Das bayerische Kabinett hatte auf Söders Anregung am 24. April beschlossen, dass ab 1. Juni im Eingangsbereich aller Dienstgebäude im Freistaat ein Kreuz angebracht werden soll.
Das bayerische Kabinett hatte auf Söders Anregung am 24. April beschlossen, dass ab 1. Juni im Eingangsbereich aller Dienstgebäude im Freistaat ein Kreuz angebracht werden soll.
Ex-Verfassungsrichter Grimm: Kreuz-Erlass ist verfassungswidrig.
Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in der Debatte um den Kreuz-Erlass seines Kabinetts einen Runden Tisch zu Werten, Kultur und Identität des Landes angekündigt. Dazu sollen für Juni Vertreter von Religionsgemeinschaften, Wissenschaft, Brauchtum und Kultur eingeladen werden, hieß es am Donnerstag, 17. Mai 2018
Der Sprecher des Münchner Erzbischofs Kardinal Reinhard Marx, Bernhard Kellner, reagierte zurückhaltend auf den Gesprächs-Vorschlag. "Es ist gut, wenn man ins Gespräch kommt, am besten immer so früh wie möglich", sagte er auf Anfrage. Kardinal Marx habe ja schon gesagt, dass die katholische Kirche Gespräche wünsche, fügte Kellner hinzu. Nun bleibe abzuwarten, "wie sich der Runde Tisch konstituieren soll".
Das bayerische Kabinett hatte auf Söders Anregung am 24. April beschlossen, dass ab 1. Juni im Eingangsbereich aller Dienstgebäude im Freistaat ein Kreuz angebracht werden soll. Es sei "das grundlegende Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung". Die Anordnung wird seither kontrovers diskutiert. Auch in den Kirchen gehen dazu die Meinungen auseinander.
Der frühere deutsche Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm hält den bayerischen Kreuzerlass für verfassungswidrig, wie er der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) sagte. Laut Grundgesetz dürfe der Staat in Glaubensfragen nicht Partei ergreifen, so der 81-jährige Jurist. "Vielmehr hat er sich gegenüber den verschiedenen Religionen neutral zu verhalten. Gegen diese Neutralitätspflicht verstößt er, wenn er Kreuze in Amtsräumen anordnet."
Grimm wandte sich gegen das Argument, das Kreuz sei lediglich Ausdruck einer bayerischen Tradition. "Das Kreuz ist nun einmal für den Christen und die christlichen Kirchen das zentrale Glaubenssymbol", sagte er. "Wenn die Regierung die Anbringung des Kreuzes anordnet, kann sie diesen Sinngehalt nicht ausblenden. Er schwingt stets mit." Ein Kreuz sei etwas anderes als die Gemälde mit religiöser Thematik, die heute in den staatlichen Museen hängen, oder die kirchliche Musik, die in Konzertsälen gespielt wird.
Nach Einschätzung des früheren Verfassungsrichters haben diejenigen Kirchenvertreter, die in den 1990er Jahren das Kreuz in den Schulen vor allem mit Verweis auf die abendländische Tradition verteidigten, eine Verharmlosung ihres zentralen Glaubenssymbols in Kauf genommen. "Inzwischen scheinen die Kirchen besser verstanden zu haben, was auf dem Spiel steht, wenn der Staat sich im Namen des Kreuzes in profanen Gebäuden darstellt und behauptet, das habe nichts mit Religion zu tun."
Mit Blick auf Osteuropa und Russland, wo der Staat zunehmend auf christliche Symbole zurückgreift, sagte Grimm, Staaten nutzten gern fremde Legitimationsreserven - insbesondere, wenn die eigenen schwächelten. Die Kirchen könnten bei einer solchen Umarmung nur verlieren.
Eine weltanschaulich zunehmend pluraler werdende Gesellschaft zwingt den Staat nach Überzeugung des Juristen dazu, in Glaubenssachen nicht Position zu beziehen. "Nur so kann er glaubwürdig für sich beanspruchen, friedliche Koexistenz zu fördern. Einseitige Identifizierungen mit einer Religion und damit gleichzeitig Ausgrenzungen anderer Religionen erschweren diese Aufgabe, statt sie zu erleichtern."