Die Ausstellung ist von 19. April bis 15. November in der Sala terrena Galerie im Stift Klosterneuburg zu besichtigen.
Die Ausstellung ist von 19. April bis 15. November in der Sala terrena Galerie im Stift Klosterneuburg zu besichtigen.
Kuratorin der Ausstellung "Gotteskrieger" im Stift Klosterneuburg, Theisen: "Was heute Facebook und Twitter sind, waren im 15. Jahrhundert Predigten und Flugblätter". Feindbilder und einfache Slogans emotionalisierten und riefen zum Kreuzzug auf.
Die Instrumentalisierung von Religion, Ausgrenzung und Vernichtung, Fanatismus, Machtmissbrauch und Opportunismus hat die Gesellschaft mit dem Mittelalter leider nicht hinter sich gelassen. Das betont die Historikerin Maria Theisen, die die Ausstellung "Gotteskrieger" im Stift Klosterneuburg kuratiert hat. Die Jahresausstellung 2022 im Stift Klosterneuburg ist dem "Kampf um den rechten Glauben rund um Wien im 15. Jahrhundert" gewidmet, geläufiger bekannt als "Hussitenkriege".
"Was heute Facebook und Twitter sind, waren damals die Predigten und Flugblätter. Theologische Diskussionen wurden immer polemischer, sie wurden über die Kanzeln ins Volk getragen, heruntergebrochen auf Feindbilder und einfachere Slogans, die emotionalisierten und zum Kreuzzug riefen", so Theisen in einem auf der Website der Österreichischen Akademie der Wissenschaften publizierten Interview.
Die Gründe für die Glaubenskriege im 15. Jahrhundert sah Theisen u.a. in der Spaltung der Kirchenführung in Papst und Gegenpapst und einen König des Heiligen Römischen Reiches, der nicht ausgleichend wirkte. Theisen: "Kirche wie Adel betrieben ungehemmt Postenschacher, achteten nur auf ihren eigenen Vorteil und Machtgewinn, bis die Rufe nach Reform so laut wurden, dass sie weite Teile der Bevölkerung erfassten." Für Aufruhr sorgte die Hinrichtung des böhmischen Reformers Jan Hus auf dem Scheiterhaufen - 1415 wurde er zum Märtyrer und zur Galionsfigur der Reformbewegung. "Hus hatte eine Erneuerung der Kirche ohne Papst nach dem Vorbild der Urkirche gefordert. Durch Prediger und Universitätsmagister war seine Lehre nach Wien gelangt und rüttelte auch hierzulande an den Grundfesten der Herrschaft", so die Historikerin.
So standen sich die Vertreter der Amtskirche, der König und die habsburgischen Herzöge auf der einen Seite und die Anhänger des Jan Hus auf der anderen unversöhnlich gegenüber. Theisen: "Alle haben sich als Soldaten oder Streiter Gottes gesehen. Alle waren überzeugt, dass sie auf der richtigen Seite stehen. Es war eine gesellschaftliche Zerreißprobe."
Die Historikerin verwies zudem auf den Einfluss der Pest. Der in immer neuen Wellen über Europa ziehende "Schwarze Tod" habe auch im 15. Jahrhundert Elend und Angst mit sich gebracht: "Die Menschen waren zutiefst verunsichert, auch im Wiener Raum." Dazu seien die Folgen der "Kleinen Eiszeit" gekommen: Dauerregen, Missernten und wirtschaftliche Probleme. "Das war für die Mehrheit der Bevölkerung existenzbedrohend."
Man sei überzeugt gewesen, dass Pest und Mühsal Strafen Gottes seien und man das Problem nur lösen könne, indem man den Kurs der Kirche und auch sich selbst ändert. Theisen: "Man suchte verstärkt den Weg zu Gott im persönlichen Gebet, wollte nach dem Vorbild Christi leben. Aber es gab unterschiedliche Auffassungen, wie man mit der Kirche umgehen sollte. Die einen wollten das alte System reformieren, aber grundsätzlich erhalten. Die anderen meinten, sie müssten es radikal ändern."
Mit den konkurrierenden Päpsten in Rom und Avignon sei es für die Institution Kirche zunehmend schwieriger geworden, ihre Autorität zu wahren. In Österreich wollten viele Gläubige angesichts der Krise eigene Wege gehen, die Heilige Schrift in Volkssprache lesen und interpretieren - was damals streng untersagt war. Der Kampf habe als Krieg der Worte begonnen, mit Bespitzelung und Verfolgung. Inquisitoren seien gnadenlos gegen "Abweichler" vorgegangen. 1411 wurde ein vermeintlicher Hus-Anhänger in einem Schauprozess verurteilt und zur Abschreckung aller vor dem Wiener Stephansdom verbrannt. "Daran sieht man, wie sehr man die Verbreitung der Reform aus Prag fürchtete", erläuterte Theisen.
Eine wenig rühmliche Rolle spielte auch Herzog Albrecht V. Dieser sei sehr ambitioniert gewesen, seine Macht auszubauen: "Albrecht wollte die Tochter König Sigismunds heiraten, die Erbin der ungarischen und böhmischen Krone mit Option auf die Reichskrone. Um das hohe Brautgeld bezahlen zu können, hat er die jüdischen Gemeinden überfallen und beraubt. Es hieß zuerst, die Juden hätten mit den Hussiten paktiert, dann, sie hätten Hostien geschändet. Die Wiener Gesera war eines der größten Judenpogrome der Geschichte." Mit dem Geld seien u.a. die Kreuzzüge gegen die Hussiten finanziert worden. Theisen: "Alles in Gottes Namen. Aus Überzeugung und auch aus Machtkalkül."
Der Kaiser habe es jedenfalls verstanden, wie er die Hussiten gegeneinander ausspielen konnte. Zum Schluss gewann das gewohnte System wieder die Oberhand.
Die feierliche Eröffnung der Ausstellung "Gotteskrieger" findet am Donnerstag, 28. April, um 19 Uhr im Stift statt. Die Ausstellung ist dann bis 15. November in der Sala terrena Galerie zu besichtigen.