"In seiner hartnäckigen Gott-Suche sei er u.a. ein 'treuer Schüler' Albert Einsteins gewesen, den Thirring bei einem Aufenthalt an der US-Eliteuniversität Princeton in den 1950er Jahren kennenlernen durfte", so Kardinal Schönborn.
"In seiner hartnäckigen Gott-Suche sei er u.a. ein 'treuer Schüler' Albert Einsteins gewesen, den Thirring bei einem Aufenthalt an der US-Eliteuniversität Princeton in den 1950er Jahren kennenlernen durfte", so Kardinal Schönborn.
Der Physiker, ehemalige CERN-Direktor und erklärte Christ Walter Thirring starb am Dienstag 87-jährig in Wien. Evolutionstheorie und Gottesfrage hielt er für vereinbar.
Als "eine der bedeutendsten Wissenschaftler-Persönlichkeiten unseres Landes" hat Kardinal Christoph Schönborn den verstorbenen Physiker Walter Thirring gewürdigt. Zeitlebens habe ihn nicht nur die Physik und die Mathematik umgetrieben, sondern stets auch das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Religion. "Ich durfte selber in mehreren Gesprächen mit ihm diesen Fragen nachgehen", so Schönborn. Thirring war am Dienstag, 19. August 2014, in Wien im Alter von 87 Jahren gestorben.
"Unvergesslich" sei ihm etwa ein Vortrag Thirrings an der Universität Wien, in dem er "ganz wissenschaftlich und doch ganz zum Staunen einladend und die Spuren Gottes suchend" über das "Wunder der Sonne" sprach. In seiner hartnäckigen Gott-Suche sei er u.a. ein "treuer Schüler" Albert Einsteins gewesen, den Thirring bei einem Aufenthalt an der US-Eliteuniversität Princeton in den 1950er Jahren kennenlernen durfte.
Der Wiener Erzbischof verwies weiters auf die enge Freundschaft zwischen dem evangelischen Christen Thirring und seinem Vorgänger, Kardinal Franz König, der u.a. ein Vorwort für Thirrings Buch "Kosmische Impressionen - Gottes Spuren in den Naturgesetzen" (2004) verfasst hatte.
Seiner Überzeugung von der Vereinbarkeit von Religion und Naturwissenschaft insbesondere im Blick auf die Evolutionstheorie verlieh Thirring darüber hinaus in dem 2011 erschienenen Band "Baupläne der Schöpfung. Hat die Welt einen Architekten?" (gemeinsam mit Johannes Huber) Ausdruck.
Es sei intellektuell "nicht unredlich", hinter den "genialen Naturgesetzen" einen "Designer anzunehmen", äußerte Thirring etwa bei der Präsentation seines "Baupläne"-Buches gemeinsam mit dem Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn. Dieser hatte mit einem Artikel in der "New York Times" 2005 die schwelende Debatte zum Verhältnis von Religion und Naturwissenschaften neu entflammt. Thirring pflichtete damals dem Vorwurf Schönborns zu, dass die Naturwissenschaften nicht selten mit einem verkürzten und daher ideologischen Wissenschaftsbegriff arbeiteten und die Grenzen der eigenen Disziplin unlauter überschritten.
Schönborn geriet damals in den Verdacht, durch Verwendung des Signalwortes vom "Intelligent Design" dieser vor allem im US-amerikanischen Kontext angesiedelten Bewegung nahe zu stehen - ein Vorwurf, den er in Vorträgen und Stellungnahmen immer wieder zu entkräften versuchte.
Thirring hingegen hatte - als Naturwissenschaftler - bis zuletzt kein Problem damit, den Begriff vom intelligenten Design im Mund zu führen: Ob etwa hinter Naturgesetzen und ihrer "unüberbietbaren Präzision" ein "Welten-Designer" steht oder ein blinder evolutiver Prozess, lasse sich "weder in die eine noch in die andere Richtung beantworten" - sie müsse daher offen bleiben, so der Forscher, der u.a. Träger des "Großen Kardinal Innitzer-Preises" ist.
Und nahezu zeitgleich mit Schönborns Artikel führte Thirring bei der Ökumenischen Sommerakademie in Kremsmünster 2005 aus, dass die Evolution der "bestmögliche Beweis für einen göttlichen Plan" sei. Es sei gar "absurd" anzunehmen, dass die Präzision, die es für den Kosmos und den Menschen brauchte, nur dem Zufall verdankt sei.
Zuletzt äußerte sich Thirring zu dieser Debatte, um die es seither etwas ruhiger geworden ist, in einem Streitgespräch mit dem Wiener Kabarettisten Günther Paal ("Gunkl") in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" im Jahr 2012. Wenn man sich die Naturgesetze näher betrachte, dann zeige sich, "dass sie ungeheuer raffiniert gemacht sind", so der Physiker. "Wenn nur eine Kleinigkeit anders wäre, dann würde nichts mehr funktionieren. Es schaut also so aus, als ob eine gewisse Intelligenz dahinterstecken würde." Dass die Naturgesetze mit Intelligenz zu tun haben, sei allein schon daran ersichtlich, "dass sie in der Sprache der Mathematik formuliert sind", so Thirring.
Abschließend fragte die "Zeit" Thirring nach seiner Vorstellung vom Jenseits. Thirrings Antwort darauf: "Wenn ich an etwas glauben soll, dann brauche ich zumindest einen Strohhalm, an den ich mich klammern kann. Im Fall des Jenseits habe ich keinen Strohhalm. Aber ich lasse die Dinge an mich herankommen."
Walter Thirring wurde am 29. April 1927 als Sohn des bekannten Physikers Hans Thirring in Wien geboren. Er studierte Physik an den Universitäten Innsbruck und Wien, wo er 1949 seine Promotion abschloss. Es folgten Forschungsaufenthalte am Institute for Advanced Study in Dublin bei Erwin Schrödinger (1949), bei Bruno Touschek an der Universität Glasgow (1950) und 1950 am Max-Planck-Institut für Physik bei Werner Heisenberg. Nach einem Aufenthalt in Zürich ging er 1953 an die Elite-Universität Princeton, wo er u.a. Albert Einstein kennenlernte.
Seit 1959 war er Professor für theoretische Physik an der Universität Wien, wo er 1997 emeritierte und 1993 einer der Gründer des Erwin Schrödinger Instituts war. Von 1968 bis 1971 war er außerdem Direktor der Abteilung für theoretische Physik am CERN.
Kardinal Christoph SchönbornSeine Texte, Predigten und Vorträge. |