Die jüngste Debatte um das Kreuz versteht der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auch als "kritische Anfrage" an die Kirchen.
Die jüngste Debatte um das Kreuz versteht der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auch als "kritische Anfrage" an die Kirchen.
Deutscher Bundespräsident kritisch zu Kreuz-Erlass, CDU-Kritik an Kardinal Marx.
Die jüngste Debatte um das Kreuz versteht der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auch als "kritische Anfrage" an die Kirchen. "Warum gelingt es uns so wenig, den christlichen Glauben in die Gesellschaft hinein zu vermitteln?", so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Montag, 7. Mai 2018. "An der Botschaft des Evangeliums liegt es jedenfalls nicht. Denn die ist richtig stark."
Es gelte, einigen Tatsachen nüchtern ins Auge zu blicken und sich zugleich von einer "Fixierung auf das Bestehende als Maßstab für das Zukünftige freizumachen", forderte Bedford-Strohm. Am Ende der nächsten Dekade hätten die beiden großen Kirchen in Deutschland "aller Wahrscheinlichkeit weniger als 40 Millionen Mitglieder". Zugleich seien viele Strukturen nicht mehr zeitgemäß, um eine Nähe zu den Menschen herzustellen, schrieb der EKD-Ratsvorsitzende.
So werde derzeit eine "Erreichbarkeit für alle" in vielen Gemeinden nur "auf Kosten der Gesundheit der Hauptamtlichen einigermaßen aufrechterhalten". Bedford-Strohm plädierte dafür, Laien verstärkt einzubinden und verkrustete Strukturen in Gremien aufzubrechen. Weiter sei zu überlegen, ob und inwiefern die theologische Ausbildung von Hauptamtlichen praxisnäher werden müsse. Als problematisch bezeichnete der EKD-Ratsvorsitzende auch eine immer sichtbarer werdende "Spreizung" zwischen einer hoch spezialisierten wissenschaftlichen Theologie und dem Handeln der Kirche.
"Steckt vielleicht auch in einer vertieften ökumenischen Zusammenarbeit eine Chance für vereinte Kräfte?", schrieb der evangelische Landesbischof weiter. "Und haben wir angesichts des Grundtrends schrumpfender Kirchen wirklich schon ausreichend Erprobungsräume eingerichtet, die neue Begegnungen eröffnen, die Entdeckungen jenseits aller mentalen oder tatsächlichen Kirchenmauern und Konfessionsgrenzen erlauben?"
Die Kirchen hätten die Aufgabe, den Sinn des Kreuzes öffentlich zu machen, betonte Bedford-Strohm. Die zu lösenden organisatorischen Fragen müssten in eine "geistliche Erneuerung" eingebettet sein, "in eine "Besinnung auf glaubwürdige Sprache, tragende Frömmigkeit und ein klares Engagement für den Nächsten".
Mit Blick auf die politische Debatte, ausgelöst durch den bayerischen Kabinettsbeschluss zur Aufhängung von Kreuzen in jeder Landesbehörde, warnte der EKD-Ratsvorsitzende davor, das christliche Symbol als "ideologisches Kampfmittel" oder als "Kitt einer auseinandertreibenden Gesellschaft" zu missbrauchen. Dem Ruf, das Kreuz komplett aus der Öffentlichkeit zu verbannen, erteilte der Theologe ebenfalls eine Absage. Eine solche "laizistische" Position bleibe ein schlüssiges Argument dafür schuldig, "warum säkulare Weltanschauungen öffentlichen Raum einnehmen können sollen, religiöse aber nicht".
Zuvor hatte im Streit um den Kreuz-Erlass der bayerischen Staatsregierung am Wochenende auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Position - er ist Mitglied der evangelisch-reformierten Kirche - bezogen. Er distanzierte sich am Sonntag in der ARD-Sendung "Berlin direkt" vom Beschluss des Münchner Kabinetts. "Ich bin nicht Schiedsrichter über die Entscheidungen, die in Bayern getroffen worden sind. Aber es gibt ein paar verfassungsrechtliche Maßstäbe, die man zu Hilfe nehmen kann", sagte er. "Das Bundesverfassungsgericht hat schon sehr früh 1995 entschieden, dass das Kreuz sozusagen den Wesenskern des Christentums symbolisiert und deshalb, wie Kardinal Marx gesagt hat, nicht vom Staat, sondern von der Kirche zu füllen ist." Das müssten die Landesregierungen berücksichtigen.
Als bekennender Christ müsse er darüber hinaus sagen: "Was uns sonntags in der Kirche fehlt, das wird das Kreuz in den Behörden nicht ersetzen können."
Unterdessen wies die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner Kritik von Kardinal Reinhard Marx am Kreuz-Erlass als unangemessen zurück. Klöckner sagte der "Bild am Sonntag": "Die Frage ist doch auch, ob es das richtige Signal ist, wenn Kardinäle ihr Kreuz aus Rücksichtnahme auf andere Religionen abnehmen." Marx wie auch der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm hatten vor einem Besuch des Tempelbergs in Jerusalem 2016 ihre Brustkreuze zeitweise abgenommen, um nicht die religiösen Gefühle Andersgläubiger zu verletzen.
Marx sandte unterdessen am Samstag versöhnliche Signale in Richtung Politik. Er sagte in Würzburg, die Kirche begrüße alle Initiativen für Kreuze im öffentlichen Raum. Auch sei es gut, dass der Staat ein besonderes Verhältnis zu den Kirchen pflege. Aber es seien zuerst die Christen, die diesen Raum nutzen müssten. Marx hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zuvor vorgehalten, mit seinem Kreuzerlass "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" ausgelöst zu haben. Es stehe dem Staat nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute.
Der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick erklärte am Sonntag, mehr als ein Zeichen für Identität oder Kultur sei das Kreuz ein Zeugnis für den auferstandenen Christus. Es sei gut und richtig, dass die Kreuze auf Bergen, an Straßen sowie auch in öffentlichen Gebäuden verehrt würden.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Montag), das Kreuz sei "kein Kampfmittel", es grenze nicht ab gegen andere. "Das Kreuz eignet sich nicht für Wahlkampfzwecke." Auf die Frage, ob Ministerpräsident Söder einen Schritt auf die Kirche zugehen solle, sagte er: "Ich hoffe, dass das geschieht."