"Ich bin sicher, dass wir eine Renaissance des Marxismus erleben werden", so Kardinal Marx.
"Ich bin sicher, dass wir eine Renaissance des Marxismus erleben werden", so Kardinal Marx.
Dringend notwendig, Idee der sozialen Marktwirtschaft weltweit umzusetzen.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erwartet ein Wiedererstarken des Marxismus und plädiert für eine Zähmung des globalen Kapitalismus. Der "Welt am Sonntag" am 23. Dezember 2017 sagte der Erzbischof von München und Freising: "Ich bin sicher, dass wir eine Renaissance des Marxismus erleben werden. Marx hatte in einigen Bereichen in der Analyse durchaus recht, etwa was er über die Akkumulation des Kapitals und den Warencharakter der Arbeit sagte."
Der Kapitalismus habe in den vergangenen Jahrzehnten viele negative Folgen gehabt und zu einem massiven Gefühl der Verbitterung geführt. "Wir haben diesen Prozessen - besonders nach der Wende 1989 - freien Lauf gelassen. Johannes Paul II. hat schon 1991 gesagt: Wenn der Kapitalismus nicht die Fragen der Gerechtigkeit löst, dann werden die alten Ideologien wiederkommen. Das gilt bis heute."
Marx betonte, es sei dringend notwendig, die Idee der sozialen Marktwirtschaft weltweit umzusetzen. Deutschland habe die soziale Marktwirtschaft nach 1945 eingeführt und große soziale Erfolge erzielt. "Nun geht es darum, ein vergleichbares globales Rahmenwerk zu schaffen und Institutionen, die dafür eintreten." Notwendig sei eine neue Verantwortlichkeit auf der internationalen Ebene. "Das ist sehr schwierig, aber dennoch nötig. Das Pariser Klimaabkommen war ein solcher Versuch."
Die Ehe darf der Staat nach Auffassung des DBK-Vorsitzenden nicht einfach umdefinieren. "Die Ehe sollte auf die Beziehung zwischen Mann und Frau bezogen bleiben", sagte Marx. Sie sei eine Verbindung von Mann und Frau und auf Weitergabe des Lebens ausgerichtet; das habe bislang auch das Bundesverfassungsgericht immer so gesehen.
Die Ehe sei älter als der Staat und "gewissermaßen die Voraussetzung dafür, dass es den Staat überhaupt gibt", fügte Marx hinzu. Dies bedeute keine Diskriminierung von Lebenspartnerschaften.
Im Zusammenhang mit der Debatte um Leihmutterschaft, Eizellspende und Elternschaft warnte der Kardinal davor, "dass man das Kind in solchen Debatten zum Produkt macht und dass es angeblich ein Recht auf ein Kind gibt". Es würden Wege und Mittel eingesetzt, um dieses angebliche Recht umzusetzen. "Das Kind wird zum Objekt. Das verletzt die Menschenwürde. Niemand hat ein Recht auf ein Kind", sagte er.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat sich in der "Welt am Sonntag" erneut gegen eine menschenunwürdige Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen ausgesprochen. "Es können nicht in jedem Jahr eine Million Menschen zu uns kommen", sagte der Münchner Erzbischof. "Die für uns entscheidende Frage aber ist, wie man nun in humanitärer und menschenrechtlich akzeptabler Weise vorgeht."
Zu einer wirksamen Politik zählt Marx eine stärkere Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Migranten. "Weiterhin dürfen die Grenzen der EU keine Grenzen des Todes sein wie auf dem Mittelmeer. Niemand darf in eine Situation von Krieg und Verfolgung zurückgeschickt werden." Wer an die EU-Außengrenzen komme, müsse menschenwürdig behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten.
Auf die Frage nach stärkeren Grenzkontrollen sagte der Kardinal, niemand wünsche sich eine Wiederholung der Situation von 2015. Die Kirche habe sich nie gegen Grenzkontrollen ausgesprochen.
Den Vorwurf, die Kirche habe in der Flüchtlingsfrage zu stark moralisiert, wies Marx zurück. "Das Moralisieren ist die Aufgabe der Kirche", sagte er. "Wir haben immer zu fragen, was gutes, wertebezogenes Handeln ist." Er könne keine "Hypermoral" darin erkennen, Menschen nicht einfach ins syrische Kriegsgebiet zurückzuschicken. "Alle sagen doch immer, dass unsere Gesellschaft Werte braucht. Diese sollten wir gerade auch dann ernst nehmen, wenn es um die Schwächsten geht. Ohne Moral gibt es keine Werte."
Zweifel an der Existenz Gottes sieht Marx, wie er weiter sagte, als "menschlich" an. "Wie sollen wir uns Gott vorstellen? Wie seinen Willen verstehen?", sagte er der "Welt am Sonntag". Menschen könnten sich von Gott gar keine Vorstellung machen. "Aber wir haben einen Anhaltspunkt, den er selbst uns gibt: das Kind in Bethlehem, der Mann aus Nazareth. Alles, was zu ihm passt, was in seine Richtung geht, das bringt uns in die Nähe Gottes. Das ist Christentum."
Ihn selbst habe 2010 das Bekanntwerden zahlreicher Missbrauchsfälle in der deutschen Kirche zutiefst verunsichert, räumte der Erzbischof ein. "Ich hatte mir einfach nicht vorstellen können, welche Dimension das besaß." Damals hätten ihn große Zweifel überfallen - "nicht an der Existenz Gottes, aber an dem, was ich mir unter Kirche vorgestellt hatte. Und ich fragte mich: Gott, wo bist du?"