Gott finden ist wie eine Auferstehung. Und sie ist möglich, auch wenn viele sie sich nicht vorstellen können.
Gott finden ist wie eine Auferstehung. Und sie ist möglich, auch wenn viele sie sich nicht vorstellen können.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium 13. Sonntag im Jahreskreis,
28. Juni 2009 (Mk 5,21-43)
Zwei Wundergeschichten: eine Totenauferweckung und eine Krankenheilung! Sie werden lebhaft, anschaulich geschildert. Ich kann mir die beiden Szenen gut vorstellen. Jesus hat Wunder gewirkt. Dafür gibt es viele Zeugen. Sie können sich nicht alle getäuscht haben. Sie sind nicht einer Massenhysterie erlegen.
Manche meinen: so genannte „Wunder“ seien einfach Auswirkungen einer besonderen psychischen Kraft, eines starken seelischen Einflusses. Aber das kann nicht die Heilung eines Blindgeborenen, die Auferweckung eines Toten oder die Speisung von 5.000 Menschen mit fünf Broten erklären.
Nein, es gibt Wunder, und sie sind aus dem Leben Jesu nicht wegzustreichen. Im Wunder erweist sich Gott als Schöpfer und Herr der Natur. Wenn er ihr ihre Gesetze gegeben hat, dann ist er auch frei, über die Grenzen seiner Naturgesetze hinauszugehen. Wunder sind Zeichen der Gegenwart Gottes in seiner Schöpfung. Wenn auch heute noch Wunder geschehen (wie etwa in Lourdes), so immer darum, dass unser Glaube an Gottes Gegenwart gestärkt wird.
Aber Wunder haben auch ihre eigene Sprache. Sie sagen uns eine Botschaft. So sind auch die beiden Wunderberichte im heutigen Evangelium zu lesen. Beide sprechen von Vertrauen, Hoffnung und Glauben. Beide zeigen Menschen in größter Bedrängnis: einen Vater, der um das Leben seines Kindes bangt, und eine Frau, die durch ihr körperliches Leiden einen wahren Kreuzweg geht. Beide wenden sich hilfesuchend an Jesus. Ihr Glaube sagt ihnen: Jesus kann mir helfen!
Die Frau, die an Blutungen litt (die heute wohl heilbar wären), ist am Ende ihrer Kraft und ihrer (finanziellen) Mittel. Sie kann nicht mehr. In ihrer Not will sie einfach heimlich Jesus berühren. Jesus spürt das und will wissen, wer ihn berührt hat, nicht um sie zu beschimpfen, sondern zu trösten und sie geheilt gehen zu lassen.
Die Szene ist ein starkes Symbol für jede persönliche Berührung Jesu. Wir können ihn auch heute berühren: in den Sakramenten, besonders in der Kommunion, im Brot, das sein Leib ist. Aber auch im Gebet, in der Kirche, die seine sichtbare Gestalt ist, gewissermaßen sein Gewand.
Die Auferweckung des toten Mädchens ist für uns alle ein Zeichen, dass die Begegnung mit Jesus lebendig macht. Wenn wir gottlos leben, dahinleben, als gäbe es Gott nicht, dann sind wir seelisch wie tot. Gott finden ist wie eine Auferstehung. Und sie ist möglich, auch wenn viele sie sich nicht vorstellen können. Zwei Wundergeschichten, die auch heute geschehen. Mitten unter uns.
Jesus fuhr im Boot wieder ans andere Ufer hinüber, und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, kam ein Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm.
Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt. Da ging Jesus mit ihm.
Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt. Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden.
Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand. Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. Sofort hörte die Blutung auf, und sie spürte deutlich, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt?
Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.
Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten (zu Jaïrus): Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Sei ohne Furcht; glaube nur! Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers.
Als Jesus den Lärm bemerkte und hörte, wie die Leute laut weinten und jammerten, trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. Da lachten sie ihn aus. Er aber schickte alle hinaus und nahm außer seinen Begleitern nur die Eltern mit in den Raum, in dem das Kind lag. Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt.
Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen. Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.