Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium vom 27. September 2024
Am Sonntag wird gewählt. Nicht allen fällt die Entscheidung leicht, welcher Partei sie ihre Stimme geben. Doch gar nicht zur Wahl zu gehen, aus Frust, aus Protest oder nur aus Bequemlichkeit, ist keine gute Wahl. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir überhaupt wählen dürfen. Das Wahlrecht musste hart erkämpft werden. Im 19. Jahrhundert, in Zeiten der Monarchie, gingen Menschen dafür auf die Straße. Erst seit gut 100 Jahren gibt es in Österreich das allgemeine, freie und geheime Wahlrecht.
Es war eine riesige Errungenschaft, dass alle gleichberechtigt mitbestimmen dürfen: dass wir eine „Stimme“ haben und eine Volksvertretung frei wählen und abwählen dürfen. In vielen Ländern der Welt ist das Wahlrecht eingeschränkt, sind Wahlen, wenn sie überhaupt stattfinden, manipuliert und kontrolliert. Zwang und Gewalt bestimmen die Pseudo-Wahlen, politische Vielfalt ist ausgeschlossen. Wie gern würden viele Menschen in Diktaturen die Herrschenden abwählen! Freie Wahlen sind keine Last, keine Farce, sondern ein echter Gewinn. Nichts ist perfekt. Doch die Wahl zu haben ist allemal besser als eine Diktatur. Es liegt an uns, die Chance zu nützen.