Wilfried Stadler ist Mitglied der bischöflichen Kommission "Iustitia et Pax", Mitherausgeber der "Furche" und Honorarprofessor für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Wilfried Stadler ist Mitglied der bischöflichen Kommission "Iustitia et Pax", Mitherausgeber der "Furche" und Honorarprofessor für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien.
Iustitia et Pax-Berater Wilfried Stadler: "Waren noch nie so ernsthaft auf dem Weg zu mehr Steuergerechtigkeit."
Als Mosaikstein auf dem Weg zu mehr globaler Finanzgerechtigkeit hat Wilfried Stadler, Kuratoriumsmitglied der bischöflichen Kommission "Iustitia et Pax", die Offenlegung der sogenannten "Panama-Papers" bezeichnet. Die Daten zu über 200.000 Briefkastenfirmen in Panama und anderen Steueroasen deckten nicht nur die Verschleierung unrechtmäßigen Vermögens auf, sondern würden auch die laufende Debatte um internationalen Steuerbetrug befeuern, so der Mitherausgeber der "Furche" und Honorarprofessor für Wirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität Wien im Interview mit "Kathpress".
"Wir waren noch nie so ernsthaft auf dem Weg zu mehr weltweiter Steuergerechtigkeit wie jetzt", so Stadlers Einschätzung. Es stärke die Anerkennung transparenter und korrekter Versteuerung als "good practice" der Wirtschaft, wenn nun die Scheinwerfer auf unfaire Finanzpraktiken gerichtet würden. Moralische Grenze in der Grauzone zwischen legitimer und gerade noch legaler, aber unzulässiger Steueroptimierung würden dabei nämlich immer besser sichtbar.
Stadlers Standpunkt zu dem Daten-Hacking in zuvor unbekanntem Umfang, der von der betroffenen panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca als Diebstahl bezeichnet wurde: "Das ist wohl einer jener seltenen Fälle, in denen der Zweck die Mittel heiligt." Die genaue Prüfung der am Sonntagabend von Medien verbreiteten Fälle sei im Sinne des Gemeinwohls, da sie zu mehr Transparenz beitrage und jenen "Umbruch" beschleunige, der schon durch Enthüllungen anderer Steueroasen in Gang gekommen sei.
Virulent geworden sei die Diskussion laut dem Unternehmensberater schon mit der Finanzkrise von 2008 - "als die Folgekosten eines fehlgelenkten Finanzsystems auf die Allgemeinheit übergewälzt wurden und riesige Löcher in die Budgets rissen. Seit damals ist internationale Steuerfairness auf der Agenda".
Die allermeisten Unternehmer seien ohnehin steuerehrlich und würden Umgehungskonstruktionen wie die jetzt aufgedeckten vermeiden. Außerdem habe Österreich mit der 25-prozentigen Körperschaftssteuer eine auch im internationalen Vergleich vernünftige, wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung. Gerade deshalb müsse sichergestellt sein, "dass nicht jene Firmen, die am Ort der Wertschöpfung ihren Steuerverpflichtungen nachkommen, in dauerhaften Wettbewerbsnachteil gelangen gegenüber jenen, die es sich durch grenzlegale Sonderkonstruktionen richten können".
Ebenso wie das Management erkenne auch die Politik immer mehr, dass die Frage nach Transparenz und Ehrlichkeit beim Steuerstandort nicht nur den Fiskus und die Betroffenen selbst berührt: Schließlich sei es auch für die Gesamtgesellschaft ein Problem, wenn der Wohlfahrtsstaat mit seinen Sozialsystemen und Standards durch Steuervermeidung großer Unternehmen seine Steuerbasis verliert. "Auch für die einzelnen Bürger ist lebbare Finanzfairness ein öffentliches Gut, das für ihr Vertrauen ins Gesamtsystem wichtig ist", betonte Stadler.
Anzeichen für den nötigen Paradigmenwechsel gibt es nach Ansicht des Experten immer mehr: Etliche Wirtschaftsprüfer und Steuerberater hätten schon damit begonnen, Finanzverantwortliche von Großunternehmen auf die neuen Transparenz-Standards vorzubereiten. Auch die OECD habe den ernsthaften Kampf gegen Steuerbetrug aufgenommen und einen Pflichtenkatalog ausgearbeitet, der ebenso "wichtige Orientierungspunkte" gebe wie die Einigung der G20-Staaten auf automatischen weltweiten Informationsaustausch.
Auch die katholische Kirche habe in dieser Frage einen "wegweisenden" Beitrag veröffentlicht, verwies Stadler auf das 2013 erschienene Dokument "Auf dem Weg zu einer Reform des internationalen Finanz- und Währungssystems auf der Basis einer globalen Ordnungsinstanz" des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Das von Kurienkardinal Peter Turkson präsentierte Schreiben stehe im gleichen Duktus mit Papst Benedikt, der mit seiner Enzyklika "Caritas in veritate" 2009 "gut und inhaltsreich" auf die Finanzkrise reagiert habe, so die Bewertung des Experten.
Als Akteure des Wandels gefordert sah Stadler nicht nur die Politik, die etwa durch Transparenzgesetze den Rahmen vorgeben müsse, sondern auch die Konsumenten, die beim Kauf von Produkten Firmen mit fragwürdiger Steuerpraxis sanktionieren, wofür im englischsprachigen Raum das Bewusstsein bereits wachse. Erneut gefragt seien jedoch auch die Wirtschaftseliten. Stadler: "Sie dürfen sich nicht hinter ihren Lobbyinteressen verstecken, sondern müssen an vorderster Stelle mitwirken, wenn es darum geht, das System nach vorne zu bringen. Sonst geht nichts weiter."
Österreichische Kommission Iustitia et Pax
Website Wilfried Stadler: