Gaza-Stadt ist besonders betroffen vom israelisch-palästinensischen Konflikt.
Gaza-Stadt ist besonders betroffen vom israelisch-palästinensischen Konflikt.
Gaza laut kirchlichem Experten bis spätestens 2020 unbewohnbar.
Von den gut 1,9 Millionen Bewohnern Gazas sind bereits 1,3 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen - fast 70 Prozent der Bevölkerung. Das berichtet Sami El-Yousef, Regionaldirektor für Palästina und Israel der päpstlichen "Catholic Near East Welfare Association" (CNEWA) in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Information Christlicher Orient". Strom gebe es nur mehr für zwei bis drei Stunden am Tag. Dazu komme eine massive ökologische Katastrophe. Laut internationalen Studien werde Gaza bis spätestens 2020 unbewohnbar sein, so El-Yousef. Schon jetzt könnten die Menschen ohne Hilfe von außen kaum mehr überleben.
Als CNEWA-Regionaldirektor ist El-Yousef regelmäßig in Gaza. "Bei meinem Besuch vor einigen Monaten waren die Menschen vor allem besorgt, ob es zu einem neuen Krieg mit Israel kommen wird. Als ich jetzt wieder vor Ort war, ging es eigentlich nur mehr darum, noch das Allernotwendigste zum Überleben zu bekommen", so sein Bericht im ICO-Magazin.
Die Menschen säßen am Abend mit Kerzen in ihren Wohnungen, die Kühlschränke und Klimaanlagen funktionierten nicht mehr. Wer könne, hole sich ein wenig Strom von Generatoren, doch der sei teuer. Der Mangel an Strom mache es für die Leute oft sogar unmöglich, ihre Handys aufzuladen. Der private Konsum von Benzin bzw. Diesel sei auch längst eingeschränkt. "Immer weniger Menschen können sich Treibstoff leisten, sei es für das Auto oder private Generatoren zur Stromerzeugung", so El-Yousef.
Oft wird Gaza als das "größte Gefängnis der Welt" bezeichnet. Nach drei Kriegen mit Israel sei die Lage perspektivenlos, so El-Yousef. 15.000 Häuser bzw. Wohnungen wurden komplett zerstört, 46.000 teilweise. Tausende Menschen wurden getötet. Die Armutsrate beträgt 80 Prozent, die Arbeitslosigkeit bis zu 60 Prozent. In einzelnen Teilen von Gaza sind fast 50 Prozent der Kinder unterernährt. Zugleich hat Gaza eines der größten Bevölkerungswachstümer der Welt. El-Yousef: "Unter den Jugendlichen beträgt die Arbeitslosenrate 65 Prozent und unter jungen Frauen sogar 75 Prozent."
Der Gaza-Streifen versinkt zudem im Abwasser. Die Kläranlagen wurden vor einigen Monaten abgestellt, weil der Strom fehlt. Die ungefilterten Abwässer würden nun nicht nur die Luft verschmutzen, sondern auch das letzte Grundwasser. Das habe auch einen gravierenden Mangel an Trinkwasser zur Folge.
Hinter dem Strommangel steckt zum Teil auch die palästinensische Fatah-Regierung in Ramalla. Diese bezahlte bisher Israel für die Stromversorgung Gazas und hat die Finanzierung nun stark zurückgefahren, um Druck auf die verfeindete Hamas auszuüben, die seit 2007 in Gaza herrscht. Die Fatah-Regierung hat auch den rund 70.000 Staatsbediensteten in Gaza das Gehalt dramatisch gekürzt. "Und mehr Armut bedeutet natürlich auch mehr Kriminalität", warnt CNEWA-Direktor El-Yousef.
Vor zehn Jahren lebten in Gaza noch rund 5.000 Christen. Inzwischen sollen es nur mehr etwas mehr als 1.000 sein. Laut dem katholischen Pfarrer von Gaza, Mario da Silva, gibt es darunter noch 135 Katholiken in Gaza. Die anderen Christen gehören der Griechisch-orthodoxen Kirche an.
Die katholische Pfarrgemeinde im Gazastreifen geht auf eine Missionsstation zurück, die ein früherer Rektor des österreichischen Hospizes in Jerusalem, der Tiroler Georg Gatt, Ende des 19. Jahrhunderts gegründet hatte.
Die katholische Kirche führt in Gaza neben der Pfarre bzw. der Pfarrkirche zur Heiligen Familie auch zwei Schulen - deren Schülerinnen und Schüler zu 90 Prozent Muslime sind - sowie ein Heim für Kinder mit und ohne Behinderungen.
Die gut tausend Christen machen bei den fast zwei Millionen Einwohnern von Gaza nur eine verschwindend kleine Minderheit aus. Und trotzdem sei ihr Beitrag für die Gesellschaft enorm hoch, so El-Yousef. Bis zu 100.000 Menschen - so gut wie alle Muslime - würden von den Schulen und medizinischen Einrichtungen der Kirchen profitieren, schätzt der CNEWA-Regionaldirektor.
Als die Hamas 2007 an die Macht kam, habe sie sehr rasch die Scharia einführen wollen, erinnert sich El-Yousef. Doch nachdem die Hamas den wertvollen Beitrag sah, den die Christen vor allem durch ihre Institutionen wie Schulen und medizinische Einrichtungen leisten, habe auch der Druck auf die christliche Gemeinde nachgelassen, sagt der CNEWA-Regionaldirektor. Er spricht von einer "neutralen Koexistenz" zwischen Hamas und Christen.
In Gaza gibt es drei Kirchen: neben der katholischen noch u.a. die griechisch-orthodoxe Porphyrios-Kirche. Die anglikanische Diözese von Jerusalem unterhält das Al-Ahli-Arab-Hospital, das einzige christliche Krankenhaus im Gaza-Streifen. Auf dem Krankenhausgelände steht die St.-Philipps-Kirche.
"Information Christlicher Orient" ist die Zeitschrift der "Initiative Christlicher Orient" (ICO), mit der vier Mal pro Jahr über die Christen und Kirchen im Nahen Osten berichtet wird. Die ICO unterstützt seit vielen Jahren die Christen in Syrien, im Irak, im Libanon, im anatolischen Tur Abdin und in Palästina. Demnächst soll auch die Hilfe für Gaza anlaufen.
Initiative Christlicher Orient:
ico-christlicherorient.jimdo.com