Für uns alle hat er sein Blut vergossen, für Juden, Christen und für alle Menschen. Das feiern wir, wenn wir den Wein in der Messe erheben
Für uns alle hat er sein Blut vergossen, für Juden, Christen und für alle Menschen. Das feiern wir, wenn wir den Wein in der Messe erheben
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am 27. Sonntag im Jahreskreis,
5. Oktober 2008 (Mt 21,33-44)
Die Weinlese ist weitgehend vorbei. Möge nun der Wein gut gedeihen, für einen maßvollen und herzhaften Genuss der „Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit“, wie es in der Heiligen Messe heißt.
Die biblische Welt, und damit die Welt Jesu und seiner Jünger ist mit dem Weinbau wohlvertraut. In der jüdischen Religion ist der Wein ein wichtiger Teil des religiös geprägten Mahles. Beim feierlichen Ostermahl, beim so genannten Seder, zu Pessach, sind gleich vier Becher Wein vorgesehen, jeweils mit eigenen Gebeten. Als Jesus in Jerusalem sein letztes Pessachmahl mit seinen Aposteln hielt, sprach er über dem Segensbecher jene Worte, die bis heute das Herz der Heiligen Messe sind: „Das ist der Kelch des Neuen und Ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird ...“ Der Wein, in Jesu Blut gewandelt, ist deshalb überall auf der Welt, wo Messe gefeiert wird, ein wesentlicher Teil des christlichen Lebens.
Kein Wunder, dass Jesus oft das Bild des Weinbergs gebraucht, um seine Botschaft zu verdeutlichen. Alle Seine Zuhörer wissen genau, wovon Er spricht. Schon im Alten Bund war es üblich, dass die Propheten vom Gottesvolk, von den Juden, als dem Weinberg Gottes gesprochen haben. Israel ist wie ein von Gott gepflanzter Weingarten, gut bebaut und umsorgt. Von diesem Weingarten erwartet Gott, der Besitzer, gute Ernte.
Jesus greift diese Bildreden der Propheten auf. Aber er fügt ihnen ein völlig neues Element hinzu: „Zuletzt sandte der Weinbergsbesitzer seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben.“ Jesus bringt sich selber in das Gleichnis ein. Die vor ihm von Gott Gesandten waren Knechte des Gutsherrn. Damit meint Jesus die Propheten, die Gott zu seinem Volk gesandt hat. Er ist mehr als ein Prophet. Er ist der Sohn. Er ist Gottes letzter und höchster Bote. Jesus konnte nicht deutlicher sagen, wer er selber ist. Seine Zuhörer haben verstanden. Sie waren empört - oder glaubten ihm.
Niemand kann ernsthaft behaupten, Jesus habe sich „nur“ für einen Propheten gehalten. Er war überzeugt, eine einzigartige Beziehung zu Gott zu haben: nicht Knecht, sondern Sohn. Bis heute scheiden sich daran die Geister.
Was Jesus in diesem Gleichnis seinen Zuhörern sagt, ist kräftige Kost: Wenn ihr mich ablehnt, dann habt ihr Gottes letzten Boten verworfen. Dann kann Gott seinerseits euch nur verwerfen. Hat Gott das nicht getan? Hat er das jüdische Volk nicht verworfen, nachdem es Jesus, den Sohn Gottes, nicht angenommen, sondern getötet hat? So endet das Gleichnis. Es droht mit der Verwerfung des jüdischen Volkes durch Gott.
Kam es dazu? Hat Gott die Juden „enterbt“? Das wurde oft von uns Christen behauptet, mit tragischen Folgen für die Juden. Doch hat Jesus anders gehandelt. Er hat die Drohung umgekehrt. Er hat sein Leben für sein Volk hingegeben. Und für uns alle. Wir alle hätten „enterbt“ gehört. Für uns alle hat er sein Blut vergossen, für Juden, Christen und für alle Menschen. Das feiern wir, wenn wir den Wein in der Messe erheben, der zu Jesu Blut geworden ist, uns allen zum Heil.
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes: Hört noch ein anderes Gleichnis:
Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm.
Dann verpachtete er den Weinberg an Winzer und reiste in ein anderes Land. Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seinen Anteil an den Früchten holen zu lassen.
Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, einen dritten steinigten sie. Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso.
Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben. Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, damit wir seinen Besitz erben. Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt: Was wird er mit solchen Winzern tun? Sie sagten zu ihm: Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.
Und Jesus sagte zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder? Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen. Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.