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07.04.2014

1914 und 1918 hinterließen Spuren in Kirchen und Theologie

Religion sei für den Krieg "intensiv in den Dienst genommen worden". Parallel dazu hätten sich aber die Nationalismen verstärkt und "wurden auf die Spitze getrieben", erklärt der Theologe Thomas Schulte-Umberg.

Großes Symposium "Kirche und Glaube zur Zeit des Ersten Weltkrieges" in der Wiener Donaucity-Kirche.

Der Erste Weltkrieg hat deutliche Spuren im theologischen Denken der Kirchen hinterlassen, wiewohl die Verkündigung bis zur Niederlage der Mittelmächte durchgängig im Sinne eines "gerechten Krieges" erfolgt war: Das war der Tenor eines Symposiums mit dem Titel "Gott erhalte - Gott beschütze. Kirche und Glaube zur Zeit des Ersten Weltkrieges" in der Wiener Donaucity-Kirche am Freitag, 4. April 2014.

 

Kirche war Stütze der Monarchie

"Die katholische Kirche war eine feste Stütze der Monarchie", sagte die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler: "Es gab eine starke Symbiose zwischen dem katholischen Episkopat und den Habsburgern."

 

Dieses Verhältnis sei auch bei Ausbruch des Krieges und in den Kriegsjahren nicht hinterfragt worden. Die von Papst Benedikt XV. ausgehenden Friedensbemühungen seien zwar gehört, aber nicht weitergetragen worden. Das sei durch die enge Verbindung zwischen katholischer Kirche und Kaiserhaus bedingt gewesen, so Sohn-Kronthaler.

 

Allerdings gelte die durchgängige Zustimmung nur für den Episkopat der Diözesen im heutigen österreichischen Staatsgebiet. In anderen Diözesen, wie z.B. Laibach oder Marburg/Maribor, wechselte die Stimmung nach und nach. Im Jahr 1917 hätten beispielsweise auch die beiden dortigen Bischöfe Jeglic und Napotnik die "Maideklaration" für einen neuen Staat unterstützt und sich teilweise sogar stark dafür eingesetzt.

 

Ab 1917 Friedensbemühungen

Von den deutschsprachigen Bischöfen sei der Krieg "religiös gedeutet" worden als Verteidigungskrieg, legitimer Krieg und gerechter Krieg. Erst ab dem Jahr 1917 hätten die Bischöfe aufgrund des Kriegsverlaufs auf die Friedensbemühungen des Papstes verwiesen. "Aber es ist kein Bischof da, der sagt: 'Ja, das wollen wir jetzt auch umsetzen'", so Sohn-Kronthaler. Allerdings hab es Kleriker gegeben, die aufgrund ihrer Erfahrungen als Feldgeistliche zu Pazifisten geworden seien.

 

Als Beispiel nannte Sohn-Kronthaler Max Josef Metzger. Dieser habe die Gräuel des Krieges gesehen und ein internationales, religiöses Friedensprogramm entwickelt, das von Benedikt XV. sehr positiv rezipiert worden sei.

 

Metzger gründete unter anderem in Graz den "Weltfriedensbund vom Weißen Kreuz" und war ein Mitbegründer des Friedensbundes deutscher Katholiken. Aus ersterem sei die Christkönigsgesellschaft hervorgegangen.

 

1944 wurde Metzger aufgrund seines Einsatzes gegen den Krieg von den Nationalsozialisten hingerichtet. Es wäre ein "deutliches und starkes Zeichen von der katholischen Kirche", wenn der 2006 eröffnete Seligsprechungsprozess von Max Josef Metzger bald zu Ende gebracht werden würde, sagte Sohn-Kronthaler.

 

Dilemma der Protestanten

Der reformierte Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner sagte, dass die "evangelische Kirche inhaltlich nicht so eine enge Beziehung" zu den Habsburgern gehabt habe. Sie sei aber strukturell gegeben gewesen: "Der Oberkirchenrat als kirchenleitende Instanz war eine öffentliche, staatliche Behörde." Deshalb habe der Oberkirchenrat die staatliche Position in den Erklärungen nach dem Attentat und einen Tag nach Kriegsbeginn vertreten müssen.

 

Interessant sei, dass schon einen Tag nach Kriegsbeginn auf die "Geschwister des Krieges" - Not, Abwesenheit der Männer, Notwendigkeit organisierter Fürsorge - hingewiesen worden sei. Krieg sei als Mittel der Politik bejaht worden, von Euphorie habe man im Jänner 1915 nicht mehr sprechen können.

 

3,35 Millionen Mann in Uniform

Die Historikerin Claudia Reichl-Ham sagte, dass die gesamte K.u.K.-Armee aus insgesamt 3,35 Millionen Mann bestanden habe. Diese Zahl umfasse die gesamte gemeinsame Armee, die sich aus den verschiedenen nationalen Teilen zusammengesetzt habe.

 

1,8 bis 2 Millionen Soldaten wurden an die Front berufen. Diese setzten sich aus elf verschiedenen Nationalitäten zusammen. Das bedeutete, dass es ethische und religiöse Konflikte, wie zum Beispiel den aufkommenden Antisemitismus, gegeben habe. Dieser sei vor dem Krieg vor allem in Wien "sehr latent" gewesen.

 

Reichl-Ham betonte, dass es auch im 1. Weltkrieg Kriegsverbrechen gegeben habe, vor allem in Serbien und an der Ostfront in Galizien. Forschungen dazu würden erst seit kurzer Zeit betrieben.

 

Multikonfessionelles Kaiserreich

Das Habsburgerreich hatte 1910 etwa 52 Millionen Einwohner, sagte der Theologe Thomas Schulte-Umberg. Davon seien etwa zwei Drittel römisch-katholisch und mehr als 10 Prozent byzantinisch- uniierte Katholiken gewesen. Weitere 10 Prozent seien Protestanten gewesen, knapp 9 Prozent waren orthodox und 4,5 Prozent Juden. "Alle diese Konfessionen fanden sich in der Armee wieder." Die Seelsorger - mehr als 3.000 - hätten sich proportional auf die Glaubensgemeinschaften verteilt, so Schulte-Umberg.

 

Religion sei für den Krieg "intensiv in den Dienst genommen worden". Parallel dazu hätten sich aber die Nationalismen verstärkt und "wurden auf die Spitze getrieben".

 

Viele Soldaten seien im Verlauf des Krieges vom Glauben an Gott abgekommen, berichtete der Theologe. Das gehe aus den Berichten der Feldpriester hervor.

 

Regionale Unterschiede in der Religiosität seien ein weiterer Faktor gewesen. Tirol etwa sei "sehr fromm" gewesen.

 

Auch hing die Gläubigkeit von den Offizieren ab. Wenn diese nicht gläubig waren, habe sich das auch auf die Soldaten ausgewirkt.

 

"Liebesgaben" von daheim

Über die Rolle der Frauen im 1. Weltkrieg sprach die Historikerin Christa Hämmerle. Als Charakteristika erwähnte sie die "Liebesgaben", die Frauen und Mädchen an die Soldaten an der Front schickten - selbst gestrickte Socken, Schals, selbst erzeugte Teepäckchen oder Zigaretten. Der Versand wurde über die Kriegsfürsorge organisiert. An Schulen sei der gesamte Handarbeitsunterricht umgestellt worden.

 

Hämmerle bemängelte, dass die Geschichte der Kriegskrankenschwestern vor allem in Österreich-Ungarn kaum erforscht sei. "Ich glaube, dass sich niemand eingehend dafür interessiert hat, was der Ort von Frauen im Krieg war."

 

Der Historiker Ernst Piper ging der Frage nach, wie sich die Gesellschaft im Krieg verändere: "Wenn von außen eine Bedrohung kommt, nimmt im Inneren die Toleranz ab." Das könne man auch im Ersten Weltkrieg beispielhaft sehen.

 

In einer Zeit, wo es zum ersten Mal so etwas wie eine europäische Kultur und ein europäisches Bürgertum gegeben habe, hätten sich trotzdem alle im Moment des Kriegsbeginns wieder als Franzosen, Deutsche, Österreicher und Russen eingereiht. Viele beteiligten sich laut Piper in erstaunlich starkem Maß am Propagandakrieg. Sie versuchten mit ihren Mitteln - zum Beispiel als Schriftsteller -, die nationale Sache zu fördern.

 

Als Beispiele nannte Piper die Autoren Rudyard Kipling und Edgar Wallace. In vielen Ländern seien Propagandabüros gegründet worden. Zu Beginn verweigerten sich dem nur sehr wenige.

 

In Wien habe der Schriftsteller Peter Rosegger die Leute dazu aufgerufen, Tagebuch zu führen und diesen großen patriotischen Moment intensiv wahrzunehmen. "Die ganze Gesellschaft wurde in gewisser Weise zum Kombattanten gemacht", schloss Piper.

erstellt von: KAP (7.4.2014)
07.04.2014
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Tel: 01/263 09 52

Web: www.donaucitykirche.at

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