Heute gedenken wir Johannes Paul II., eines Papstes, der das 20. und den Beginn des 21. Jahrhundert und die Kirche nachhaltig prägte.
Heute, am liturgischen Gedenktag des Heiligen Johannes Paul II. rückt die Kirche das Vermächtnis eines Papstes in den Blick, der das Verständnis von Katholizität in einer globalisierten Welt revolutionierte. Seine Amtszeit (1978–2005) ist ein Meilenstein für die christliche Soziallehre, den interreligiösen Dialog und das Verständnis von Kirche und Gerechtigkeit.
Sein Landsmann, der Theologe Jozef Niewiadomski, ehemaliger Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, unterstreicht die anhaltende Wirkmacht des polnischen Pontifex. Er betont: Das Erbe dieses Pontifikates ist, dass Frömmigkeit und Sozialengagement im 21. Jahrhundert nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden können.
Johannes Paul II. hob die christliche Soziallehre mit seinen drei Sozialenzykliken „aus dem Winkel der katholischen Tradition ins Zentrum“ der kirchlichen Sendung. Er prägte den Grundsatz, dass Menschenrechte den Weg des Evangeliums anzeigen.
Dabei ging es ihm nicht um eine „bürgerliche Mentalität, die Rechte für sich reklamiert“, sondern um die Bereitschaft, sich für die Rechte anderer einzusetzen. Diese Verknüpfung von Frömmigkeit und Einsatz für den Nächsten verdankt der Papst, so Niewiadomski, seiner tiefen mystischen Erfahrung.
Die zentrale Erkenntnis des Papstes war: Absolut gesetzte Gerechtigkeit kann zur Barbarei führen. Daher muss Gerechtigkeit immer in der viel größeren Barmherzigkeit aufgehoben werden. Wenn Papst Franziskus heute permanent zur „Option für die Armen“ und zum „Gehen an die Ränder“ aufruft, ist er damit ein „treuer Schüler“ von Johannes Paul II., der schon in den 1950er Jahren sagte: „Ich gehe den Armen nach!“
Johannes Paul II. bewirkte zwei weitere „Revolutionen“ im Verständnis dessen, was Kirche ist:
Das Schuldbekenntnis (2000): Das von ihm im Heiligen Jahr 2000 gesprochene Schuldbekenntnis für die historischen Verfehlungen der Kirche war unter dogmatischer Rücksicht eine tiefgreifende theologische Neuerung.
Das Weltfriedenstreffen in Assisi (1986): Mit der Einladung zu diesem interreligiösen Gebetstreffen, zu dem christliche und nichtchristliche Vertreter kamen, „wagte er sich wahnsinnig weit vor“. Für viele in der Kirche war das ein „Schock“, doch es war die logische Folge seiner christologischen Fundierung der Katholizität in einer globalen Welt.
Das theologische Fundament für diesen offenen Weg hatte Karol Wojtyła selbst im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) gelegt. Als Krakauer Erzbischof wirkte er intensiv an den Dokumenten über die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae) und die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et Spes) mit.
Daraus folgerte Johannes Paul II.: Es darf für Christen keine Grenze für den Dialog und für das gemeinsame Zeugnis in Sachen Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Gewaltverzicht geben. Sowohl die beiden Besuche in der römischen Synagoge (1986) und an der Klagemauer (2000) und das Küssen des Koran in der Umayyaden-Moschee in Damaskus (2001) warten als Gesten die „logische Folge“ dieser konziliaren Neuausrichtung der Kirche.
Papst Franziskus und nun Papst Leo setzten bzw. setzen diesen Weg fort. Das bleibende Erbe des Heiligen Johannes Paul II. ist zweifellos die tief moderne christologische Fundierung, die Glauben, Mystik, soziale Verantwortung und den Dialog mit der Welt untrennbar miteinander verbindet.
Gott, du bist reich an Erbarmen
und hast den heiligen Papst Johannes Paul II.
zur Leitung deiner ganzen Kirche bestellt;
gib, dass wir, durch seine Lehre geführt,
unsere Herzen vertrauensvoll öffnen
für die heilbringende Gnade Christi,
des einzigen Erlösers der Menschheit.
Der mit dir lebt und herrscht
in der Einheit des Heiligen Geistes,
Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.