Das Evangelium lehrt uns, unser eigenes Gewissen zu prüfen.
Das Evangelium lehrt uns, unser eigenes Gewissen zu prüfen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 26. Sonntag im Jahreskreis,
28. September 2008 (Mt 21,28-32)
Die Antwort ist klar: Tun ist wichtiger als Reden! Das wissen wir alle. Nicht was vor der Wahl gesagt, sondern was nach der Wahl getan wird, ist entscheidend. Worte sind leicht gesagt, Taten schon viel schwerer getan. Worte können täuschen, Taten nicht. Darum ist es so wichtig, mehr auf das Tun als auf das Reden zu achten.
Ist es „Zufall“, dass das heutige Evangelium auf den Wahltag in unserem Land fällt? Ja und nein. Das Evangelium ist immer aktuell. Regierungen kommen und gehen. Das Evangelium bleibt. Nein, es behandelt nicht tagespolitische Themen, es ist nicht schlagzeilenträchtig. Und es betrifft nicht zuerst die anderen, sondern mich und dich, ganz persönlich. Das Evangelium eignet sich nicht für den parteipolitischen Kampf, den es immer geben wird. Es ist ein Wort, das jeden von uns vor die Entscheidung stellt, zeitlos gültig, und täglich ganz neu.
Heute, am Wahltag, stellt es mir die Frage: Bist du ein Ja-Sager, oder ein Nein-Tuer? Schimpfe nicht über die Politiker und ihre Wahlversprechungen, von denen wir alle wissen, dass die Worte vor der Wahl größer sind als die Taten, die nach der Wahl folgen (können). Schauen wir lieber, im Spiegel des Evangeliums, auf unser eigenes Leben. Welchem der beiden Söhne gleichst du? Gleiche ich? Dem, der gleich „Ja, Herr“ sagt? Und der dann doch die Arbeit nicht tut. Oder dem, der frank und frei sagt: „Ich will nicht“? Und dem es dann leid tut, und der dann doch in den Weinberg arbeiten geht.
Wem bin ich ähnlicher? Mir stellt Jesus heute diese Frage. Er stellt sich auch den wahlwerbenden Politikern, die ja Menschen sind wie du und ich und die genauso wie jeder andere vor den letzten Gewissensfragen stehen, wenn sie „im stillen Kämmerlein“ vor ihrem Gott alleine sind.
Das Evangelium lehrt uns, unser eigenes Gewissen zu prüfen. Aber wenn Jesus anklagt, so tut er es anders als in den gegenseitigen Beschuldigungen, wie sie nicht nur in Wahlkampfzeiten unter uns üblich sind. Jesu scharfe Worte wollen uns aufwecken, aus unseren Vorurteilen herausreißen: „Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr!“ Das sagt Jesus denen, die sich für besonders gut und fromm halten.
Ihnen sagt er: Ihr redet, aber ihr tut nicht! Ihr behauptet, Gottes Willen zu tun, aber eure Taten zeigen etwas ganz anderes. Die Prostituierten können von sich nicht behaupten, den Willen Gottes zu tun. Aber wie viele von ihnen haben echte Reue, tun trotz ihres „Berufes“ mehr Gutes als ihr!
Die Dirnen haben der Bußpredigt des Johannes des Taufers Gehör geschenkt. Sie haben sich berühren, bewegen lassen, sind umgekehrt, haben ihr Leben geändert. Und was ist mit euch? Was ist mit dir, der du auf die Dirnen herunterschaust und dir besser vorkommst? Oder der du über die Politiker, die „Zöllner“ unserer Tage, schimpfst und sie verachtest. Bist denn du bereit, dein Leben zu ändern und Gottes Gebote ernster zu nehmen?
Mit seinem Verhalten hat Jesus damals bei vielen Ärgernis erregt. Es würde ihm heute nicht besser gehen. Weil er uns alle liebevoll, aber unerbittlich daran erinnert: Aufs Tun kommt es an, nicht auf die schönen Worte!
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Was meint ihr?
Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg! Er antwortete: Ja, Herr!, ging aber nicht.
Da wandte er sich an den zweiten Sohn und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn, und er ging doch.
Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der zweite.
Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, das sage ich euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.
Denn Johannes ist gekommen, um euch den Weg der Gerechtigkeit zu zeigen, und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen, und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.