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17.04.2018 · Glaube · Spiritualität

Auf der Suche nach der erfüllten Zeit

Christoph Quarch, Jahrgang 1964, studierte evangelische Theologie, Philosophie & Religionswissenschaft und lebt mit seiner Familie in Fulda.

Glück geschieht im „erfüllten Augenblick“ und hat mit dem Bild zu tun, das wir von uns haben, sagt der Philosoph Christoph Quarch.

 

 

Wir leben in der Selfie-Welt. Wir machen alles selbst: Wir sind die Schmiede unseres Glücks, und kommen doch nie zum Ziel.

 

„Denn was unser Ego will, ist oft nicht das, was unsere Seele braucht. Das Ego will seine Wünsche erfüllen, die Seele sucht die erfüllte Zeit“, sagt der deutsche Philosoph und Theologe Christoph Quarch.

 

Auf Einladung des Viktor-Frankl-Zentrums sprach Christoph Quarch im Februar vor einem voll besetzten Hörsaal des Wiener AKHs zum Thema „Der erfüllte Augenblick. Was Ihre Seele wirklich braucht“. Seine von der griechischen Antike inspirierte Philosophie der Lebendigkeit öffnet Perspektiven für ein gutes, sinnvolles und erfülltes Leben, das nicht allein um das eigene Wohlergehen kreist, sondern immer auch die Mitmenschen und die Mitwelt im Blick hat.


Die Frage, wo und wie Glück zu finden sei, habe ohne Zweifel Hochkonjunktur. Glücksratgeber überfluten die Buchhandlungen, Glückforscher informieren in regelmäßigen Abständen, wo die glücklichsten Menschen zu Hause sind.

 

Europa Hort des Glücks?

In Europa geht es den Menschen besser denn je, viele sind mit ihrem Leben zufrieden. Zugleich gibt es einen Zuwachs an psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Burnout und viele sind mit ihrem Job unzufrieden.

 

In Glücksstatistiken werde nicht „Glück“, sondern „Zufriedenheit“ ermittelt, sagt Christoph Quarch. „Kann man nicht zugleich zufrieden und doch unglücklich sein? Oder mehr noch: Liegt die Quelle des Unglücklichseins womöglich darin, dass bei aller Zufriedenheit noch etwas fehlt?“, fragt der Philosoph.


Die Philosophie kennt eine Reihe von Glücksphilosophen. „Von Aristoteles über Seneca und Thomas von Aquin bis hin zum Dalai Lama waren sich alle einig: Das Streben nach Glück ist ein Grundmotor menschlicher Existenz“, erläutert Christoph Quarch. Seiner Ansicht nach strebt der Mensch vor allem nach „Erfüllung“, die in der „erfüllten Zeit“ bzw. dem „erfüllten Augenblick“ geschieht. 

 

Was aber heißt  das? „Erfüllung bedeute „ein intensives existenzielles Gefüllt-Sein“ und widerfährt einem: „Erfüllung kann ich nicht aus mir heraus machen. Es braucht ein anderes, das mich erfüllt“, betont der Philosoph. Die Sprache würde dies verdeutlichen: Es heißt nicht „Ich erfülle mich“, sondern „Ich bin von etwas erfüllt“ bzw. „Ich finde Erfüllung“. Christoph Quarch: „Anders als beim Glück müssen wir sagen: Niemand ist seiner Erfüllung Schmied.“

 

Geschenk des Findens

„Ein erfülltes Leben ist ein wirkliches, wahres, sinnvolles und darin intensiv lebendiges Leben, wobei dies nie das Produkt eines Machens ist, sondern das Geschenk eines Findens“, führt Christoph Quarch aus.


Wer die Frage nach dem Glück bzw. der Erfüllung stellt, muss auch nach dem Menschen fragen. Wer ist der Mensch? 

 

Die Menschheit habe darauf eine Vielzahl unterschiedlicher Antworten entwickelt. „Eine wichtige Erkenntnis der jüngeren Philosophie ist, dass wir gar nicht anders können als uns selbst zu deuten – und dass das Fragen nach dem guten Leben selbst eine Signatur des guten Lebens ist“, betont Quarch.

 

Der Mensch sei dadurch definiert, dass er sich zu sich selbst verhalten kann und muss, dass er ein offenes, unabgeschlossenes Wesen ist und über ein plastisches Gehirn verfügt, das ihm immer neue Möglichkeiten offen hält. Die Selbstdeutungen des Menschen haben nicht immer zu seinem Glück geführt. Der Homo Faber meint, sein Glück machen zu können, der Homo Oeconomicus ist überzeugt, sein Glück erwerben zu können und der Homo Digitalis meint, sein Glück errechnen zu können, führt der Philosoph aus.

 

Es handle sich dabei um fatale Fehldeutungen unseres Menschseins und flache Glücksverheißungen. „Tatsächlich können wir nur Zufriedenheit herstellen, erwerben oder errechnen“, sagt Quarch: „Wir sehen heute die verhängnisvollen Folgen des flachen Menschenbildes der Neuzeit.“

 

So habe uns der Homo Faber eine ökologische Krise und der Homo Oeconomicus eine kulturelle Krise beschert. Der Homo Digitalis trete an, den alten Homo Sapiens abzuschaffen (Optimierung des Menschen durch Robotik, Gen-Technik u. a.).

 

Unser Gehirn ist ein Spielzeug

Was aber kann dann Erfüllung bringen? Welches Menschenbild braucht es?

 

In den Wissenschaften zeichne sich längst ein besseres Menschenbild ab, meint Quarch: „Die Neurophysiologie gibt heute zu bedenken, dass wir Menschen schon aufgrund unserer biologischen Ausstattung über ein schier unerschöpfliches Potenzial an Kreativität und Wandlungsfähigkeit verfügen.

 

Unser Gehirn ist kein Computer, sondern ein Spielzeug. Wir entsprechen unserer Biologie, wenn wir spielen.

  • Erfüllung finden wir in dem Maße, in dem wir wandlungsfähig und offen bleiben.
  • Erfüllung finden wir in dem Maße, in dem wir wachsen und reifen.“
  • Und Erfüllung finden wir als „Wesen der Verbundenheit“ sowie als „Wesen der Verständigung und des Sinns“: „Ein gutes Leben ist nach heutigem Erkenntnisstand eines, in dem wir auf eine gute und stimmige Weise mit anderen kommunizieren – etwa in Gestalt der Liebe – und wenn wir im stimmigen Miteinander kreativ unsere Potenziale entfalten und darin Sinn erschließen können.“

Und ganz wichtig: Erfüllung geschieht in der Begegnung hier und jetzt, ohne nach dem Nutzwert zu fragen, frei von Zwecken und Zwängen.           
 

Die Religion und das Glück

Glück erlangt man dadurch, dass man liebt und das - oft religiös begründete - Bewusstsein hat, "Teil von etwas Größerem zu sein": Das sagte der deutsche Philosoph und Buchautor Christoph Quarch in einem Interview der "Oberösterreichischen Nachrichten" zur Frage: "Hilft uns Gott bei der Suche nach Glück?"

 

Quarch wies dazu darauf hin, dass der Begriff "Glück" im Neuen Testament kein einziges Mal vorkommt - stattdessen Worte wie "Heil" oder "Freude". Glück, das lediglich mit der Erfüllung von Wünschen einhergeht, sei jedenfalls "nicht Glück im Sinne der Religion".

 

Sinn als Voraussetzung für das Glück

Es gehe vielmehr um einen "Zustand der inneren Erfüllung, um eine Art Seligkeit". Gläubig müsse man dazu "nicht unbedingt" sein, "aber es hilft", erklärte Quarch. Denn durch die Religion fühle sich der Mensch eingebunden in eine größere Dimension der Wirklichkeit. "Das gibt uns Sinn im Leben und das wiederum ist ja eine Voraussetzung für Glück."

 

Entscheidend ist dabei laut dem Philosophen, der auch evangelische Theologie studierte, aber nicht so sehr, an welchen Gott geglaubt werde oder man das überhaupt tut. "Glück gibt es im Grunde nur in der Liebe", betonte Quarch. Auch Jesus habe Liebe gelehrt - "und Liebe ist ja schließlich nichts anderes als bedingungsloses Einlassen auf andere Menschen".

 

Die Welt bejahen

Nicht der Wille zum Glück, sondern der Wille zum Sinn, so lehrte der Psychologe und Psychiater Viktor Frankl, sei der eigentliche Antrieb des Menschen“, sagt Christoph Quarch dem SONNTAG. „Findet der Mensch einen Sinn, dann (aber auch nur dann) ist er glücklich“, zitiert Quarch den Begründer der Logotherapie. Frankl habe hinzugefügt: „einerseits, denn andererseits ist er dann auch leidensfähig.“ Christoph Quarch: „Was Frankl damit sagen wollte, ist das eines nicht ohne das andere zu haben ist.

 

Nicht darin findet der Mensch Erfüllung, dass er frei vom Leiden unter unerfüllten Wünschen ist – wie es Buddhismus und Konsumwirtschaft in sonderbarer Einigkeit behaupten –, sondern das Glück ist da zu finden, wo der Mensch sich selbst und seine Welt bejahen kann: Wo er trotzdem Ja sagen kann: trotz aller Schattenseiten, trotz aller Endlichkeit und Verletzlichkeit des Lebens.“

 

Die Welt ist in Ordnung

Wirklich glücklich seien wir dann, wenn wir einverstanden sind und das Leben in allen seinen Facetten heiligen können; um in seelenvollen Augenblicken, wie einst Hermann Hesse, sagen zu können: „Die Welt ist in Ordnung“.

erstellt von: Der SONNTAG / Agathe Lauber-Gansterer
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Weitere Informationen:

Buch und Filmtipps

Helen Russell

Hygg Hygg Hurra!

Glücklich wie die Dänen

(Fischer Taschenbuch, 2017)

ISBN: 978-3596298259

 

Helen aus London soll mit ihrem Mann für ein Jahr nach Jütland gehen. Jütland ist dänische Einöde, Helen überzeugte Großstädterin.

Sie ist skeptisch, stimmt aber zu – schließlich hat der World Happines Report Dänemark mehrfach zum glücklichsten Land der Welt gekürt.

Schrittweise entdeckt Helen, was hinter dem dänischen Wohlfühlkonzept „Hygge“ steht. Und schließlich erfüllt sich in Dänemark auch noch Helens Herzenswunsch…


Hanno Beck & Aloys Prinz

Glück!

Was im Leben wirklich zählt.
(Eichborn, 2017)

ISBN: 978-3847900313

 

Verschiedene Wissenschaftler sind überzeugt, dass Glück eine Übungssache ist. Ökonomen sagen, Konsum macht glücklich. Allerdings nur, wenn man weiß, wie.

Daher, schränken Sie Ihre Wahlmöglichkeiten ein! Verzichten Sie auf Ihr Rückgaberecht!

Und v.a. vergleichen Sie ihre Entscheidung nicht mit dem Einkauf anderer! Auch Politik, Religion, Gesundheit, Freunde oder Sex machen glücklich.

Aber wie?


Christoph Quarch

Nicht denken ist auch keine Lösung.

Wie Sie gute Entscheidungen treffen.

(GU Mind & Soul, 2018)

ISBN: 978-3833861710

 

Das neueste Werk des Philosophen lädt zum Entscheiden mit Kopf und Herz ein.


Im Zweifel glücklich

(aktuell im Kino)

Brad hat eine liebende Ehefrau, einen talentierten Sohn und eine erfüllende Arbeit, aber trotzdem das Gefühl, nicht genug erreicht zu haben – im Gegensatz zu seinen früheren Studienfreunden, deren Karrieren er neidisch verfolgt.

Doch dann erkennt er den Unterschied zwischen einem erfolgreichen und einem glücklichen Leben.   


weitere Artikel zum Thema

Glück ist ein Muskel,  den man trainieren kann

 


weitere Informationen zu

 

Der SONNTAG

die Zeitung der Erzdiözese Wien

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Papst Leo XIV. sieht den Reformprozess der deutschen Kirche noch nicht am Ziel. Beim Rückflug aus dem Libanon mahnte er mehr innerdeutschen Dialog an – und warnte vor Machtgefällen, die Stimmen vieler Gläubiger zum Verstummen bringen könnten. Vielfalt in der Synodalität sei kein Bruch, sondern Stärke.

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