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01.12.2002

Geglückter Advent

Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand

Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn

zum 1. Adventsonntag, 1.12.2002;

(Mk 13,24-37)

Der Advent beginnt mit dem selben Wort, mit dem das Kirchenjahr zu Ende ging: “Seid wachsam!” Das Kirchenjahr beginnt ja mit dem ersten Adventsonntag. Advent heißt Ankunft.

Adventszeit ist Wartezeit auf einen, der kommen soll. Christen warten auf das Kommen Christi. Das haben sie mit dem jüdischen Volk gemeinsam, das auch wartet und hofft, dass der Messias

(der “Gesalbte”, auf Griechisch der “Christus”) kommt. Christen glauben, dass der Messias bereits gekommen ist, Jesus von Nazareth. Deshalb mündet der Advent im Weihnachtsfest, dem Fest der Geburt Jesu in Bethlehem. Aber Christen warten auch auf die zweite Ankunft Christi, seine Wiederkunft “mit großer Macht und Herrlichkeit”, wie Jesus selber es verheißen hat. Wann diese geschehen wird, das wissen wir nicht, wir können es auch nicht berechnen, wir können nur wachsam darauf warten. Das verbindet die Christen mit dem jüdischen Volk: Beide warten auf den Messias, sein herrliches, befreiendes Kommen.

Die Juden glauben, sein Name sei noch unbekannt, die Christen glauben, dass Jesus, der Christus und Sohn Gottes, einmal wiederkommen wird. Beiden, Juden wie Christen, ist aber das hoffnungsvolle Warten gemeinsam.

 

Von diesem Warten spricht auch das kleine Gleichnis Jesu im heutigen Evangelium: Der Türsteher, der Pförtner oder Portier, muss warten, bis der “Chef” nach Hause kommt. Und da der Chef nicht gesagt hat, wann genau er heimkommt, muss der Pförtner so lange wach bleiben, bis er kommt, und wenn es erst zu Mitternacht und gar gegen Morgen ist.

 

Warten erfordert Wachsamkeit. Wer auf das grüne Licht der Ampel wartet, schaut genau hin, um gleich losfahren zu können. Wer am Fließband arbeitet, muss ständig genau überwachen, ob alle Vorgänge fehlerfrei ablaufen. Wer zu Hause auf Gäste wartet, hat die Ohren gespitzt, wann es läuten wird.

 

Unser heutiges Leben erfordert von den meisten Menschen viel Wachsamkeit. Im Straßenverkehr können schon sekundenkurze Unaufmerksamkeiten tödliche Folgen haben. So ist uns die Aufforderung Jesu nicht fremd: Seid wachsam!

 

Jesus meint aber wohl mehr als das Aufpassen im Verkehr und im Umgang mit der Technik. Es geht vor allem um die wache Aufmerksamkeit für den Nächsten. Es ist etwas Schönes, Menschen zu begegnen, die für andere aufmerksam sind, die auf andere eingehen können, die spüren, was sie bewegt, was sie brauchen. Wach durchs Leben gehen, das erfordert ein offenes Auge, ein bereites Herz, das nicht nur um sich selber kreist und nur sich selber sieht. Und nur so ein waches Leben ist auch wirklich spannend und bereichernd.

 

Der Advent will uns wach machen. Erstaunlich viele gehen in unserem Land in diesen Wochen frühmorgens in die sogenannten Rorate-Messen. Es tut gut, in früher Stunde wachend und betend zusammenzukommen.

 

Advent erinnert an das erste Kommen Jesu als Kind in Betlehem und an sein zweites Kommen am Ende der Zeit.

 

Doch liegt dazwischen noch ein drittes Kommen Jesu: Wenn er an die Türe meines Lebens klopft, heute, unscheinbar und leise, wenn er zu mir kommen will, unerwartet: Ob ich dann wach bin oder er mich schlafend antrifft? Und dieses stille Kommen kann jederzeit geschehen: durch einen Menschen, der mich braucht; durch das Gebet, in dem Gott mir zu Herzen spricht, durch eine Krankheit, die mich heimsucht; durch ein glückliches Ereignis, von dem ich ahne, dass es ein Geschenk Gottes ist.

 

Wachsein für dieses tägliche Kommen Gottes: Das ist ein geglückter Advent!

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Evangelium zum 1. Advent, Sonntag, 1.12.2002; (Mk 13,24-37) Lesejahr B

 

Jesus sprach zu seinen Jüngern:In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen;die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.

 

Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen.Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.

 

Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.

 

Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht.

 

Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft.

 

Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

 

Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.

 

Seht euch also vor, und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.

 

Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein.

 

Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen.

 

Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen.

 

Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

 

 

 


 

Weiterführende Informationen:

 

  • Mehr Informationen über Kardinal Schönborn.
  • Mehr Texte über die Heilige Schrift.

 

 

Fragen an Kardinal Schönborn?

 

  • per Video auf www.fragdenkardinal.at
  • an sein Sekretariat.

 

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