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07.08.2014

Hospizrektor: Gaza-Krieg hat "viel neuen Hass gesät"

Bugnyar rief zur Hilfe für die "österreichische" katholische Gemeinde zur Heiligen Familie im Gazastreifen auf, die vor Ort viel an Ersthilfe für die Kriegsbetroffenen leiste.

Bugnyar: Israel aufgrund zunehmender Spannungen gut beraten, Gaza-Einsatz "so schnell als möglich" zu beenden. Aufruf zur Unterstützung der katholischen Gemeinde in Gaza.

Der Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas hat in der Bevölkerung viele neue Wunden hinterlassen und auch die Hauptstadt Jerusalem in ein Pulverfass verwandelt, das jederzeit explodieren kann: Das hat Markus Stephan Bugnyar, Rektor des österreichischen Hospizes in Jerusalem, erklärt. Die Kirchen im Heiligen Land seien derzeit damit beschäftigt, ihre Kräfte zur Unterstützung vorhandener Hilfsangebote für die Opfer des Krieges zu bündeln. Ein "österreichisches" Projekt sei dabei die katholische Gemeinde zur Heiligen Familie in Gaza, die auf die Gründung durch einen Tiroler Priester zurückgehe.

 

Vor allem tote Zivilisten 

Nach vier Wochen Gaza-Krieg und etlichen nicht eingehaltenen Waffenruhen deuteten nun mehrere Hinweise darauf, "dass wir uns hoffentlich dem Ende der aktuellen Auseinandersetzung nähern", berichtete Bugnyar. Die seit Dienstagmorgen geltende, dreitägige Waffenruhe auf ägyptische Vermittlung scheine bisher zu halten, zudem sprächen für eine Entspannung mehrere Aufforderungen an Menschen in Gaza, wieder in ihre Häuser zurückzukehren oder die Aufhebung von Straßensperren, mit denen die israelische Armee das militärische Einsatzgebiet markiert hatte. Auch habe es am Dienstag weniger Raketenabschüsse aus dem Gazastreifen gegeben.

 

Waffenruhen erlaubten zwar bestenfalls eine Verschnaufpause und vorübergehende Rückkehr in den Alltag, machten jedoch nicht die Opfer des Krieges vergessen, betonte Bugnyar. 1.800 Tote und 7.000 Verletzte - der überwiegende Teil davon Zivilisten - gab es bisher laut Angaben auf Palästinenserseite. Israel hat über 60 Soldaten verloren, was laut Bugnyar zwar "in keiner Relation" stehe, für die israelische Gesellschaft dennoch "völlig inakzeptabel" und ein "schwerer Schock" sei: "Die Regierung bleibt Antworten auf viele Fragen schuldig, etwa ob der Einsatz nicht aus dem Ruder gelaufen ist, ob das Töten derart vieler Zivilisten notwendig war und wie es um die Sicherheit der Bevölkerung steht."

 

Aufbrechen der Gewaltspirale nötig

Die Probleme des Heiligen Landes seien mit dem Militäreinsatz noch gewachsen - "die Saat für neuen Hass ist ausgesät, wobei sich beide Seiten kaum etwas schuldig geblieben sind", so der Hospizrektor mit Verweis auf die Raketen und Bombardements sowie auf die mediale Kriegsführung, bei der zum Schüren von Emotionen auch auf gefälschte Bilder aus dem Gazastreifen gesetzt worden sei. Längst regten sich auch in Israel Proteste und Widerstände gegen den Krieg sowie Friedenskundgebungen auf beiden Seiten, die teilweise sogar von Israelis und Palästinensern gemeinsam durchgeführt wurden. In der "Hysterie und Panik" der jüngsten Vergangenheit sei dieser Aspekt jedoch völlig untergegangen.

 

Schema Schuld-Gegenschuld aufbrechen

 

Nachdenklich stimme ihn jedoch auch die öffentliche Wahrnehmung Israels im Ausland, so Bugnyar. "Viele nutzten die Gelegenheit, um Kritik an Israel zu erneuern, wobei es oft schwer ist, berechtigte Kritik an Vorkommnissen der vergangenen Wochen vom altbekannten Antisemitismus zu unterscheiden." Äußerungen mancher europäischer Politiker schienen "eher auf die jeweilige Innenpolitik gemünzt statt den Menschen im Heiligen Land tatsächlich zu helfen", was für den Hospizrektor die Notwendigkeit für die EU verdeutliche, in globalen Konflikten mit einer Stimme zu sprechen. "Das Schema Schuld-Gegenschuld, Gewalt-Gegengewalt muss aufgebrochen werden."

 

Die Weltpolitik sollte auf ihre Weise dazu beitragen, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser Sicherheit erfahren und in Wohlstand leben können, da in der Region laut Einschätzung des Hospizrektors erst dadurch dauerhafter Friede möglich sei. Dass sich Israels Außenminister Avigdor Lieberman am Sonntag für eine mögliche Übergabe der Verwaltung im Gazastreifen an die Vereinten Nationen ausgesprochen habe, sei "interessant, wenngleich politisch scheinbar noch nicht abgesprochen", so Bugnyars Einschätzung. Offensichtlich würden angesichts der durch die Blockadepolitik gewachsenen Opferbereitschaft der Gaza-Bewohner jedoch nun auch Regierungsmitglieder längerfristige Lösungen überlegen, "und bisher wurde nichts Besseres vorgeschlagen als die UNO-Truppen".

 

Jerusalem in extremer Anspannung

Fürs erste sei Israel allenfalls gut beraten, "so schnell wie möglich" den Einsatz im Gazastreifen ganz zu beenden, betonte Bugnyar, würden doch die sich im Westjordanland und Ostjerusalem sowie in den arabischen Gemeinden aufgestauten Frustrationen "nach Entladung schreien". "In Jerusalem ist die Stimmung extrem angespannt, denn obwohl die Bewohner nicht direkt betroffen sind, sorgen die Bilder und Schreckensnachrichten aus dem Gazastreifen dennoch für große Emotionalisierung." Auch ohne direkte familiäre Bindungen würden sich die Palästinenser als ein Volk wahrnehmen, zu dem auch die Gaza-Bewohner zählten.

 

Wunsch nach Solidarität und Hilfe

In Folge steige mit der Dauer des Krieges nicht nur der Wunsch vieler nach Solidarität und Hilfeleistung, sondern auch die Angst. "Die Massendemonstrationen, Ausschreitungen, Schlägereien und zuletzt das Attentat vom Montag zeigten, dass die Frustration in Ostjerusalem sehr groß ist und jederzeit in Gewalt umschlagen und eskalieren kann", so Bugnyar. Nach Handgreiflichkeiten würden manche Palästinenser in Jerusalem die Benutzung der Straßenbahn meiden oder die Straßenseite wechseln, wenn israelische Jugendliche entgegenkommen. Umgekehrt gebe es Israelis, die ihren arabischen Mitarbeitern nicht mehr trauten.

 

Auch der Alltag im österreichischen Pilgerhospiz, das direkt in der Jerusalemer Altstadt an der Via Dolorosa gelegen ist, sei längst von den Geschehnissen eingeholt worden, so der Rektor der Einrichtung. "Viele Gäste haben angesichts der Situation abgesagt, einige sind dennoch gekommen. Wir suchen nach Möglichkeiten, die Mitarbeiter zu halten und ihnen das volle Einkommen weiter zu bezahlen, um ihr Auskommen zu ermöglichen, was derzeit dringender denn je ist." Einige notwendige, für später geplante Renovierungsarbeiten im Haus seien aus diesem Grund bereits vorgezogen worden.

 

Österreichische Gemeinde in Gaza

Bugnyar rief zur Hilfe für die "österreichische" katholische Gemeinde zur Heiligen Familie im Gazastreifen auf, die vor Ort viel an Ersthilfe für die Kriegsbetroffenen leiste. Sie gehe auf eine Missionsstation zurück, die ein früherer Rektor des österreichischen Hospizes in Jerusalem, der Tiroler Georg Gatt, Ende des 19. Jahrhunderts gegründet hatte. Die Gemeinde betreibt heute u.a. Schulen und einen Kindergarten für muslimische und christliche Kinder und Jugendliche, beherbergt Niederlassungen mehrerer Ordensgemeinschaften und wurde durch die jüngsten Raketeneinschläge in direkter Nachbarschaft auch selbst in Mitleidenschaft gezogen.

 

Die katholische Gemeinde im Gaza leiste im aktuellen Militärkonflikt den Betroffenen vor Ort Hilfe, wo dies nur möglich sei, habe ihr Schulzentrum und den Kindergarten für Flüchtlinge als Unterkunft geöffnet, versorge sie und ermögliche auch medizinische Hilfe. Derzeit fehle es in Gaza jedoch selbst am Grundlegendsten, und vielfach könne schon der kleinste Handgriff helfen. "Da viele Trinkwasser-Strukturen nicht mehr existieren und sauberes Leitungswasser fehlt, beteiligen wir uns auch an einer Aktion, bei der Wasserflaschen im Westjordanland gekauft und mit UN-Containern in den Gazastreifen gebracht wird", berichtete Bugnyar.

 

Der Orden der Grabesritter in Österreich, dem auch Bugnyar angehört, pflege aufgrund der Vorgeschichte der Gaza-Gemeinde schon seit Jahrzehnten eine enge Verbindung zu der Pfarre und habe hier etwa an der Errichtung des Schulgebäudes mitgewirkt, so der aus dem Burgenland stammende Priester. Nachdem sich einer Verlagerung der Tätigkeiten auf das Westjordanland zeige sich nun, dass die Aufgaben im Gazastreifen weitergehen müssten. Bugnyar: "Wenn wir in der Hilfe Kräfte bündeln wollen, so ist die Unterstützung der österreichischen Gemeinde im Gaza die sinnvollste Möglichkeit dazu."

erstellt von: KAP (7.8.2014)
07.08.2014
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Spendeninformationen:

Österreichisches Hospiz

 

Bankhaus Schelhammer und Schattera

IBAN: AT951919000100150127

BIC/SWIFT: BSSWATWW

Kennwort: Gaza

 


 

Österreichisches Hospiz zur Heiligen Familie

(Austrian Hospice)
Via Dolorosa 37
P.O.B. 19600
91194 Jerusalem

Homepage: www.austrianhospice.com
Tel. Rezeption: 00972 / 2 / 626 58 00

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