Nausner plädierte für eine Zukunft, "in der Juden und Christen verbunden sind im Lob Gottes". Im Psalm 117 lade Israel alle Nationen ein, Gott zu loben.
Nausner plädierte für eine Zukunft, "in der Juden und Christen verbunden sind im Lob Gottes". Im Psalm 117 lade Israel alle Nationen ein, Gott zu loben.
Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich zum "Tag des Judentums" - Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Nausner:"Mit jedem Vergessen sterben die Gefolterten und Verbrannten ein zweites Mal" - Würdigung des Konzilsdokuments "Nostra Aetate"
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der altkatholischen Heilandskirche in Wien am Samstagabend gedachten die christlichen Kirchen zum "Tag des Judentums" (17. Jänner) ihrer jüdischen Wurzeln und ihrer Verantwortung für den mitverschuldeten Antijudaismua und Antisemitismus. Zu dem Gottesdienst eingeladen hatte der Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Unter den Teilnehmern waren u.a. der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Superintendent Lothar Pöll, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, der Bischof der altkatholischen Kirche, John Okoro, und der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld. Die Predigt hielt der Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit und frühere methodistische Superintendent Helmut Nausner. Er forderte, dass die Aufarbeitung des auch kirchlich bedingten Antijudaismus weitergehen müsse.
Nausner plädierte für eine Zukunft, "in der Juden und Christen verbunden sind im Lob Gottes". Im Psalm 117 lade Israel alle Nationen ein, Gott zu loben, erinnerte Nausner. Darin spiegle sich die Einsicht, dass in jedem Menschen die Möglichkeit da ist, sich Gott zuzuwenden. Freilich habe die gelebte und verinnerlichte Judenfeindschaft die Christen lange Zeit gehindert, die Einladung zum Lob Gottes zu hören, anzunehmen und in das Lob einzustimmen. Aber in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hätten alle Kirchen der Judenfeindschaft abgesagt, den Antisemitismus klar als Sünde benannt und sich mit ihren eigenen Wurzeln im Judentum auseinandergesetzt.
Eine wichtige Rolle habe das Dokument Nostra Aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils gespielt, betonte Nausner und zitierte aus der jüngsten Erklärung des ÖRKÖ-Vorstands: Die christlichen Kirchen haben nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts in einem mühevollen Prozess gelernt, ihre jüdischen Wurzeln zu erkennen und hochzuschätzen. Trotz solcher Mühen sei es aber noch nicht gelungen, die klare Entscheidung der Kirchenleitungen überall an die Basis der Gemeinden und der Gesellschaft zu vermitteln und die bewusste Zustimmung zu dieser neuen Haltung zu gewinnen. Diese Aufgabe müsse mit Geduld, Beharrlichkeit und Demut weiter fortgesetzt werden.
Nausner schilderte in seiner Predigt, wie die Verachtung der Juden bis zum Judenhass im Lauf der Zeit bestimmende Haltung in allen Schichten der Gesellschaft wurde. In diesem Zusammenhang erinnerte er an die Wiener Provinzialsynode von 1267 mit ihren gegen die normalen menschlichen und nachbarlichen Beziehungen zwischen Juden und Christen gerichteten Bestimmungen und an die schreckliche Judenverfolgung der Wiener Gesera von 1420 mit ihren hunderten von Toten. Die überkommene Verachtung der Juden habe es dann den Nationaloszialisten mit ihrem Programm leicht gemacht. Nausner zitierte die Feststellung der jüdischen Philosophin Hannah Arendt nach der NS-Machtergreifung 1938, dass unter den Intellektuellen die ziemlich freiwillige Gleichschaltung die Regel war.
Nur konkrete Beispiele könnten etwas vom Schrecken und der gnadenlosen Unmenschlichkeit erahnen lassen, die in der Zeit der Naziherrschaft vor allem in den besetzten Gebieten in Osteuropa herrschte, unterstrich der emeritierte Superintendent. Nausner nannte einige neu aufgetauchte Fakten und verwies u.a. auf den für Litauen zuständigen SS-Standartenführer Karl Jäger (1888-1959), einen Musiker und Orgelbauer, der zwischen Ende Juni und Ende November 1941 insgesamt 137.346 jüdische Menschen töten ließ. Er meldete seinen Vorgesetzten detailliert mit Datum und Ortsangabe die Zahlen der ermordeten Männer, Frauen und Kinder und prahlte, dass Litauen nun judenfrei sei.
Ein anderes Beispiel war der Klagenfurter Baumeister Odilo Globocnik (1904-1945), der in einem im Vorjahr erschienenen Styria-Band als Hitlers Manager des Todes bezeichnet wird. Auf das Konto Globocniks, der auch die Befehlsgewalt über die Ghettos in Lublin und Lodz hatte, ging die Einrichtung der Vernichtungslager Sobibor, Belzec, Majdanek und Treblinka. An einem einzigen Tag - dem 24. März 1942 - wurden in Lublin die Kinder eines jüdischen Waisenhauses, 70 Pensionisten aus einem jüdischen Seniorenheim sowie die Patienten eines jüdischen Krankenhauses mit ihren Ärzten und Pflegepersonen ermordet.
Im Nürnberger Prozess seien leitende Funktionäre des NS-Regimes verurteilt worden, aber die vielen tausenden Mittäter und gehorsamen Befehlsvollstrecker aus allen Schichten der deutschen und österreichischen Gesellschaft seien in ihre Berufe zurückgekehrt und hätten weitergemacht, als ob nichts geschehen wäre, erinnerte Nausner und fügte hinzu: "Die unaufgeklärten, immer verleugneten und darum nie vergebenen Taten sind wie ein dunkler Schatten, der immer noch unser aller Leben bestimmt."
Der jüdische Universalgelehrte George Steiner habe in diesem Zusammenhang Fragen formuliert: "Verflechten sich die Wurzeln des Unmenschlichen mit denen der Hochzivilisation? Auschwitz kam nicht aus dem Dschungel, nicht aus der Steppe. Die Barbarei überfiel den modernen Menschen im Zentrum der Kultur, der Künste, der universellen Bildung und der Wissenschaft. Männer, die bei Tag folterten, Kinder erhängten, lasen abends Rilke, hörten Schubert. Wenn derselbe Mensch Bach spielen und das Wilnaer Ghettom in Brand setzen kann, wo bleibt da die Zivilisation?" Wörtlich stellte der Vizepräsident des Koordinierungsausschusses dazu fest: Diese Fragen haben noch keine abschließende Antwort gefunden. Wir müssen uns ihnen als Christen und als Bürger immer von neuem stellen. Nur eines dürfen wir nicht zulassen: das Vergessen. Mit jedem Vergessen sterben die Gefolterten und Verbrannten ein zweites Mal. "
Die Initiative zum "Tag des Judentums" geht auf die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung 1997 in Graz zurück. Auch in Italien, Polen und den Niederlanden wird der Tag des Judentums begangen.
Das Datum für diesen Tag ist bewusst gewählt: Den Geist dieses Tages sollen die Kirchen in die anschließende weltweite "Gebetswoche für die Einheit der Christen" (18. bis 25. Jänner) weiter tragen.
Denn bei allen Trennungen der Christenheit untereinander sei allen Kirchen gemeinsam, dass sie im Judentum verwurzelt sind, so die Veranstalter.
Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit
Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ)
ERKLÄRUNG - NOSTRA AETATE
ÜBER DAS VERHÄLTNIS DER KIRCHE ZU DEN NICHTCHRISTLICHEN RELIGIONEN