Hoffnung heißt auf Gott setzen, gegen allen Augenschein.
Hoffnung heißt auf Gott setzen, gegen allen Augenschein.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zur Lesung am 3. Adventsonntag,
14. Dezember 2008 (Jes 61,1-2a.10-11)
Advent ist Zeit der Hoffnung. Nicht eine Zeit billiger Versprechungen, die niemand halten kann. Hoffnung ist nicht einfach Optimismus. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung, der Klimakrise, der geringen Geburtenzahlen ist Optimismus nicht angesagt. Wohl aber Hoffnung. Was ist der Unterschied? Optimismus meint: Es ist schon nicht so schlimm! Das kriegen wir schon hin!
Hoffnung ist dagegen realistisch. Sie redet das Schwierige nicht weg, betreibt keine Schönfärberei. Sie vertraut darauf, dass Gott auch in tiefster Not Halt gibt. Tief war die Not, in der vor über 2.500 Jahren der Prophet seinem armen, bedrängten Volk die Worte der Hoffnung sagte, die heute, am 3. Adventsonntag, im Gottesdienst gelesen werden. 2.500 Jahre jung, möchte man sagen, sind diese Worte. Sie passen unverändert auch heute.
Was macht der Prophet, um nicht in Hoffnungslosigkeit zu versinken in einer Zeit, die um vieles notvoller war als die unsere? Er schaut auf Gott, und findet Trost in der Not. Hoffnung heißt auf Gott setzen, gegen allen Augenschein. So wird der Prophet zum Boten der Hoffnung. Er weiß sich beauftragt, Hoffnung zu bringen. Gott gibt ihm die Kraft dazu: „Der Geist des Herrn ruht auf mir!“
So kann er den Armen seines Volkes – und das war damals die große Mehrheit – „eine frohe Botschaft bringen“. Welche? Er hat ja kein Geld zum Verteilen, keine Macht, die Güter der Erde besser zu verteilen. Was er mitteilen kann, ist seine Freude über Gott: „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott.“ Wie mit Braut und Bräutigam, wie bei einem freudigen Hochzeitsfest, so ist es für den, der sein Vertrauen auf Gott setzt.
Aber was ändert das schon an der Not der Armen? Genau hier ist die Botschaft auch für unsere Zeit, gültig für alle Zeiten. Alle irdischen Sicherheiten können „auslassen“: Gesundheit und Geld, Erfolg und Ansehen, Macht und Ehre. All das kann von heute auf morgen weg sein. „Alles vergeht, Gott allein genügt“, sagt die hl. Theresia von Avila. Und nun das Entscheidende: Dieses Gottvertrauen verändert die Welt. Es macht Menschen Mut, nicht hoffnungslos zu werden. Es motiviert, trotz aller Not neu anzufangen. Ohne Gottvertrauen versinkt die Welt in Chaos, stürzen wir uns in panischen Egoismus, sehen wir nur mehr unsere eigenen Schwierigkeiten. Die Hoffnung gibt neuen Auftrieb, sie weckt die Kräfte der Solidarität, der Nächstenliebe, sie lässt die Arme nicht mutlos hängen.
Jesus hat die Worte des Propheten in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth vorgelesen, als er, inzwischen berühmt geworden, wieder nach Hause kam. Und er schloss die Lesung mit den Worten: „Heute hat sich dieses Schriftwort unter euch erfüllt.“ Jesus hat es also gewagt, diese Worte des Propheten Jesaja auf sich selber anzuwenden. Er ist überzeugt, dass Gott ihn zu den Menschen geschickt hat, um ihnen die Hoffnung zu bringen, besonders den Armen, den Menschen, „deren Herzen zerbrochen sind“, den Gefangenen und Gefesselten.
Und Jesus hat Wort gehalten. Seit Er die Botschaft der Hoffnung in die Welt gebracht hat, haben Menschen nicht aufgehört, sein „Programm“ zu verwirklichen. Selbstlos helfen sie, wo immer sie auf Not stoßen. Sie pflegen Unheilbare, begleiten Sterbende, besuchen Gefangene, kurz, bringen überall „Licht ins Dunkel“. Ohne ihr Gottvertrauen hätten sie dazu nicht die Kraft. Die Hoffnung ist einfach stärker.
Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt und wie eine Braut ihr Geschmeide anlegt.
Denn wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern.