Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht
Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung am 2. Adventsonntag,
7. Dezember 2008 (Jes 40,1-5.9-11)
Heute, am 2. Adventsonntag, nehme ich einmal nicht das Evangelium, sondern die Lesung aus dem Alten Testament, die wunderbar trostvollen Worte des Propheten Jesaia. Während des ganzen Advent werden Stellen aus diesem Propheten gelesen. Manches Adventlied greift seine Worte auf, so etwa das bekannte „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken regnet ihn herab, rief das Volk in bangen Nächten, dem Gott die Verheißung gab“.
Diese erste Strophe erinnert daran, dass das „Volk des Alten Bundes“, das jüdische Volk, die Verheißung erhalten hat, es werde den Heiland, den Erlöser sehen. Der Advent ist die Zeit der Erwartung, der Hoffnung in dunkler Zeit. Von dieser Erwartung sprechen die alten Propheten. Darum haben sie ihren besonderen Platz im Advent.
Wie schade, dass wir das Alte Testament viel zu wenig kennen. Manche Vorurteile sind immer noch fest verwurzelt: Das Alte Testament sei voll Zorn und Rache, der Gott des Alten Bundes sei ein gesetzesstrenger, gar rachsüchtiger Gott, während Jesus einen liebenden und barmherzigen Vater verkündet habe. Nur wer die Bibel nicht kennt, kann so urteilen.
Natürlich stimmt es, dass im Alten Testament viel Blut vergossen wird, viel Grausames geschieht. Grund dafür ist nicht ein rächender Gott, sondern die nüchterne Schilderung der Geschichte. Gab es ein Jahrhundert mit mehr Blutvergießen als das 20. Jahrhundert? Im Vergleich zu ihm sind alle Kriege des Alten Testaments harmlos.
Nein, das Alte Testament ist eine leidenschaftliche Liebesgeschichte. Es ist die Geschichte eines Gottes, der sein Volk so sehr liebt, dass er es nicht erträgt zuzuschauen, wie es in sein Verderben läuft. Wenn Gott straft, so, um zu heilen, wenn er zornig ist, so wegen unserer Torheit, die uns und andere ins Unglück führt. In der ganzen Bibel, Altes und Neues Testament zusammen, steht Gott auf der Seite des Lebens. Er verteidigt den Menschen, sein Geschöpf, und wenn es sein muss auch mit strenger Hand, wie ein liebender Vater.
Vor allem aber ist er der Gott, der Leben und Rettung verheißt und schenkt. So begegnet er uns in den wunderbaren Worten der heutigen Lesung. Das jüdische Volk war damals auf einem seiner tiefsten Punkte in seiner langen an Leid reichen Geschichte: in der babylonischen Gefangenschaft. Das Volk war deportiert, der Heimat beraubt, viele ermordet, der Tempel zerstört, Jerusalem verwüstet.
Da spricht Gott die Worte des Trostes. Wie oft haben diese Worte Menschen in ähnlichen Situationen aufgerichtet, ihnen neue Hoffnung gegeben „in bangen Nächten“! Diese Stimme, die in der Wüste ruft, in den Wüsten unserer Tage nicht weniger als damals, kündigt an, dass endlich das Krumme gerade, das Schiefe eben werden soll. Nicht mehr die Ausbeuter werden das Sagen haben, sondern Gott selber wird der gute Hirte seines Volkes sein.
Alles nur schöne Worte? Träume, Hirngespinste? Billiger Trost ohne realen Wert? Wir kennen diesen Vorwurf! Warum aber berühren diese Worte dennoch das Herz? Weil es sich gerne täuschen lässt? Nein, weil diese Worte wirklich wahr geworden sind. Gott tröstet sein Volk. Gott sendet seinen Heiland. Jesus ist dieser Trost. Wer sich echt auf Weihnachten freut, weiß warum.
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden.
Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben.
Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott.
Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her.
Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.
Markus 1, 1-8
Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes: Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!
So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.