Papst Franziskus gab der französischen Tageszeitung "La Croix" ein längeres Interview. Inhalte waren u.a. die Integration von Flüchtlingen, als auch der Dialog mit den Piusbrüdern.
Papst Franziskus gab der französischen Tageszeitung "La Croix" ein längeres Interview. Inhalte waren u.a. die Integration von Flüchtlingen, als auch der Dialog mit den Piusbrüdern.
Franziskus in "La Croix"-Interview: Europa kann Türen nicht einfach "weit aufmachen", muss sich daher stärker um Ursachen der Flüchtlingskrise kümmern.
Papst Franziskus ruft zu einer besseren Integration von Flüchtlingen auf. Der schlimmste Empfang sei eine "Ghettoisierung", sagte er im Interview der französischen Zeitung "La Croix", Ausgabe von Montag, 16. Mai 2016. Die Terroristen von Brüssel seien Kinder von Migranten gewesen, die aus einem Ghetto kamen.
Der neue Bürgermeister von London hingegen, Sadiq Khan, ein Sohn pakistanischer Einwanderer, sei in einer Kathedrale vereidigt worden und werde wahrscheinlich von der Königin empfangen, so Franziskus. Dies zeige, wie wichtig es für Europa sei, seine Fähigkeit zur Integration von Menschen wiederzufinden. Integration sei für Europa aufgrund der niedrigen Geburtenrate notwendiger denn je.
Auf die Frage, ob Europa nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen könne, antwortete Franziskus, dass Europa seine Türen nicht einfach weit aufmachen könne. Die Frage sei vielmehr, warum es heutzutage so viele Flüchtlinge gebe. Er sehe die Wurzeln der Flüchtlingskrise in den Kriegen im Nahen Osten und der Unterentwicklung des afrikanischen Kontinents. Besonders in den afrikanischen Ländern fehlten Investitionen, so der Papst. 80 Prozent des Reichtums der Menschheit seien auf 16 Prozent der Bevölkerung verteilt.
Papst Franziskus fordert eine differenzierte Sicht auf den Islam und dessen Verhältnis zur Gewalt. "Es ist wahr, die Idee der Eroberung gehört zur Seele des Islam", sagte er in dem Interview mit der französischen Tageszeitung "La Croix". Allerdings sei es ebenso möglich, die Aussendung der Jünger zu allen Nationen durch Jesus in diesem Sinne zu verstehen, so Franziskus. Er antwortete damit auf die Frage, ob die Furcht vor dem Islam in Europa aus seiner Sicht gerechtfertigt sei.
Weiter sagte der Papst, es gebe nach seiner Einschätzung heute keine Furcht vor dem "Islam an sich", wohl aber vor dem sogenannten "Islamischen Staat" und seinem Eroberungskrieg, der teils aus dem Islam stamme. Zugleich stellte Franziskus einen Zusammenhang zwischen dem islamistischen Terrorismus und den westlichen Militärinterventionen im Irak und in Libyen her. Angesichts des islamistischen Terrorismus solle der Westen eher die Art und Weise hinterfragen, wie er sein Modell von Demokratie in diese Länder exportiert habe, so der Papst. "Wir können hier nicht vorankommen, wenn wir die Kulturen nicht berücksichtigen."
Franziskus betonte, ein friedliches Zusammenleben von Christen und Muslimen sei weiter möglich. Als Beispiele dafür nannte er die Zentralafrikanische Republik, den Libanon und sein Heimatland Argentinien.
"Wenn eine muslimische Frau ein Kopftuch tragen will, muss sie das tun können, ebenso wie ein Katholik, der ein Kreuz tragen will", unterstrich Franziskus in dem Interview mit "La Croix". Jeder müsse die Freiheit haben, seinen Glauben zum Ausdruck bringen zu können, sagte der Papst mit Blick auf das Kopftuchverbot in Frankreich. Dies müsse auch im kulturellen Zentrum erlaubt sein und nicht nur am Rand der Gesellschaft.
Zugleich kritisierte der Papst Frankreich wegen einer "übertriebenen Laizität". Religionen würden wie "eine Subkultur" betrachtet und nicht wie eine "echte und eigene Kultur", so der Papst. Dies sei seine "kleine Kritik" an Frankreich, das er sonst sehr schätze. Das Land müsse auf diesem Gebiet einen "Schritt nach vorne" machen.
Zugleich betonte der Papst, dass Europa nicht nur eine christliche Wurzel habe. Es gebe viele Wurzeln. Wenn die Rede vom christlichen Europa sei, fürchte er, dass der Ton, "triumphalistisch oder rachsüchtig" sein könne. Europa habe zweifellos christliche Wurzeln und das Christentum habe die Pflicht sie zu bewässern. Dies dürfe jedoch nicht in kolonialistischer Manier erfolgen. Nötig sei ein Geist des Dienens, wie er in einer Fußwaschung zum Ausdruck komme: "Die Pflicht des Christentums gegenüber Europa ist der Dienst."
Papst Franziskus will den Dialog mit der traditionalistischen Piusbruderschaft fortsetzen. Man komme in dem Dialog "langsam und mit Geduld voran" und ihr Oberer Bernard Fellay sei ein "Mann mit dem man reden kann", sagte er in dem Interview mit der französischen Tageszeitung "La Croix". Für "andere Elemente, wie Monsignore Williamson, und andere, die sich radikalisiert haben" gelte das jedoch nicht, so der Papst. Zugleich betonte er, dass die Voraussetzung für die volle Gemeinschaft der von Rom abtrünnigen Bruderschaft mit der römisch-katholischen Kirche die Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sei.
Die 1969 vom französischen Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete "Priesterbruderschaft St. Pius X." lehnt Teile des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Dies betrifft vor allem Aussagen zu Liturgie, Religionsfreiheit und Ökumene. Nach unerlaubten Bischofsweihen exkommunizierte der Vatikan Lefebvre und die vier Geweihten 1988. Papst Benedikt XVI. (2005-2013) ließ 2007 die alte lateinische Messe wieder allgemein zu und ermöglichte so die Aufnahme offizieller Gespräche. Im Januar 2009 hob er die Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft auf. Damit haben diese die Rechte katholischer Laien; die Ausübung kirchlicher Ämter ist ihnen aber weiter untersagt.
Die seit längerem erörterte Schaffung einer Personalprälatur für die Piusbrüder nannte Franziskus in dem Interview "eine mögliche Lösung". Zuvor müsse es jedoch eine "grundlegende Übereinkunft" geben. Ob es sich dabei um die Unterzeichnung der vom Vatikan 2011 vorgelegten sogenannten Präambel handelt, blieb offen. Zuletzt war in Rom spekuliert worden, Franziskus könnte theologische Abstriche an den Forderungen gegenüber der Piusbruderschaft machen und möglicherweise auf eine Annahme des Dokuments durch die Traditionalisten verzichten.
Franziskus war im April zum ersten Mal zu einem Gespräch mit dem Oberen der traditionalistischen Piusbrüder zusammengetroffen. Im vergangenen Jahr war der Papst den Piusbrüdern überraschend entgegengekommen, als er in einem Schreiben vom 1. September 2015 allen Gläubigen gestattete, während des Heiligen Jahres auch bei Priestern der Bruderschaft zu beichten. In jenem Schreiben betonte Franziskus: "Ich vertraue darauf, dass in naher Zukunft Lösungen gefunden werden können, um die volle Einheit mit den Priestern und Oberen der Bruderschaft wiederzugewinnen."
Laut der vom Vatikan 2011 vorgelegten und bis heute nicht unterzeichneten Präambel sollten die Traditionalisten das gesamte Lehramt der katholischen Kirche einschließlich des Zweiten Vatikanischen Konzils akzeptieren und zudem die Gültigkeit und Legitimität der katholischen Liturgie anerkennen. Im Fall einer Einigung, so der Vorschlag, sollte die "Priesterbruderschaft St. Pius X." als eigene Personalprälatur eine Zukunft innerhalb der katholischen Kirche finden.
Papst Benedikt XVI. hatte nach der umstrittenen Rücknahme der Exkommunikation für die Piusbrüder im Januar 2009 versucht, durch einen Experten-Dialog den Bruch mit den Konzilsgegnern zu kitten. Aber die zweijährigen Gespräche von 2010/11 führten zu keinem Ergebnis. Die Piusbrüder weigerten sich, eine vom Vatikan zum Abschluss des Dialogs vorgelegte "Präambel" zu unterzeichnen.