Der Sprecher der Caritas St. Pölten, Christoph Riedl-Daser.
Der Sprecher der Caritas St. Pölten, Christoph Riedl-Daser.
Höchstgericht hebt Mindestsicherungsregelung in Niederösterreich als "unsachlich und daher verfassungswidrig" auf. Caritas St. Pölten: "Menschenwürde kann nicht gedeckelt werden".
Die Caritas der Diözesen Wien und St. Pölten und auch die Diakonie haben das Urteil des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) begrüßt, die Mindestsicherungsregelung in Niederösterreich als "unsachlich und daher verfassungswidrig" aufzuheben. Davor hatten die kirchlichen Hilfsorganisationen die seit Jänner 2017 geltende Regelung mehrfach kritisiert, die niedrigere Bezüge für Asylberechtigte vorsieht sowie eine "Deckelungskürzung" der Mindestsicherung, also einen Höchstbetrag ab einer gewissen Haushaltsgröße. Caritas und Diakonie hoffen nun auf eine verfassungskonforme österreichweite Mindestsicherung, wie aus Stellungnahmen am Montag, 12. März 2018, hervorging.
Eine Kürzung der Mindestsicherung wurde auch in Oberösterreich und im Burgenland beschlossen; der ebenfalls am Montag getroffene VfGH-Entscheid werde somit nicht nur Folgen für Niederösterreich haben, erklärte der St. Pöltner Caritas-Sprecher Christoph Riedl-Daser. Die Forderung der Caritas nach einer bundesweiten Regelung habe nun Rückenwind bekommen, und es sei auch sinnvoll, das "für alle zwischen Bodensee und Neusiedlersee dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen gelten sollten". Wörtlich fügte Riedl-Daser hinzu: "Menschenwürde kann nicht gedeckelt werden."
Er verwies auch auf die Erfahrung, die die Caritasverbände der Diözesen St. Pölten und Wien in ihren Sozialberatungsstellen und Familieneinrichtungen in Niederösterreich immer wieder machen würden: Schon jetzt reiche die Mindestsicherung oft nicht aus, um die nötigsten Lebenshaltungskosten zu decken. Eine weitere Reduzierung stelle Betroffene vor größte Probleme. "Und die Kirche steht immer auf der Seite der von Armut Betroffenen", bekannte sich Riedl-Daser zu Parteilichkeit. Zugleich bot er namens der Caritas St. Pölten der neuen niederösterreichischen Landesregierung Zusammenarbeit an, wenn er um die Erarbeitung einer neuen, verfassungsgemäßen Mindestsicherungsregelung geht.
Das Ziel kann auch nach Überzeugung der Diakonie jetzt nur sein, eine verfassungskonforme österreichweite Mindestsicherung zu gestalten, "die für alle Menschen in Notsituationen, unabhängig von ihrer Herkunft, existenzsichernd ist", betonte Diakoniedirektor Michael Chalupka in seiner Aussendung am Montag. "Denn niemand in Österreich kann Gesetze wollen, die bedeuten, dass mehr Menschen in Obdachlosigkeit leben, und Ausbeutung jeglicher Art ausgeliefert sind."
Durch das Urteil des Höchstgerichts, dass zentrale Bestimmungen des niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetzes verfassungswidrig sind, erachtet die Diakonie eines der großen Vorhaben des Regierungsprogrammes als "obsolet". Die Mindestsicherung stelle das unterste soziale Netz dar, um Menschen zu helfen, existenzielle Notlagen zu überbrücken. "Das betrifft alle Menschen, österreichische StaatsbürgerInnen, ebenso wie in Österreich anerkannte Flüchtlinge", hielt die Hilfsorganisation fest. Der VfGH habe nunmehr klargestellt, dass eine Ungleichbehandlung - "wie sie auch die Regierung offen anstrebt" - verfassungsrechtlich nicht möglich sei.
Die Aufhebung der NÖ-Mindestsicherungsregelung erfolgte laut VfGH ohne Reparaturfrist. Die aufgehobenen Bestimmungen seien nicht mehr anzuwenden. Vorausgegangen waren mehr als 160 Anträge des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, hinter denen jeweils Beschwerden von Personen stehen, die nach der seit 2017 geltenden Rechtslage eine geringere Mindestsicherung zugestanden bekamen.