Unschuldige büßten für die Verbrechen der Nationalsozialisten, vor allem Frauen und Kinder.
Unschuldige büßten für die Verbrechen der Nationalsozialisten, vor allem Frauen und Kinder.
Auf dem Brünner Todesmarsch in Richtung Wien starben vor 70 Jahren 5.200 Menschen, die in Massengräbern entlang der Strecke beerdigt wurden.
Es war der Vorabend zum Fronleichnamstag 1945, als alle deutschsprachigen Bewohner Brünns und seiner Umgebung aus ihren Häusern und Wohnungen geholt und auf Plätzen zusammengetrieben wurden. 15 Kg Gepäck durften pro Person mitgenommen werden.
27.000 Menschen, darunter vor allem Frauen, Kinder sowie alte und kranke Menschen, mussten in den frühen Morgenstunden des 31. Mai 1945, angetrieben von Partisanen und Arbeitern der Brünner Waffenwerke einen Marsch in Richtung österreichische Grenze antreten, der sich für viele als Todesmarsch erweisen würde.
Der Fronleichnamstag wurde unglaublich heiß. Entkräfteten zu Trinken zu geben, wurde verweigert. Viele warfen ihre Koffer weg, um besser voranzukommen.
Die Kolonne zu verlassen, war verboten, Kranke und Erschöpfte blieben auf der Straße liegen. Der Marsch führte über Pohrlitz (ca. 25 Kilometer südlich von Brünn) in Richtung österreichische Grenze.
Die Einreise in das von den Sowjets besetzte Niederösterreich wurde zunächst verweigert, die Menschen mussten bei Pohrlitz im Freien und in Getreidehallen lagern.
Allein dort kamen durch ausbrechende Seuchen, Entkräftung und Erschießung Hunderte Menschen zu Tode, die in Massengräbern beerdigt wurden.
Insgesamt starben beim Brünner Todesmarsch 5.200 Menschen, die entlang der Wegstrecke bis Wien in Massengräbern oder auf Friedhöfen beerdigt wurden.
„Ich kann mich sehr wohl an diese Vertreibung erinnern“, sagt Domdekan Karl Rühringer im Gespräch mit dem „Sonntag“. Seine Familie stammt aus Südmähren.
Rühringer war fünf Jahre alt, als seine Eltern „alles, was man auf einen Truhenwagen aufladen konnte – etwas zu Essen, Wäsche, Dokumente“ zusammenpackten.
„Ich werde nicht vergessen, wie meine Mutter noch einmal ins Haus gegangen ist, das Kreuz von der Wand genommen hat und oben drauf gelegt hat.“
Die Vertriebenen waren vollkommen rechtlos. „An der Grenze wurde uns noch einmal alles genommen, was den Tschechen gefallen hat“, erinnert sich Rühringer.
Die Familie kommt in Bernhardsthal, wo der Onkel Pfarrer ist, unter. Acht Personen leben über sechs Jahre lang in einem Raum.
Der Brünner Todesmarsch gilt als Spitze des Eisbergs der „wilden Vertreibungen“ aus der Tschechoslowakei im Jahr 1945.
Insgesamt wurden bis 1946 drei Millionen Deutsche auf tschechischen Gebieten enteignet und zwangsausgesiedelt. Die Zahlen der Todesopfer im Zuge der Vertreibungen sind umstritten (30.000 bis 270.000).
Hinter den Zahlen stehen konkrete menschliche Schicksale: „Mein Großvater war in Südmähren ein wohlhabender Bauer gewesen und musste dann hier als Knecht arbeiten“, erzählt Karl Rühringer.
Ausgesiedelte seien in deutschen Städten wie auf Menschenmärkten ausgestellt worden. „Alleinstehende Frauen mit vielen Kindern hatten kaum eine Chance, irgendwo aufgenommen zu werden.“
Seit 1988 gibt es alljährlich das Gebet an der Grenze in den Dekanaten Retz und Znaim. „Da kommen 300 bis 450 Personen auf einem Berg zusammen, um gemeinsam zweisprachig Gottesdienst zu feiern“, berichtet Karl Rühringer.
2015 gedenkt erstmals das offizielle Brünn der Opfer des Todesmarsches. Auf tschechischer Seite sind es vor allem junge Menschen, die wissen wollen, was damals passiert ist.
Die wilden Vertreibungen, lange ein Tabu, werden immer häufiger in Büchern und Filmen zum Thema gemacht. Eine Vergebungsbitte wird auf Seiten der Opfer erhofft. „Kleine Schritte in diese Richtung gibt es schon“, sagt Karl Rühringer.
in der Deutschordenskirche (Singerstraße 7, 1010 Wien)
Domdekan Karl Rühringer feiert um 15 Uhr mit der „Bruna-Wien“ einen Gottesdienst im Gedenken an die Opfer des Brünner Todesmarsches.
Im Eingangsbereich der Kirche befindet sich seit 1989 eine Tafel in Erinnerung an die Opfer.
Weitere Infos/Termine unter www.sudeten.at