Es ging ihm nicht um sich selber, sondern um den, dem er den Weg bereiten sollte.
Es ging ihm nicht um sich selber, sondern um den, dem er den Weg bereiten sollte.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn
zum Evangelium am Hochfest der Geburt des
hl. Johannes des Täufers,
24. Juni 2012, (Lk 1,57-66.80)
Heute in sechs Monaten ist Weihnachten. So schnell vergeht die Zeit! Vor sechs Monaten war eben erst Weihnachten. Wie schnell vergeht ein Jahr. Aber nicht davon sei jetzt die Rede, sondern von dem der sechs Monate vor Jesus geboren wurde: Sein Verwandter, sein Cousin Johannes der Täufer, der Sohn der Elisabet und des Zacharias. Heute wird sein Geburtstag gefeiert, der heuer auf einen Sonntag fällt und diesen verdrängt.
Lukas, der Evangelist, berichtet über die Geburt und die Kindheit des Johannes. Seine Mutter sei unfruchtbar gewesen. Sein Vater war Priester, uns als er einmal in Jerusalem Tempeldienst hatte, wurde ihm von einem Engel zugesagt, er werde doch noch Vater werden. Da er daran zweifelte, bliebe er stumm bis zur Geburt seines Sohnes, dem er den Namen Johannes gab, der übersetzt bedeutet: „Gott ist gnädig“.
Johannes, sechs Monate älter als Jesus, sollte bald eine bedeutende Rolle für den künftigen Weg seines Cousins spielen. Es gab damals eine starke Bewegung im Judentum, die eine neue, heile Zeit erwartete. Der verheißene Messias sollte sie verwirklichen. Viele gingen in die Wüste, wurden so etwas wie Mönche, lebten asketisch, in Gemeinschaft, ein intensives religiöses Leben. Die Höhlenfunde in Qumran, nahe dem Toten Meer, haben viele Dokumente aus dieser Bewegung ans Licht gebracht, der Johannes offensichtlich nahe stand.
Berühmt wurde er, als er begann, ein großer Bußprediger zu werden, die Menschen zur Umkehr aufzurufen und zum Zeichen ihrer Bereitschaft, ihr Leben zu ändern, sie im Jordan zu taufen. Viele schlossen sich ihm an, wurden seine Jünger, seine Schüler. Andreas, der Bruder des Petrus, war einer von ihnen. Ebenso Johannes, der spätere Evangelist. Doch dann geschah das Erstaunliche: Johannes stellte sich nicht in den Mittelpunkt. Er sah sich als Vorläufer, als Wegbereiter. Nach ihm sollte einer kommen, auf den er hinwies, zu dem er hinführte. Er nannte sich selber „Stimme in der Wüste“. Und als schließlich sein Verwandter Jesus zu ihm an den Jordan kam, um sich von ihm taufen zu lassen, sagte er: „Er muss wachsen, ich muss abnehmen.“
Mich fasziniert an Johannes dem Täufer, dass er bereit war, sich so vollständig in den Dienst eines anderen zu stellen. Es ging ihm nicht um sich selber, sondern um den, dem er den Weg bereiten sollte. Obwohl die Menschen in Scharen zu ihm kamen, hat er sie nicht an sich gebunden, sondern sie auf Jesus verwiesen. Dazu gehört eine große Portion Selbstlosigkeit, Dienstbereitschaft. Johannes hat einmal gesagt, er sei wie der Freund des Bräutigams, es sei seine Freude, wenn er dessen Stimme höre.
Für mich ist Johannes das große Vorbild eines Menschen, der ganz zum Dienen bereit ist. Gerade dafür hat Jesus ihn so hoch geschätzt. Wer dient, ist wirklich groß. Das gibt es auch heute.
Für Elisabet kam die Zeit der Niederkunft, und sie brachte einen Sohn zur Welt. Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, welch großes Erbarmen der Herr ihr erwiesen hatte, und freuten sich mit ihr.
Am achten Tag kamen sie zur Beschneidung des Kindes und wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben.
Seine Mutter aber widersprach ihnen und sagte: Nein, er soll Johannes heißen. Sie antworteten ihr: Es gibt doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt.
Da fragten sie seinen Vater durch Zeichen, welchen Namen das Kind haben solle. Er verlangte ein Schreibtäfelchen und schrieb zum Erstaunen aller darauf: Sein Name ist Johannes. Im gleichen Augenblick konnte er Mund und Zunge wieder gebrauchen, und er redete und pries Gott.
Und alle, die in jener Gegend wohnten, erschraken, und man sprach von all diesen Dingen im ganzen Bergland von Judäa. Alle, die davon hörten, machten sich Gedanken darüber und sagten: Was wird wohl aus diesem Kind werden? Denn es war deutlich, dass die Hand des Herrn mit ihm war.
Das Kind wuchs heran, und sein Geist wurde stark. Und Johannes lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er den Auftrag erhielt, in Israel aufzutreten.