"Es wird immer gesagt: 'Man darf die Wunden nicht wieder aufreißen.' Man kann die Wunden aber gar nicht aufreißen, weil sie nie verheilt sind. Die Wunden sind offen", sagt Martha Zechmeister.
"Es wird immer gesagt: 'Man darf die Wunden nicht wieder aufreißen.' Man kann die Wunden aber gar nicht aufreißen, weil sie nie verheilt sind. Die Wunden sind offen", sagt Martha Zechmeister.
Der "Fußballkrieg" zwischen Honduras und El Salvador dauerte vom 14. bis 18. Juli 1969 und entstand im Vorfeld der Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft 1970 in Mexiko.
El Salvador leidet nach wie vor an den Folgen seiner langen Gewaltgeschichte, die aufgearbeitet werden muss. Davon zeigt sich die aus Österreich stammende und in San Salvador lehrende Theologin Martha Zechmeister überzeugt. In einem Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) anlässlich des vor 50 Jahren stattgefundenen "Fußballkriegs" zwischen El Salvador und Honduras bewertete die Ordensfrau diesen als eine "Episode" angesichts anderer Konflikte in Zentralamerika. Hintergrund dafür sei eine jahrhundertelange Geschichte von Gewalt und Unterdrückung, unter der El Salvador und die gesamte Region bis heute leiden, so die an der von Jesuiten gegründeten Universidad Centroamericana (UCA) in San Salvador lehrende Professorin für systematische Theologie.
Der "Fußballkrieg" dauerte vom 14. bis 18. Juli 1969 und entstand im Vorfeld der Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft 1970 in Mexiko. "Es ging um Streitigkeiten zwischen El Salvador und Honduras - objektiv Kleinigkeiten, allerdings mit fatalen Folgen", so Zechmeister im Blick auf die rund 3.000 Toten, die der Konflikt zwischen El Salvador und Honduras forderte.
Die Gewalt in El Salvador - tragischer Höhepunkt war der Bürgerkireg von 1980 bis 1992 - habe sehr tiefe historische Wurzeln: "Schon bei der ersten Conquista, der Landnahme durch die Spanier, wurde die Bevölkerung in der Region von neun Millionen auf eine halbe Million Menschen dezimiert. Am Anfang der zentralamerikanischen Geschichte im Kontakt mit Europa steht also ein Völkermord", so Zechmeister. Auch im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes von der spanischen Krone hätten die Interessen der indigenen Bevölkerung keine Rolle gespielt. Rassismus und Unterdrückung blieben weiter bestimmend. So habe es 1932 in El Salvador unter Militärdiktator Maximiliano Hernandez Martinez ein großes Massaker an der indigenen Bevölkerung gegeben. "Die Salvadorianer verloren damit ihre indigene Identität".
Der zwölfjährige Bürgerkrieg, der 1992 beendet wurde, ist aus der Sicht der Theologin noch nicht aufgearbeit worden: "Eine wirkliche Haftbarmachung für die Menschenrechtsverbrechen ist ausgeblieben; die Opfer stehen immer noch allzu oft als Lügner da. Es wird immer gesagt: 'Man darf die Wunden nicht wieder aufreißen.' Man kann die Wunden aber gar nicht aufreißen, weil sie nie verheilt sind. Die Wunden sind offen."
Angesprochen auf die Rolle der Kirche bei den Konflikten im traditionell katholischen El Salvador sagte die Ordensfrau: "Das große Symbol, der Wendepunkt ist Oscar Romero. Der 1980 ermordete Erzbischof von San Salvador hat den Benachteiligten zugehört, ihnen Würde und Stimme gegeben." Ein guter Teil der salvadorianischen Kirche sei seinem Beispiel gefolgt und setze sich ein gegen Gewalt, wie sie heute immer noch von Sicherheitskräften, aber seit einiger Zeit auch von Jugendgangs ausgeht.
Negativ bewertete Zechmeister die Rolle der USA: Diese hätten Milliarden in den Krieg gegen den Kommunismus in El Salvador investiert. "Ein winzig kleines Land mit sieben Millionen Einwohnern wurde zum Schauplatz der Konfrontation zwischen den Supermächten im Kalten Krieg. Das Paradoxe: Viele Salvadorianer flohen vor der Gewalt in die USA." Wenn jetzt US-Präsident Donald Trump eine Mauer errichte, dann wolle dieser in erster Linie von innenpolitischen Problemen ablenken. "In Wirklichkeit müssten nicht die USA vor Mittelamerika, sondern Mittelamerika vor den USA geschützt werden", so die Theologin.
Eigentlich ging es um die Qualifikation zur Fußball-WM 1970 in Mexiko. Doch der sportliche Wettstreit zwischen El Salvador und Honduras mündete vor 50 Jahren in einen bewaffneten Konflikt. Am 14. Juli 1969 flog die salvadorianische Luftwaffe die ersten Angriffe auf Honduras - nur 100 Stunden später war der Spuk am 18. Juli auch schon wieder vorbei. Trotzdem fanden schätzungsweise 3.000 Menschen den Tod. Das Verhältnis zwischen den Nachbarländern war für lange Zeit vergiftet. Die Kämpfe gingen als "Fußballkrieg" in die Annalen ein.
Der Funke, der damals das Fass zum Überlaufen brachte, waren drei Qualifikationsspiele zwischen Honduras und El Salvador für die Fußball-WM 1970. Am 8. Juni, einem Sonntag, trat das salvadorianische Team zunächst auswärts in Tegucigalpa an. Die Gäste, die bereits tags zuvor ihr Quartier in der honduranischen Hauptstadt bezogen hatten, standen völlig übermüdet auf dem Platz. Grund dafür war das Verhalten honduranischer Fans. Diese hatten das Hotel der Mannschaft umzingelt und entwickelten die ganze Nacht über eine bedrohliche Lärmkulisse.
Es kam, wie es kommen musste: Der honduranische Stürmer Roberto Cardona schoss knapp vor Spielenden das 1:0. Im Nachbarland El Salvador tötete sich daraufhin ein Mädchen namens Amelia Bolanios mit einer Pistole ihres Vaters, gewissermaßen das erste Opfer des Fußballkrieges. Die Rache der Salvadorianer ließ nicht lange auf sich warten. Am 15. Juni stand das Rückspiel in San Salvador an. Diesmal wurde die Unterkunft der Honduraner belagert. Fans bombardierten das Hotel mit faulen Eiern und toten Ratten, Panzerwagen mussten die Gäste ins Stadion Flor Blanca geleiten.
Honduras verlor deutlich mit 3:0 - die endgültige Entscheidung zur WM-Teilnahme fiel allerdings erst knapp zwei Wochen später bei einem Spiel auf neutralem Boden, in Mexiko-Stadt. Die Salvadorianer entschieden die Fußballschlacht im Aztekenstadion in der elften Minute der Verlängerung mit 3:2 für sich.
Die aufgeheizte Stimmung danach nutzten Politiker beider Staaten für die darauf folgende bewaffnete Auseinandersetzung. Denn schon länger schwelten Feindseligkeiten zwischen den Nachbarn. Honduras wies ein Handelsdefizit mit El Salvador auf. Zugleich beackerten verarmte Salvadorianer brachliegendes Land in Honduras. Im Frühjahr 1969 forderte Honduras diese Bauern plötzlich auf, in ihr Land zurückzukehren. Nach den Fußballspielen machten die Honduraner dann Ernst, ließen Salvadorianer deportieren, was ihnen von der Seite der salvadorianischen Regierung den Vorwurf einbrachte, einen Völkermord zu planen. Der Krieg lag in der Luft - und brach schließlich aus, um dann nach vier Tagen zu enden.
Zurück zum Fußball: Bei der WM in Mexiko schied El Salvador dann in der Vorrunde aus - torlos.