Feldmesse während des Ersten Weltkriegs.
Feldmesse während des Ersten Weltkriegs.
Die Berge und Täler entlang des Isonzo im heutigen Slowenien und Italien waren im Ersten Weltkrieg Schauplatz blutiger und verlustreicher Schlachten. Heute prägt das Gedenken an die Soldaten die Region.
Knapp ein Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs erklärte Italien Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915 den Krieg. Das Grenzgebiet am Isonzo wird in der Folge zum Hauptkampffeld an der südlichen Front. Insgesamt kommt es dort zu zwölf Schlachten zwischen Juni 1915 und Oktober 1917. Diese fordern fast 500.000 Tote.
Hundert Jahre später begegnet man im Grenzgebiet zwischen Slowenien und der italienischen Region Friaul-Julisch Venetien den Spuren des Krieges. Die schroffe, felsige und nach Süden immer sanfter werdende Gebirgslandschaft, die den Oberlauf des Isonzo, oder Soca - wie der Fluss in Slowenien genannt wird - kennzeichnet, ist heute eine Bergregion, die mit ihren vielen Gipfeln, Seitentälern und Bächen viele Wanderer und Freizeitsportler anzieht. Eines bleibt: die Erinnerung an die Geschichte in einer grenzübergreifenden Gedächtnisregion.
Fährt man von Villach über die italienische Grenze nach Tarvis, folgt gleich danach der Predilpass, eine Verbindung zwischen Italien und Slowenien. Hier liegt der Soldatenfriedhof Log pod Mangartom. Eisenkreuze mit Schrifttafeln der Namen der Gefallenen verweisen auf die Kämpfe im Rombon-Gebiet, wo die Italiener versuchten, in der karstigen Gebirgsfront ins Hinterland vorzudringen, um sich gute Bedingungen für einen Vorstoß nach Ljubljana zu schaffen. Die Österreicher nutzten einen Stollen zur Versorgung der Isonzofront. Der österreichisch-ungarische Friedhof ist einer der besterhaltenen Friedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg in Slowenien. Auf diesem sind über 800 Soldaten verschiedener Nationalitäten, vor allem des 4. Infanterieregiments aus Bosnien-Herzegowina bestattet, daher finden sich sowohl Kreuze wie auch Stelen im Gedenken an die Gefallenen.
Log pod Mangartom als Beispiel für die vielen Soldaten, die in den Isonzoschlachten in Gebirgsstellungen oder Schützengräben ihr Leben verloren haben. Auf einer Länge von knapp mehr als 30 Kilometern wurde im Ersten Weltkrieg hier gekämpft. Es ist Teil jener Front, die sich von den Dolomiten, über die Karnischen und Julischen Alpen, weiter entlang des Isonzo bis zum Adriatischen Meer zog.
Ein wesentlicher Erinnerungsort an die kriegerischen Auseinandersetzungen ist das slowenische Kobarid. Im Museum des Ersten Weltkriegs sehen die Besucher Fotos der Soldaten, der Stellungen, der Bevölkerung. Kustos Zeljko Cimpric schildert:"Das Museum ist aus einer Sammlung entstanden, die im Jahr 1990 von Einheimischen angelegt worden war." Die Toten des Kriegs bleiben hier nicht anonym, individuelle Schicksale werden erläutert. Gezeigt wird auch ein großes Relief der gesamten Stellungen im Isonzogebiet. Unvorstellbar und dennoch Realität ist die Tatsache, dass "auf einen Soldaten der Kampfhandlungen zehn für die Versorgung kamen", ergänzt der Grazer Historiker Richard Lein, der sich mit der Isonzoschlacht wissenschaftlich auseinandersetzte.
Im Museum in Kobarid wird auch ein Bild eines tragbaren Altars für Feldmessen gezeigt, ein Priester der auf einer abfallenden Gebirgswand eine Messe hält, die Soldaten versuchen sich im steilen Gelände zu halten. Ausgestellt auch ein Gaswerfer, der in der 12. Isonzoschlacht auf österreichischer Seite eingesetzt wurde.
Gleich neben dem Weltkriegsmuseum in Kobarid hat die Stiftung "Pot miru" ihren Sitz. Diese bietet Führungen am "Weg des Friedens" und setzt sich für das Erbe der Isonzofront ein. Katja Sivec vom Verein schildert: "Wir wollen die Erinnerung an den Krieg bewahren, aber die Menschen nicht belasten." Sivec bietet dazu den Besuchern die Möglichkeit, sie auf den Kolovrat zu begleiten: "Von diesem Aussichtspunkt kann man die Frontlinie in den Bergen und dem Socatal gut einsehen, damit bekommt der Besucher einen Eindruck vom großen Aufwand des Stellungsbaus unter extremen Bedingungen."
Ein markanter Punkt des Friedenswegs ist die an einem höher gelegenen Waldrand gelegene "Heiliggeist-Gedenkkirche" am Javorca. Inmitten einer märchenhaften Bergwelt, wo Rinder weiden, erhebt sich eine kleine Holzkirche. Nach den Plänen des Wiener Künstlers Remigius Geyling wurde die Kirche von österreichisch-ungarischen Soldaten der Gebirgsregimenter im Ersten Weltkrieg aus Lärchenholz erbaut. Tafeln aus Munitionskisten wurden gefertigt, auf den Brettern sind die Namen von 2.564 auf den umliegenden Schlachtfeldern gefallenen Soldaten eingebrannt.
Ein ganz anderer Gedenkort an Soldaten der österreich-ungarischen Armee findet sich südlich der Isonzofront in Fogliano. Auf dem Soldatenfriedhof rund 30 Kilometer von Triest entfernt, wurden 14.550 in den Isonzo-Schlachten gefallene österreichisch-ungarische Soldaten begraben. 2.500 Gefallene sind identifiziert, alle anderen blieben anonym. Die Inschrift am Friedhofseingang, "Im Leben und im Tod vereint", ist Sinnbild dafür, wie die Soldaten gemeinsam die blutigen Schlachten im Karstgebiet am Isonzo zu schlagen hatten und die meisten davon ihr Leben opferten.
Nur einen Kilometer von der österreichischen Gedenkstätte entfernt ließ Benito Mussolini 1938 das größte Kriegerdenkmal Europas errichten, den italienischen Soldatenfriedhof "Sacrario di Redipuglia". Hier ruhen Reste von 100.000 Gefallenen. In 22 Terrassen führt ein Hügel hinauf, der im Ersten Weltkrieg heiß umkämpft war. Die Aufschrift auf der Plattform "Presente" (Hier) prägt die Erinnerung. Hier liegt auch Zugsführer Adolfo Bergoglio begraben, ein Großonkel von Papst Franziskus.
Die Spuren des Ersten Weltkriegs sind am Isonzo gegenwärtig, die zahlreichen Gedenkorte an die Kämpfe, aber auch die Erinnerung an die Hundertausendenden Toten geben Hoffnung, dass so etwas nie wieder geschieht.
Papst Franziskus besucht am 13. September 2014 die größte der Friedhofsanlagen der Opfer der Isonzoschlachten, das Sacrario di Redipuglia nahe von Görz, und die in wenig Entfernung liegende kleine Anlage des Österreicherfriedhofs in Fogliano.
Der Papst beginnt seinen Besuch mit einem Gebet und einer Kranzniederlegung. Am Sacrario di Redipuglia feiert er in Konzelebration mit Bischöfen aus mehreren Ländern eine Messe für die Opfer der Weltkriege und der Kriege in aller Welt.
Die österreichische Kirche wird durch Kardinal Christoph Schönborn, Militärbischof Christian Werner und Militärbischofsvikar Werner Freistetter vertreten sein. Die Bischöfe erhalten vom Papst kleine Öllampen, die bei den Gedenkfeiern in ihren Heimatdiözesen entzündet werden sollen.
Militärbischofsvikar Werner Freistetter, der Leiter des Instituts für Religion und Frieden, des Militärbischofsamts, verschaffte sich vor dem Besuch von Papst Franziskus in Redipuglia einen Eindruck von den Erinnerungsorten am Isonzo. Er stellt sich klar gegen eine Verklärung des Gedenkens an die Opfer des "Ersten Weltkriegs".
Wie nehmen sie die Schauplätze und Gedenkorte an den "Ersten Weltkrieg" an der Isonzofront wahr?
Freistetter: Ich bin jedes Mal erschüttert, wenn ich diese Orte sehe und die Geschichten, die ja in reicher Fülle in Tagebüchern, Briefen und historischen Werken zum Ausdruck kommen. Die unglaublichen Leiden, Mühen, die diese Menschen auf sich genommen haben um einen Krieg zu führen, den wir in der Rückschau nur als große Tragik bezeichnen können und die Papst Benedikt XV. schon damals als völlig unnützes Massaker gekennzeichnet hat. Bis zum Letzten auszuhalten unter widrigsten Umständen im Hochgebirge für ein paar Meter Geländegewinn, Tausende Menschen zu opfern, ist eine Art von Kriegführung die ich schrecklich finde und für die eigentlich der Zugang fehlt.
Welche Art und Form von Gedenken an Opfer des "Ersten Weltkriegs" entspricht unserer Zeit?
Freistetter: Unser Zugang ist das Schicksal, das Leid des Soldaten und der Angehörigen in den Mittelpunkt zu stellen. Den Krieg nicht als großartige heroische nationale Tat, sondern als eine große Tragik, in der im Grunde genommen niemand Sieger ist, zu sehen. Das trifft in besonderer Weise auf den Ersten Weltkrieg zu.
Was prägt die Militärseelsorge heute?
Freistetter: Man kann eine Linie ziehen vom Ersten Weltkrieg und auch den furchtbaren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs in die Gegenwart.
Wir sind nicht mehr im Dienste einer Monarchie, der gegenüber auch für die Militärseelsorge Loyalität selbstverständlich war.
Wir sind Angehörige einer Armee in einem Rechtsstaat, in der es nicht darum geht, dass die Kirche Machtpositionen innehat, sondern es geht darum, den Menschen Religionsfreiheit zu ermöglichen. Dazu kommt, dass wir in Österreich vor allem in friedenserhaltenden Maßnahmen engagiert sind, was aber auch nicht ausschließt, dass in manchen Konflikten auch österreichische Soldaten verwickelt sein können. Wir versuchen daher mit den Soldaten gemeinsam Kriterien zu erarbeiten, die auch diesen extremen Fall in einen ethischen Rahmen einbindet.
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