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24.09.2013

6-Stunden-Interview mit Papst Franziskus

"Aber wenn ich nach Rom kam, habe ich immer in der Via Scrofa gewohnt. Von dort besuchte ich oft die Kirche San Luigi dei Francesi; dorthin ging ich, um das von Caravaggio gemalte Bild von der Berufung des hl. Matthäus zu betrachten.“

 

„Dieser Finger Jesu, der auf Matthäus weist - so bin ich, so fühle ich mich, wie Matthäus.“ Und hier wird der Papst entschieden, so als hätte er das Bild von sich, nach dem er suchte, erfasst: „Es ist die Geste des Matthäus, die mich betroffen macht: Er packt sein Geld, als wollte er sagen: ,Nein, nicht mir, nicht mir gehört dieses Geld! Siehe, das bin ich: ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.‘ Und das habe ich gesagt, als sie mich fragten, ob ich meine Wahl zum Papst annehme.“

Franziskus im Gespräch mit Jesuit P. Spadaro: "Was die Kirche heute braucht, ist die Fähigkeit, die Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen - Nähe und Verbundenheit."

Radio Vatikan und Jesuitenzeitschriften in vielen Sprachen - darunter "Stimmen der Zeit" (München) - haben am Donnerstag, 19. September zeitgleich ein 29 Seiten langes, in sechs Stunden aufgenommenes Interview von Papst Franziskus veröffentlicht, in dem er über sein Leben als Papst, Entscheidungen, Gebet und seine jesuitische Prägung spricht, aber sich auch erstaunlich offen zu den "heißen Eisen" der medialen Öffentlichkeit äußert. Das Papst-Interview führte der Chefredakteur der italienischen Zeitschrift des Ordens "Civilta Cattolica", P. Antonio Spadaro SJ. Franziskus gehört selbst den Jesuiten an. Hier einige Ausschnitte.

 

Eine verkündigende Kirche

„Statt nur eine Kirche zu sein, die mit offenen Türen aufnimmt und empfängt, versuchen wir, eine Kirche zu sein, die neue Wege findet, die fähig ist, aus sich heraus und zu denen zu gehen, die nicht zu ihr kommen, die ganz weggegangen oder die gleichgültig sind. Die Gründe, die jemanden dazu gebracht haben, von der Kirche wegzugehen - wenn man sie gut versteht und wertet - können auch zur Rückkehr führen. Es braucht Mut und Kühnheit."

 

Kirchenreform

Die Diener der Kirche müssen barmherzig sein, sich der Menschen annehmen, sie begleiten - wie der gute Samariter, der seinen Nächsten wäscht, reinigt, aufhebt. Das ist pures Evangelium. Gott ist größer als die Sünde. Die organisatorischen und strukturellen Reformen sind sekundär, sie kommen danach. Die erste Reform muss die der Einstellung sein. Die Diener des Evangeliums müssen in der Lage sein, die Herzen der Menschen zu erwärmen, in der Nacht mit ihnen zu gehen. Sie müssen ein Gespräch führen und in die Nacht hinabsteigen können, in ihr Dunkel, ohne sich zu verlieren. Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatskleriker. Die Bischöfe speziell müssen Menschen sein, die geduldig die Schritte Gottes mit seinem Volk unterstützen können, so dass niemand zurück bleibt. Sie müssen die Herde auch begleiten können, die weiß, wie man neue Wege geht.“

 

Als Jesuit Papst sein: Unterscheidung

„Die Unterscheidung ist eines der Anliegen, die den heiligen Ignatius innerlich am meisten beschäftigt haben. ...

Man kann große Projekte haben und sie verwirklichen, indem man auf wenige kleine Dinge als Grundlage setzt. Oder man kann schwache Mittel einsetzen, die sich als wirkungsvoller erweisen als die starken, sagt auch der heilige Paulus im ersten Korintherbrief."
„Diese Unterscheidung braucht Zeit. Viele meinen zum Beispiel, dass Veränderungen und Reformen kurzfristig erfolgen können. Ich glaube, dass man immer genügend Zeit braucht, um die Grundlagen für eine echte, wirksame Veränderung zu legen. Und das ist die Zeit der Unterscheidung."

 

Kirche, Volk Gottes

„Das Bild der Kirche, das mir gefällt, ist das des heiligen Volkes Gottes. Die Definition, die ich oft verwende, ist die der Konzilserklärung ‚Lumen gentium' in Nummer 12. Die Zugehörigkeit zu einem Volk hat einen großen theologischen Wert: Gott hat in der Heilsgeschichte ein Volk erlöst. Es gibt keine volle Identität ohne die Zugehörigkeit zu einem Volk. Niemand wird alleine gerettet, als isoliertes Individuum. Gott zieht uns an sich und betrachtet dabei die komplexen Gebilde der zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich in der menschlichen Gesellschaft abspielen. Gott tritt in diese Volksdynamik ein."

 

Gebet

„Ich bete jeden Morgen das Offizium. Ich bete gern mit den Psalmen. Dann feiere ich die Messe. Ich bete den Rosenkranz. Was ich aber vorziehe, ist die abendliche Anbetung - auch wenn ich zerstreut bin oder an Anderes denke oder sogar beim Beten einschlafe. Also abends von sieben bis acht bin ich vor dem Allerheiligsten für eine Stunde der Anbetung. Aber ich bete auch im Geist, wenn ich beim Zahnarzt warte oder bei anderen Gelegenheiten am Tag."

 

 

 

Die "heißen Eisen", die in den Zeitungen und Zeitungen zu lesen waren, hat Papst Franziskus im Rahmen des Interviews ebenso angesprochen:

 

 

"Man muss nicht endlos davon sprechen"

"Wir können uns nicht nur mit der Frage um die Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit den Verhütungsmethoden: Das geht nicht. Ich habe nicht viel über diese Sachen gesprochen. Das wurde mir vorgeworfen. Aber wenn man davon spricht, muss man den Kontext beachten. Man kennt ja übrigens die Ansichten der Kirche, und ich bin ein Sohn der Kirche. Aber man muss nicht endlos davon sprechen", sagt der Papst in dem Interview.

 

Er spricht sich auch gegen eine moralische Verurteilung von Homosexuellen in der katholischen Kirche aus. In seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires habe er Briefe von Homosexuellen bekommen, die sich von der Kirche verurteilt gefühlt hätten. Es dürfe keine "spirituelle Einmischung in das persönliche Leben geben", so Franziskus. Die Religion habe zwar das Recht, "die eigene Überzeugung im Dienst am Menschen auszudrücken", Gott habe die Menschen in der Schöpfung jedoch "frei" gemacht. Zugleich bekräftigt der Papst seine Treue zur Morallehre der katholischen Kirche.

 

Konzentration auf Glaubensverkündigung

"Die Lehren der Kirche - dogmatische wie moralische - sind nicht alle gleichwertig. Eine missionarische Seelsorge ist nicht davon besessen, ohne Unterscheidung eine Menge von Lehren aufzudrängen. Eine missionarische Verkündigung konzentriert sich auf das Wesentliche, auf das Nötige. Das ist auch das, was am meisten anzieht, was das Herz glühen lässt - wie bei den Jüngern von Emmaus. Wir müssen also ein neues Gleichgewicht finden, sonst fällt auch das moralische Gebäude der Kirche wie ein Kartenhaus zusammen, droht, seine Frische und den Geschmack des Evangeliums zu verlieren. Die Verkündigung des Evangeliums muss einfacher sein, tief und ausstrahlend. Aus dieser Verkündigung fließen dann die moralischen Folgen", so Papst Franziskus.

 

Er weist zudem darauf hin, dass er mit seiner Äußerung zur Homosexualität während des Rückflugs vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro Ende Juli lediglich bekräftigt habe, was im Weltkatechismus stehe. Damals hatte Franziskus mit der Aussage Aufsehen hervorgerufen, dass er eine homosexuelle Person, die guten Willens sei und Gott suche, nicht verurteilen könne.

 

Er sei einmal gefragt worden, ob er Homosexualität billige, berichtet er dem Interview weiter. Daraufhin habe er sein Gegenüber gefragt, ob Gott eine homosexuelle Person mit Liebe anschaue oder sie verurteile oder zurückweise. Franziskus hebt hervor, dass im Mittelpunkt stets die Person stehen müsse.

 

Vatikanische Behörden keine "Zensurstellen"

Franziskus spricht sich in dem Interview auch für eine stärkere Stellung der Bischofskonferenzen gegenüber dem Vatikan aus. Es sei "eindrucksvoll", die Anklagen wegen Mängeln an Rechtgläubigkeit, die in Rom einträfen, zu sehen. Kurienbehörden dürften jedoch keine "Zensurstellen" sein. Solche Fälle würden "besser an Ort und Stelle" von den jeweiligen Bischofskonferenzen untersucht. Die vatikanischen Stellen seien "Einrichtungen des Dienstes" und nicht "autonom", hebt Franziskus hervor. Sie müssten als Vermittler auftreten und den Ortskirchen oder den Bischofskonferenzen helfen.

 

Mitspracherecht von Frauen ausweiten

Die Mitspracherechte für Frauen in der katholischen Kirche sollen nach Meinung des Papstes ebenfalls ausgeweitet werden. "Die Räume einer einschneidenden weiblichen Präsenz in der Kirche müssen weiter werden", sagt er. Die katholische Kirche stehe heute vor der Herausforderung, über den "spezifischen Platz der Frau" nachzudenken. Das gelte "gerade auch dort, wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird".

 

Der Papst deutete an, dass eine größere Rolle von Frauen nicht automatisch einen Zugang zu Weiheämtern bedeute. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass Frauen eine andere Persönlichkeitsstruktur hätten als Männer. Er warnte vor einer "Männlichkeit im Rock". Die Gottesmutter Maria etwa sei zwar wichtiger als einzelne Bischöfe, erläuterte Franziskus. Man dürfe aber nicht Funktion und amtliche Würden verwechseln. Der Papst rief abermals dazu auf, eine "gründliche Theologie der Frau" zu erarbeiten, um die Funktion der Frau innerhalb der katholischen Kirche weiter zu klären.

 

"War autoritär, aber nie einer von den 'Rechten'"

Nach eigenen Worten habe er nie zum rechten Flügel innerhalb der katholischen Kirche gezählt, so der Papst. Seine "autoritäre und schnelle Art", Entscheidungen zu treffen, habe ihm während seiner Zeit als Ordensoberer der Jesuiten in Argentinien zwar "ernste Probleme und die Beschuldigung eingebracht, ultrakonservativ zu sein", sagt Franziskus im Interview. Doch auch wenn er sicher nicht die "heilige Imelda" gewesen sei, sei er "nie einer von den 'Rechten' gewesen.

 

Der Papst bekennt, dass sein Führungsstil anfangs viele Mängel gehabt habe. Ihn mit nur 36 Jahren an die Spitze seines Ordens in Argentinien zu berufen, bezeichnet er als "Verrücktheit". Er habe in dieser Zeit eine "große innere Krise" durchgemacht. Der heutige Papst leitete von 1973 bis 1980 die argentinische Ordensprovinz der Jesuiten.

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Das gesamte Interview in den Jesuitenzeitschriften:

Das Originalinterview ist auf Italienisch.

 

Das vollständige Interview auf Deutsch finden Sie hier.

 

Und zuletzt noch eine englische Version aus Amerika.

Nachrichten

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Kirche und Medien tragen gemeinsam Verantwortung für Wahrheit, betonte der designierte Wiener Erzbischof Josef Grünwidl bei der Adventbegegnung mit ORF-Mitarbeitern.

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