Es sei Menschen- und Frauenrecht, nicht zur Ware deklariert und in diesem Sinne herabgewürdigt und zurechtgestutzt zu werden,
Es sei Menschen- und Frauenrecht, nicht zur Ware deklariert und in diesem Sinne herabgewürdigt und zurechtgestutzt zu werden,
Zusammenschluss "Stoppt Leihmutterschaft" fordert internationales Verbot. In Indien bereits 3.000 Leihmutterschafts-Kliniken. Expertin: Individuelles Recht auf Reproduktion darf nicht auf Kosten anderer gehen.
Nach Frankreich, Großbritannien, Schweden, Italien und Rumänien haben sich nun auch in Österreich Experten zusammengeschlossen, um mit einer Bürgerinitiative für ein globales Verbot von Leihmutterschaft zu kämpfen. Leihmutterschaft widerspreche Menschen-, Kinder- und Frauenrechten und ist Kinderhandel, so der gemeinsame Konsens von Vertretern verschiedenster Weltanschauungen, die im Verein "Stoppt Leihmutterschaft" zusammenarbeiten. Am Montag, 5. März 2018, stellten sich die Initiatoren in Wien erstmals einer breiten Öffentlichkeit vor.
Ins Leben gerufen wurde Verein 2017 von einer Expertenrunde aus Kinderärzten, Psychologen, Ethikern, Juristen und Hebammen rund um die Journalistin und Publizistin Eva Maria Bachinger. Gemeinsam wolle man eine öffentliche Debatte anregen und über die Folgen von Leihmutterschaft informieren, hieß es bei der Präsentation. Herzstück der Kampagne ist die Plattform www.stoppt-leihmutterschaft.at, auf der seit Februar 2018 eine Petition für ein globales Verbot der umstrittenen Praxis unterschrieben werden kann.
Binnen weniger Tage erhielt die Petition zahlreiche prominente Unterstützer, darunter die deutsche Feministin Alice Schwarzer, die Journalistin Elfriede Hammerl, der Politologe Emmerich Talos, die Chirurgin Hildegunde Piza, die ehemalige Wiener SPÖ-Frauengesundheitsbeauftragte und Psychologin Beate Wimmer-Puchinger und der frühere ÖVP-Behindertensprecher Franz Joseph Huainigg. Rückendeckung erhält der Verein auch von Vertretern kirchlicher Organisationen, wie etwa Stephanie Merckens vom "Institut für Ehe und Familie", Susanne Kummer vom "Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik" (IMABE), Martina Kronthaler von der "Aktion Leben" und der Vorsitzenden der Katholischen Frauenbewegung, Veronika Pernsteiner.
Begründet wird das Streben nach einem globalen Verbot u.a. mit Kinder- und Frauenrechten. "Wollen wir, dass alles zur Ware wird und dass es auch Kinder zu kaufen gibt?", stellte Bachinger bei der Veranstaltung in Wien in den Raum. Bereits 2015 unterzog sie die Angebote zu assistierter Fortpflanzung in ihrem Buch "Kind auf Bestellung" einer harten Kritik mit dem Ergebnis: "Leihmutterschaft ist de facto Kinderhandel und muss daher global verboten werden."
Die Praxis sei im breiten Feld der Reproduktionsmedizin die "Spitze des Eisbergs", so die Journalistin weiter und umfasse nicht nur den Akt an sich sondern auch die Themen Eizell- und Samenspende und genetische Selektion. Bezahlt werde eine Leihmutter nämlich erst dann, wenn sie ein gesundes Kind liefert. Zumeist handle es sich bei den Verträgen um "nüchterne Geschäftsbeziehungen", nur selten um "ganz selbstlose Vereinbarungen".
Wie Leihmutterschaft soziale Ungleichheiten fördert, nahm die indisch-feministische Wissenschaftlerin Sheela Saravanen der Universität Heidelberg in den Blick. "Zumeist tragen arme Frauen Kinder für reichere Frauen aus", stellte sie fest. Das individuelle Recht auf Reproduktion dürfe nicht auf Kosten anderer gehen, wenn etwa Frauen zum Objekt gemacht werden und aus finanzieller Not heraus als Leihmütter arbeiten. In ihrem Buch "A Transnational Feminist View of Surrogacy Biomarkets in India" zeigt die Forscherin am Beispiel Indiens, wie Armut, Verletzungen der Menschenrechte und Demütigungen mit dem Leihmutterschafts-Business verflochten sind.
Saravanens Schilderungen zufolge ist Leihmutterschaft in Indien längst ein eigener Industriezweig mit rund 3.000 Wunschbabyklinken. Die Kliniken schicken ihre Agenten in entlegene Dörfer, um Frauen anzuwerben. Vor allem Frauen aus ärmeren Schichten, meist Analphabetinnen, sichern damit den Lebensunterhalt für den Rest der Familie oder die Schulbildung für ihre eigenen Kinder. Weder würden sie jedoch über Gesundheitsrisiken informiert, noch spreche man mit ihnen über Tot- oder Fehlgeburten nach Leihmutterschaft.
Bezahlt wird laut Saravanen zudem erst nach Aushändigen eines gesunden Kindes. Behinderte Kinder müssen laut Vertrag abgetrieben werden oder werden nach der Geburt von den Bestelleltern zurückgelassen. "Diese Frauen sind rechtlos. Sie werden überwacht, was sie essen, bis hin zu, welche Musik sie hören. Sie leben neun Monate lang abgeschirmt von ihren Angehörigen", berichtete die Forscherin. Die Prämie sei umso höher, je schwerer das Baby bei der Geburt ist. Menschenhandel von Sexarbeiterinnen und Leihmütter gingen zudem oft Hand in Hand, warnte die Wissenschaftlerin.
Die feministische Soziologin und Politikwissenschaftlerin Lisbeth Trallori kritisierte Leihmutterschaft als "Durchkommerzialisierung des weiblichen Körpers", die Frauen die Position zuweise, "reine funktionale Austrägerinnen für andere Menschen zu sein". Es sei Menschen- und Frauenrecht, nicht zur Ware deklariert und in diesem Sinne herabgewürdigt und zurechtgestutzt zu werden, so die Soziologin. Die Medizin habe die Rolle einer "Wunscherfüllungsmaschine" übernommen.
In der öffentlichen Debatte werde bewusst ausgeblendet, "dass die Tatsache, bestellt und von einer fremden Frau ausgetragen worden zu sein, per se dem Kindeswohl und grundlegenden Rechten des Kindes widerspricht", kritisierte die Bioethikerin Susanne Kummer vom IMABE-Institut. Kinder dürften nicht zum "Vehikel für Elternwünsche" gemacht, Frauen nicht auf ein "mietbares Objekt" reduziert und Nachwuchs nicht gegen Geld gehandelt werden, da dies ein eklatanter Menschenrechts-Bruch sei.
Für Adoption als "bessere Alternative" zur Leihmutterschaft sprach sich Maria Eberstaller, Gerichtsgutachterin in Fragen Obsorge, Besuchsrecht und Kindeswohl, aus. "Die Kinder sind schon da, es gibt auch in Österreich genug Kinder, die einen Platz in einer Familie brauchen und viel zu wenige Familien, die bereit und fähig sind, ein Kind aufzunehmen."
Die Juristin Stephanie Merckens nahm die heimische Politik in die Pflicht. In Österreich gebe es zwar ein Verbot der Leihmutterschaft, das Gesetz sei allerdings schwach und könne leicht umgangen werden. "Immer wieder weichen Paare ins Ausland aus und bringen die Kinder im Anschluss nach Österreich", gab sie zu bedenken. Mehr Einsatz seitens der heimischen Politik forderte die Juristin auch auf internationaler Ebene, etwa bei der Konferenz für internationales Privatrecht in Den Haag.
Zur Pedition: www.stoppt-leihmutterschaft.at