KMA-Dreigestirn: „Medienbischof“ Kardinal Christoph Schönborn, Generalsekretär Gerhard Tschugguel, ORF Generalintendant i.R. Gerhard Weis
KMA-Dreigestirn: „Medienbischof“ Kardinal Christoph Schönborn, Generalsekretär Gerhard Tschugguel, ORF Generalintendant i.R. Gerhard Weis
Im August, vor genau 50 Jahren, begann Gerhard Weis beim ORF. Seine Reformen in Radio und TV veränderten den Österreichischen Rundfunk und die österreichische Medienlandschaft nachhaltig.
Gerhard Weis streift sich weiße Glace-Handschuhe über: Nun darf er in Handschriften aus dem Frühmittelalter blättern. Der Zutritt zu den Schätzen der Melker Stiftsbibliothek ist Außenstehenden nicht gestattet.
Für den ehemaligen ORF-Generalintendanten Gerhard Weis macht das Stift aber eine Ausnahme. Seit Jahrzehnten nimmt Weis hier an Exerzitien teil. Auch seine Goldene Hochzeit feierte er im Benediktinerstift.
Über seine Beziehung zu Melk erzählt Gerhard Weis im Arbeitszimmer seines Hauses in Wien-Hietzing. Er trägt an diesem heißen Sommertag eine kurze Hose und ein rotes Polo-Shirt. Der 78-jährige liest gerne und ist stolz auf seine Bibliothek. Im Bestand sind Biografien von historischen Persönlichkeiten, wie des Prinz Eugen, ebenso wie Sachbücher und Belletristik.
„Meine angeborene Neugier hat mir den Weg gezeigt.“, kommentiert Gerhard Weis seine Liebe zum Journalismus. Gerne zitiert er seinen einstigen Chemieprofessor: „Wer weiß, ob´s wahr ist und wenn´s wahr ist, ob´s wirklich wahr ist.“
Der Berufseinstieg erfolgte 1957: Statt eines hoch dotierten Praktikums bei den Casinos Austria, entscheidet er sich für ein Volontariat bei der Wiener Zeitung. Weis arbeitet fortan für mehrere Zeitungen, etwa die katholische Wochenzeitung „Der Volksbote.“
1966 gewinnt er mit Hugo Portisch den Karl-Renner-Preis für Recherchen zum Thema Flucht und Abschiebung. Das Preisgeld habe ich in eine Waschmaschine investiert, erzählt Weis und zündet sich eine Zigarette an. „Bis dahin hat meine Frau die Windeln in einem großen Topf gekocht.“ Weis ist vierfacher Vater und siebenfacher Großvater, wie er stolz berichtet.
Jener Preis ist es auch, der ihm am 03. August 1967, vor genau 50 Jahren, den Einstieg in den ORF ermöglicht. Als Innenpolitikredakteur erwirbt er sich den Ruf eines „harten Interviewers“. Solche Zuschreibungen lehnt Weis noch heute vehement ab. „Es gibt nur echte oder unechte Interviews.“
Ihm geht es um kritische Auseinandersetzung: „Kritisch heißt nicht nur, gegen etwas zu sein, sondern zwischen Lüge und Wahrheit, Wichtig und Unwichtig, Sinnvoll und Sinnlos unterscheiden zu können.“
Von 1974 bis 1978 ist Gerhard Weis Fernsehintendant von FS1, heute ORF 1. Kultserien, wie „Dorf an der Grenze“, „Kottan ermittelt“ und „Alpensaga“ entstehen unter seiner Ägide.
Doch er stößt auch auf Kritik. So kritisierte die Katholische Kirche, dass erstmals im Fernsehen eine Eucharistiefeier zu sehen war. Für den Privatmenschen Gerhard Weis spielt Glaube eine entscheidende Rolle. Sein Mantra: „Hilft dir selbst, dann hilft dir Gott.“
Wer vor 1992 Radio Wien aufdrehte, hörte Wienerlieder und Schlager. Die Hörzahlen waren niedrig. Gerhard Weis, damals Chef des Landesstudio Wiens, reformiert das Sorgenkind. „Ich wollte ein Großstadtradio machen.“ Statt Schmalz setzt er auf Hits und Oldies. Nach anfänglichen Protesten steigen die Hörerzahlen. Auch an der Reform von Ö3 in den 90ern ist Weis maßgeblich beteiligt.
Vom Hörfunkchef und Generalsekretär in Personalunion, steigt Gerhard Weis 1998 zum ORF-Generalintendant auf. „Mit mir hat keiner gerechnet, ich musste keine Wahlkapitulationen eingehen.“ Das zeigt sich an einem Treffen mit dem ehemaligen SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima. „Wo bleiben wir?“, fragt Klima: Denn in der ORF-Führungsriege ist kein Sozialdemokrat zu finden. Er fordert daher mindestens einen roten Generalsekretär. Der Kompromiss: Der Posten wird eingespart. Beide Seiten wahren ihr Gesicht.
Die Karriere als ORF-General endet nach drei Jahren abrupt. Weis will weiter nicht auf politische Forderungen eingehen. Er wird von Monika Lindner abgelöst. Im Jahr 2002 geht er in Pension.
Langweilig ist dem passionierten Tarockierer bis heute nicht: So ist er seit 2003 journalistischer Leiter der Katholischen Medien Akademie, Aufsichtsratspräsident der Vereinigten Bühnen Wiens und Vorsitzender des Programmbeirats von ORF III.
Zeit für Hobbies, wie Lesen bleiben ihm „viel zu wenig“. Das liegt auch daran, dass ihm Familie, Freunde sowie einstige Mitarbeiter am Herzen liegen. Sie besuchen ihn in seinem Haus nahe dem Küniglberg.
zur Person
Gerhard Weis
Ab August 1967 bei ORF: Redakteur
1971 Leiter Öffentlichkeitsarbeit
1974 – 1978 Intendant FS 1
1978 – 1992 Leiter Unternehmensplanung: Teletext, Gründung 3-Sat, Minderheiten-
Redaktion, Rundfunk Regionalisierung.
1992 Intendant Studio Wien: Radio Wien Neu
1994 Hörfunkintendant
Ab 1997 zusätzlich ORF Generalsekretär
1998 bis zur Pension 2002: Generalintendant
Ab 2003 ehrenamtlicher Journalistischer Leiter der Katholischen Medien Akademie
weitere Informationen zu
E-Mail-Adresse: redaktion@dersonntag.at