"Im Hospiz erlebe ich, dass sich gerade in der Krankheit und am Lebensende oftmals Sinnfragen stellen", so Reiterer-Schörg.
"Im Hospiz erlebe ich, dass sich gerade in der Krankheit und am Lebensende oftmals Sinnfragen stellen", so Reiterer-Schörg.
Ulrike Reiterer-Schörg ist Krankenpflegerin im Hospiz und Quereisteigerin in die Seelsorge. Warum sie Menschen zusätzlich spirituell begleiten will, wie sie mit dem Tod umgeht und warum Patientenbesuche mystisch sein können.
Seit 1998 ist die Südtirolerin Ulrike Reiterer-Schörg als Krankenpflegerin tätig, 15 Jahre davon im Hospizbereich. Die in Niederösterreich lebende Pflegerin im Stationären Hospiz Mödling lässt sich im berufsbegleitenden Kurs für Klinische Seelsorge mit Schwerpunkt Palliative Care in München zur Krankenhaus- und Pflegeheimseelsorgerin ausbilden. Seelsorglich ist die 46-Jährige im Pflegeheim der Caritas Socialis in der Pramergasse (Wien 9) tätig. Am Donnerstag, 2. Oktober 2025, wird Ulrike Reiterer-Schörg von Administrator Josef Grünwidl in ihren Dienst als Seelsorgerin gesendet. Ein Gespräch über ihren Berufungsweg und die Faszination der Seelsorge im Hospiz.
Sie sind Krankenpflegerin und haben sich entschieden, zusätzlich auch als Seelsorgerin zu arbeiten. Was hat sie zu diesem Schritt bewegt?
Grundlegend ist, dass die Spiritualität eine wichtige Kraftquelle für mich ist.
Ich arbeite seit vielen Jahren in der Krankenpflege mit Schwerpunkt Hospiz und Palliative Care. Mit der Erfahrung im Beruf ist der Wunsch in mir gewachsen, die Menschen auch spirituell zu begleiten. Das machen wir vielfach auch in der Pflege, aber es bleibt nicht immer genug Zeit dafür.
Im Hospiz erlebe ich, dass sich gerade in der Krankheit und am Lebensende oftmals Sinnfragen stellen. Eine Person, bei der ich diese Fragen aussprechen darf, und die mir vielleicht auch zu erkennen hilft, wie viele Schätze, wieviel Gutes es im Leben gegeben hat, kann eine Unterstützung sein. Der Glaube kann helfen, sich aufgehoben zu fühlen, auch wenn die Krankheit und die damit verbundenen Einschränkungen bleiben.
In den schweren Momenten möchte ich da sein und dadurch Gottes Nähe vermitteln und spüren lassen.
Gab es eine berührende Begegnung in Ihrer bisherigen seelsorglichen Tätigkeit?
Solche Begegnungen gibt es immer wieder, besonders am Lebensende, wenn die Sterbenden nur mehr wenig oder gar nicht mehr sprechen können. Aber gerade dadurch sind es oft ruhige, berührende und kostbare, fast mystische Momente mit den Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen, die sich nur schwer in Worte fassen lassen. Ich darf dann am Bett sitzen, laut oder leise beten oder singen und ein Stück dieses Weges mitgehen.
Berührend sind auch die Gespräche mit den Trauernden im Trauercafé, wenn sie sich gegenseitig erzählen, wie sie mit den verschiedenen Aspekten der Trauer umgehen und durch diese Trauer wieder „zurück ins Leben finden“.
Im Hospiz haben Sie viel mit Sterben und Tod zu tun, zusätzlich sind Sie Trauerbegleiterin. Alles emotional schwierige Themen und Situationen. Wie gehen Sie damit um? Können Sie gut abschalten, wenn Sie das Hospiz verlassen?
Eine Hilfe, mit dem Sterben umzugehen, sind die Hoffnung und der Glaube, dass der Abschied am Lebensende kein endgültiger ist.
Oft gehen mir die Begegnungen und Gespräche noch nach. Da kommt mir ein längerer Heimweg zugute, um noch einmal über das Erlebte nachzudenken und nachzuspüren. Zu Hause angekommen, kann ich dann meist gut abschalten. Dabei helfen mir auch Stille und Gebet, der Austausch mit meinem Mann, das Pflegen von Freundschaften oder die Bewegung in der Natur. Auch die regelmäßige Supervision unterstützt. Ausreichend freie Zeit ist wichtig, um wieder Kraft zu tanken. Trotzdem gibt es auch Menschen, Familien oder Begleitungen, die mich länger beschäftigen.
Was haben Sie aus den Begegnungen mit Menschen am Lebensende für Ihr eigenes Leben gelernt?
Was wir immer wieder von den Kranken hören, ist: „Ich hatte noch so Vieles vor, und jetzt ist es nicht mehr möglich, das zu verwirklichen. Schieben Sie nichts auf!“ Diesen konkreten Rat möchte ich gern berücksichtigen, was aber nicht immer leicht ist. Die Erkenntnis, dass unser Leben ein Geschenk ist, dass es fragil ist und dass das Leben im Heute zählt, das tut mir gut.
„Sterbende sind Liebende“, so sagte mir einst eines meiner Vorbilder in der Palliative Care. Ich erlebe auch selbst immer wieder, dass die Menschen am Lebensende gütiger, dankbarer, letztlich liebevoller werden. Davon zu lernen, empfinde ich als lebensbegleitende Aufgabe.
„Im Tod sind wir alle gleich“ – diese Erfahrung hilft mir, das Augenmerk nicht zu sehr auf Äußerlichkeiten zu legen, sondern mehr auf das, was Bestand hat: gute Beziehungen – zu Gott und zu den Mitmenschen.
Ihr Leitspruch für Ihren Dienst lautet „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ aus Psalm 23. Was bedeutet Ihnen der Spruch für Ihre Arbeit?
Der Psalm 23 ist mir seit langer Zeit sehr lieb. Ich habe in schweren wie in guten Zeiten erlebt, dass der Herr wirklich an meiner Seite ist und dass es immer einen Weg gibt, auch wenn ich ihn noch nicht sehe. Und dass mir nichts fehlt, wenn ich in Gottes Nähe bleibe und auf Ihn schaue. Denn ich bin Ihm wichtig, und Er meint es gut mit mir. Auch wenn ich Fehler mache, steht Gott bedingungslos zu mir. Diese Zuversicht und die Freude darüber, dass dies für uns alle gilt, ganz gleich, wie unser Leben verlaufen ist, möchte ich auch jenen vermitteln, die ich begleiten darf.
Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen bei der Sendungsfeier am Donnerstag?
Wir werden am Donnerstag offiziell von der Kirche beauftragt und in den Dienst gesandt, dies bedeutet mir viel. Ich freue mich auch auf die Menschen, die uns bei diesem Schritt begleiten: Arbeitskolleginnen und -kollegen, Familie und Freundinnen und Freunde.