch von Jerusalem, Yegishe Tourian, war 1929 so angetan von den Nachforschungen des großen österreichisch-jüdischen Schriftstellers über die Armenierverfolgung , dass er ihm ein armenisches Kreuz (mit einer Kreuzreliquie) schenkte.
Kardinal Schönborn erinnerte daran, dass Werfel dieses Kreuz auch während seiner Flucht vor den NS-Schergen immer bei sich trug. Das Kreuz gelangte schließlich in den Besitz von Erich Rietenauer, der als Kind im Haus der Mutter von Alma Mahler-Werfel oft zu Gast war. Vor wenigen Jahren übergab Rietenauer das Kreuz an den Wiener Erzbischof.
Kardinal Schönborn kündigte im Gespräch mit dem armenischen Präsidenten an, dass das Kreuz im Wiener Stephansdom einen ehrenvollen Platz finden soll, damit „die Tragödie des armenischen Volkes am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht vergessen wird“.
Am 24. April 2015 – dem 100. Jahrestag der Verhaftung hunderter armenischer Parlamentarier, Wissenschaftler, Industrieller, Künstler, Journalisten usw. – wird Kardinal Schönborn gemeinsam mit dem in Wien residierenden armenisch-apostolischen Patriarchalvikar für Mitteleuropa, Tiran Petrosyan, im Stephansdom einen Gedenkgottesdienst halten. Mit der Verhaftungswelle am 24. April 1915 in Konstantinopel hatte das jungtürkische „Komitee für Einheit und Fortschritt“ (das damals die osmanische Regierung stellte) mit der planmäßigen Verfolgung der Armenier begonnen.
Präsident Sargsyan (der aus Stepanakert, der Hauptstadt von Artsach/Berg Karabach) stammt) berichtete, dass er schon als Kind den Werfel-Roman gelesen hatte. Die sowjetaserbaidschanischen Behörden, die damals in Stepanakert das Sagen hatten, seien bemüht gewesen, die nachwachsenden Generatíonen junger Armenier von den Informationen über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich abzuschneiden. Der armenische Staatspräsident äußerte sich zurückhaltend im Hinblick auf die offizielle türkische Haltung zum 100-Jahr-Gedenken im Jahr 2015. Auf keinen Fall dürfe man „Opfer und Täter auf die selbe Ebene stellen“.
Kardinal Schönborn erinnerte bei der Begegnung mit Präsident Sargsyan an die lang zurückreichende Tradition der armenisch-apostolischen Gemeinde in Wien, aber auch an seine eigenen Begegnungen mit den armenischen Gemeinden bei seinem Iran-Besuch im Jahr 2011. Er hoffe sehr, der Einladung des armenisch-apostolischen Katholikos nach Etschmiadzin in absehbarer Zeit nachkommen zu können. Der Wiener Erzbischof äußerte seine Sorge über die Situation der Armenier in Syrien, die vom Bürgerkrieg schwer betroffen seien. Generell sei festzustellen, dass die Präsenz der Christen im Nahen Osten von größter Bedeutung für die dortige gesellschaftliche Entwicklung sei. Es sei überaus bedauerlich, dass die Christen im Nahen Osten so oft allein gelassen würden.
Patriarchalvikar P. Petrosyan, der bei der Frühstückseinladung des Kardinals für den armenischen Präsidenten und dessen Delegation anwesend war, betonte die geschwisterlichen Beziehungen zwischen römisch-katholischer und armenisch-apostolischer Kirche in Österreich. Es gebe gute Zusammenarbeit auf den verschiedensten Gebieten. Sowohl Präsident Sargsyan als auch Katholikos-Patriarch Karekin II. seien sich bewusst, wie „wohlwollend“ sich Österreich gegenüber der armenischen Kirche verhalte. Heute gehe es darum, gemeinsam zum Schutz der Menschen „die Stimme für die christlichen Werte zu erheben“.
Nach der Begegnung mit Kardinal Schönborn nahm Präsident Sargsyan mit Bundespräsident Heinz Fischer am österreichisch-armenischen Wirtschaftsforum teil. Im Anschluss absolvierte der armenische Präsident am Donnerstag im Rahmen seines Österreich-Besuchs noch weitere kirchliche Programmpunkte. Am Denkmal für Franz Werfel legte der Präsident einen Kranz nieder; Werfel hatte 1929 mit seiner Frau Alma Mahler-Werfel das Heilige Land, Syrien und den Libanon besucht. In Damaskus wurde er mit armenischen Waisenkindern konfrontiert und damit auf die Spur des Völkermords an den armenischen Bürgern in den letzten Jahren des Osmanischen Reiches gestoßen. Werfel beschloss, diese blutige Tragödie des 20. Jahrhunderts literarisch darzustellen und begann an Ort und Stelle mit den Recherchen.
Nach der Kranzniederlegung besuchte der armenische Präsident das Mechitharisten-Kloster. Die Mechitharisten sind armenische Benediktiner; die beiden großen Klöster dieses wichtigsten Ordens der armenisch-katholischen Kirche in Wien und Venedig sind überaus wichtige kulturelle Zentren des armenischen Volkes, deren Bibliotheken, Archive und Museen eindrucksvolle Zeugnisse armenischer christlicher Kultur umfassen. Anschließend war der Präsident in der armenisch-apostolischen Kirche St. Hripsime im 3. Bezirk zu Gast, zu der auch ein Gemeindezentrum und die Hovhannes-Shiraz-Schule gehören.
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Pressesprecher
Prof. Erich LEITENBERGER
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