Die soziale Hängematte gibt es nicht.
Die soziale Hängematte gibt es nicht.
NGO-Netzwerk sieht konkrete Lebenssituation von Betroffenen bislang kaum berücksichtigt. "Echtes Leben" werde zugunsten von Politik-PR und "Message Control" außen vor gelassen.
Das NGO-Netzwerk Armutskonferenz fordert eine ehrliche Diskussion über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Denn bisher komme die konkrete Lebenssituation von Betroffenen - vor allem Menschen mit Behinderungen, Familien und Kinder - kaum vor, und das "echte Leben" werde zugunsten von parteipolitischer PR und "Message Control" außen vor gelassen, kritisierte das über 40 NGOs umfassende Netzwerk am Mittwoch, 5. September 2018 in einer Aussendung.
Keine Antwort liefere die Debatte bisher etwa auf die Situation von Menschen mit erheblichen Behinderungen, die in Privathaushalten leben. Diese hätten höhere Lebenshaltungskosten, erhielten im Rahmen der BMS in der Regel aber keine zusätzlichen Hilfestellungen. Kritik übt die Armutskonferenz auch an den teilweise langen Wartezeiten. "In existenziellen Notlagen sind drei Monate Warten auf eine Entscheidung auch zu lange." Dort, wo es Überbrückungshilfen gebe, seien diese in Form oder Höhe aber oft völlig unzureichend.
Mehr Unterstützung fordert das Netzwerk auch im Fall von Gesundheitsproblemen. Gibt es seitens der Unterstützungsfonds der Krankenkassen keine oder nur bescheidene Unterstützung, seien etwa Therapien, Brillen, Schuheinlagen oder Hörgeräte nicht finanzierbar. Selbiges gelte für Zahnersatz und andere notwendige Zahnbehandlungen. Diätkost bei Diabetes werde zum unleistbaren "Luxus". Werden die Bezieherinnen über die BMS in die Krankenversicherung einbezogen, müssten sie zwar keine Kostenanteile selbst tragen, sehr wohl aber Selbstbehalte für Heilbehelfe und Hilfsmittel.
Sonderzuschüsse fordert die Armutskonferenz etwa bei Kosten, die über das tägliche Leben hinausgehen, wie der Geburt eines Kindes, Reparaturen oder Kautionen für Wohnungsanmietungen. Die bereits jetzt in einigen Bundesländern als Zusatzleistung geregelte Delogierungsprävention müsse verbindlich österreichweit als verpflichtendes Leistungsangebot aufgenommen werden.
Handlungsbedarf sieht das Netzwerk auch bei Erwerbsarbeit und Versicherungsleistungen, die Einkommensarmut zunehmend weniger verhindern könnten. Insofern genüge es nicht, über die Mindestsicherung alleine zu sprechen; zentrale Aufgabe wäre viel mehr die Vermeidung von Einkommensarmut. "Die Mindestsicherung kann nicht der 'Staubsauger' für alle strukturellen Probleme sein, die in der Mitte der Gesellschaft angelegt sind: Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, prekäre Jobs, nicht leistbares Wohnen, mangelnde soziale Aufstiegschancen im Bildungssystem."
Menschenwürdig sei Mindestsicherung dann, wenn sie etwa Perspektiven für Kinder und Jugendliche von Eltern ohne oder mit nur sehr niedrigem Einkommen, hob die Armutskonferenz hervor. "Sie schützt vor extremen Existenzängsten, Hoffnungslosigkeit, Verelendung und Kriminalität. Unterstützung mittelloser Menschen bedeutet, alle in unserer Gesellschaft zu schützen."
Die Armutskonferenz ist seit 1995 als Netzwerk von über 40 sozialen Organisationen - darunter Caritas und Diakonie -, sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen aktiv. Sie thematisiert Hintergründe und Ursachen, Daten und Fakten, Strategien und Maßnahmen gegen Armut und soziale Ausgrenzung in Österreich. Gemeinsam mit Armutsbetroffenen engagiert sie sich für eine Verbesserung deren Lebenssituation. Die in der Armutskonferenz zusammengeschlossenen sozialen Organisationen beraten, unterstützen und begleiten über 500.000 Menschen im Jahr.