Im Rahmen der kleinen Zeremonie wurde auch ein "Baum des Friedens" gepflanzt. Der Papst reichte die Erde an zwei Kinder weiter; sie sollten die Zukunft des Landes ohne Krieg und Gewalt symbolisieren.
Im Rahmen der kleinen Zeremonie wurde auch ein "Baum des Friedens" gepflanzt. Der Papst reichte die Erde an zwei Kinder weiter; sie sollten die Zukunft des Landes ohne Krieg und Gewalt symbolisieren.
"Hoffnung auch für die, die Böses getan haben" bei interreligiösem Versöhnungstreffen in Kolumbien.
Bei einem großen Versöhnungstreffen im kolumbianischen Villavicencio hat Papst Franziskus Opfern und Tätern des Bürgerkriegs für ihre sehr persönlichen Zeugnisse gedankt. Er sei hier, um den Menschen zuzuhören und von ihnen zu lernen, sagte er sichtlich bewegt am Freitagnachmittag (Ortszeit), 8. September 2017 in einem Park der Großstadt, die einst ein Epizentrum des Konflikts war. Anders als bei der katholischen Messe am Vormittag nahmen bei dem Gebetstreffen auch Vertreter anderer Konfessionen und Religionen teil.
Bei seinem zweiten großen Gottesdienst in Kolumbien hatte Papst Franziskus die Menschen im Land eindringlich dazu aufgerufen, einander die Hand zur Versöhnung zu reichen. Versöhnung bedeute, "allen und jedem Menschen, die das Drama des Konflikts erlebt haben eine Tür zu öffnen", sagte er in seiner Predigt in Catama, einem großen Gelände am Stadtrand von Villavicencio. Zu Beginn der Messe unter freiem Himmel sprach der Papst zwei Märtyrer selig, die im kolumbianischen Bürgerkrieg ermordet worden waren: Bischof Jesus Emilio Jaramillo (1916-1989) und den Priester Pedro Maria Ramirez (1899-1948).
Ramirez zählte zu den ersten Opfern des fünf Jahrzehnte andauernden Bürgerkriegs; er wurde am 10. April 1948 nach ersten Unruhen im Land von einer aufgebrachten Menge erschlagen. Bischof Jaramillo war am 2. Oktober 1989 bei einem Pfarrbesuch von Milizen entführt und wenig später erschossen aufgefunden worden. Beide können von nun an offiziell verehrt und um Fürsprache angerufen werden. Ihre Gedenktage sind der 3. und der 24. Oktober.
Zentrale Akteure der Begegnung waren vier Zeugen des Bürgerkrieges, die schilderten, welches Leid sie erlebt oder auch selbst anderen zugefügt haben. Ein Ex-Guerillero und eine Angehörige der Paramilitärs beschrieb dies aus der Sicht der Täter; aus der Sicht der Opfer eine vierfache Mutter nach einer Minenexplosion der Guerilla sowie eine Frau, deren engste Angehörige von Paramilitärs ermordet wurden. Sie alle gaben Einblicke, wie sie versuchen, damit fertig zu werden, zu verzeihen oder Sühne zu leisten.
Der Papst hörte den Erzählungen zu und sprach den vier Rednern Mut zu. Pastora Mira, die nacheinander Vater, Mann, Tochter und Sohn infolge der Gewalt verloren hatte, habe den Menschen gezeigt, dass der schreckliche Hass-Kreislauf durch Vergebung und Versöhnung durchbrechen werden könne, würdigte der Papst. Das Minenopfer lobte Franziskus dafür, gelernt zu haben, nicht im Groll zu leben; er könne nun auch anderen helfen, die Wunden zu heilen. "Dieses Aus-sich-selbst-Herausgehen hat dich bereichert, hat dir geholfen, nach vorne zu schauen", so der Papst.
Auch ein ehemaliges FARC-Mitglied berichtete von seiner Zeit im Kampf - dass er alle Bande an die Familie hatte durchschneiden müssen und dass man ihn gelehrt habe, dass Geld und Waffen der einzige Gott seien. Auch die Täter auf Seiten der FARC seien "auf die eine oder andere Weise auch Opfer" geworden, antwortete der Papst. "Alle vereint in diesem Verlust von Menschlichkeit, den die Gewalt und der Tod mit sich bringen."
Auch den Tätern Schritte vorwärts zuzugestehen sei für alle eine Herausforderung, bekannte Franziskus. "Es ist schwer, den Wandel derer zu akzeptieren, die grausame Gewalt angewendet haben", ging er auf die verbreitete Skepsis ein, die dem Friedensprozess gegenüber herrscht. Ebenso schwierig sei es, den Kreislauf von Hass, Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Aber alle seien Opfer dieses Kreislaufs, unschuldige wie schuldige.
"Es gibt Hoffnung auch für die, die Böses getan haben", erklärte der Papst. "Heilen wir den Schmerz und nehmen jeden Menschen auf, der Straftaten begangen hat, sie bekennt, bereut und sich zur Wiedergutmachung verpflichtet." Allerdings, so der Papst am Ende, sei es unverzichtbar, der Wahrheit Genüge zu tun. Im "Regenerationsprozess der Täter" müsse "Gerechtigkeit walten". Nur dürfe dies nicht zur Rache führen, sondern zu tragfähiger Versöhnung und Vergebung.
Im Mittelpunkt der Feier, die mit einem szenischen und gesungenen Vortrag des 85. Psalms (Gottes Frieden für sein Volk) begann, stand das Kruzifix von Bujaya. Bei einem Bombenattentat der FARC-Guerilla auf die Kirche des Dorfes am 2. Mai 2002 waren 86 Menschen getötet und viele verwundet worden. Sie hatten in der Dorfkirche Zuflucht gesucht vor Kämpfen zwischen Guerilla und Paramilitärs. Dem Korpus des Kruzifix wurden damals beide Beine und beide Arme abgerissen.
Der Erzbischof von Villavicencio, Oscar Urbina, rief mit dem Vorlesen der im Sockel des Kreuzes eingeschriebenen Zahlen aus dem Bürgerkrieg noch einmal die Beispiele für "die insgesamt über acht Millionen Opfer" jahrzehntelanger Gewalt in Erinnerung: 984.507 Getötete, 166.407 Verschwundene, 16.340 Ermordete, 1.982 Massaker, 35.092 Entführte, 19.684 Opfer sexueller Gewalt, 6.421 Zwangsrekrutierte und 12.000 Menschen mit Amputationen waren darunter.
"Christus so zu sehen, verstümmelt und verwundet, ist ein Weckruf an uns alle", sagte der Papst. "Zerbrochen und amputiert" zeige er, "dass er gekommen ist, um für sein Volk und mit seinem Volk zu leiden" und zu lehren, "dass der Hass nicht das letzte Wort hat, dass die Liebe stärker ist als Tod und Gewalt". Immer wieder wurde der Papst von spontanem Applaus unterbrochen. Nach jedem der vier Zeugnisse war vor dem Kruzifix eine Kerze entzündet worden.
Am Ende der Feier betete Papst Franziskus vor dem "Kreuz der Versöhnung" mit den Anwesenden das Franz von Assisi zugeschriebene Gebet "Mach aus mir ein Werkzeug deines Friedens", legte zu Füßen des Kreuzes weiße Blumen nieder und verharrte einige Minuten im stillen Gebet. Im Beisein von Staatspräsident Juan Manuel Santos und dessen Frau drückte er damit am Freitagnachmittag (Ortszeit) seine Unterstützung für den Friedensprozess in dem südamerikanischen Land aus.
Im Rahmen der kleinen Zeremonie wurde auch ein "Baum des Friedens" gepflanzt. Der Papst reichte die Erde an zwei Kinder weiter; sie sollten die Zukunft des Landes ohne Krieg und Gewalt symbolisieren. Der Feier wohnten 400 Kinder sowie Vertreter indigener Gemeinden bei. - Zuvor hatte Franziskus einige Kilometer im Papamobil durch die Straßen von Villavicencio zurückgelegt. Zehntausende Menschen säumten die Strecke, viele von ihnen mit weißen Fahnen und Tüchern.
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