"Christliche Führungskräfte müssen abseits des Glaubens fachliche und persönliche Kompetenzen aufweisen", sagt Ferdinand Rohrhirsch.
"Christliche Führungskräfte müssen abseits des Glaubens fachliche und persönliche Kompetenzen aufweisen", sagt Ferdinand Rohrhirsch.
Das Gelingen von Führung hat weniger mit Werkzeugen zu tun, ist der Theologe und Führungskräftecoach Ferdinand Rohrhirsch überzeugt. "Sondern es ist abhängig von meinem Selbstbild und von dem Bild, das ich von anderen habe, wie ich mit Menschen umgehe", sagt er im "Sonntag"-Interview.
Gibt es überhaupt eine "christliche Führung"? Was heißt Führung mit christlichen Werten?
Ferdinand Rohrhirsch: Führen mit christlichen Werten würde bedeuten: Ich diagnostiziere meinen Glauben und versuche aus ihm heraus bestimmte Perlen zu fischen. Diese nutze ich, um ökonomisch einen Mehrwert zu erreichen oder mit diesen Führungsmethoden Menschen in den Produktionsprozess einzubinden. Darin sehe ich eigentlich eine Verwertung des Glaubens. Der Glaube wird zu einer Wertereligion transformiert und das widerspricht fundamental meiner Vorstellung von Glauben. Dieser ist für mich ein Beziehungsgeschehen zwischen Personen, also zwischen mir und dem Gott Jesu Christi.
Was bedeutet eine gute Führung und führen Christen anders?
Ferdinand Rohrhirsch: Gute Führung und Führung von Christen sehen von außen völlig gleich aus, die Motivation ist eine andere. Ich werde genauso versuchen, mit meinen Mitarbeitern umzugehen, wie jemand, der nicht glaubt, aber gut führen will. Denn gute Führung beruht auf ethischen Maßstäben. Wenn ich gut führe, muss ich nicht notwendig glauben, und der, der glaubt, führt nicht notwendig gut, weil er glaubt. Sondern er muss auch gewisse Kompetenzen haben, die jenseits seines Glaubens sind: Fachliche und persönliche Kompetenzen sind entscheidender. Die Personalität des Führenden ist das Maß von guter Führung.
Was kann man unter Führen mit Persönlichkeit und Ethik verstehen?
Ferdinand Rohrhirsch: Das Gelingen der Führung hängt nicht von der Zahl abgesessener Seminare oder der Tools von irgendwelchen Führungsgurus ab. Sie hat weniger mit Werkzeugen zu tun, sondern ist abhängig von der Art und Weise meines Seins im Unternehmen, von mir, von meinem Selbstbild, von dem Bild, das ich von anderen habe, wie ich mit Menschen umgehe. Also Führen durch Persönlichkeit heißt: Ich kann das nicht methodisch irgendwie delegieren, indem ich sage, als Person bin ich völlig draußen im Führungsgeschehen. Wenn ich das versuche, dann behandle ich alle meine Mitarbeiter als Mittel zum Zweck, als Automaten. Da wird Führung immer misslingen, weil sie immer ein Geschehen zwischen Personen bedeutet.
Brauchen Manager nur praxisnahe und effektive Lösungen und keine theoretischen Konzepte?
Ferdinand Rohrhirsch: Es ist nützlich, wenn sie sich Gedanken über die theoretischen Konzepte machen, die ihnen allmonatlich neu angeboten werden. Aber entscheidend ist, wie der Manager selber sich sieht und sein Leben führt. Die Werkzeuge können nie die Person ersetzen. Ein Bild, das ich immer gerne nutze: Noch nie ist ein Meister durch sein Werkzeug zum Meister geworden, aber komischerweise kann ein Meister auch mit durchschnittlichen Werkzeugen Meisterliches hervorbringen.
Techniken der Führung kann man erlernen – Führungspersönlichkeit auch?
Ferdinand Rohrhirsch: Ein Führender muss Menschen mögen, mit Menschen umgehen wollen. Das ist nicht immer angenehm. Aber einer, der das im Grunde nie mag, der wird auch keine Führungspersönlichkeit werden.
Was macht eine Führungspersönlichkeit aus?
Ferdinand Rohrhirsch: Im Normalfall arbeitet der Führende in einem Unternehmen, dessen Ziele er für gut hält. Mit seinen Mitteln und mithilfe seiner Mitarbeiter sollte er diese umsetzen. Er hat einen Dienst am Menschen und einen Dienst an der Sache. Es geht nicht darum, als Führender Folgende oder Gehorsame zu generieren, sondern jene, für die er verantwortlich ist, den Glanz der Sache erkennen zu lassen. Je mehr er das vermitteln kann, was Sinn und Zweck seiner Abteilung, seiner Berufung ist, umso mehr wird er merken, wer auch sehen lernen möchte. Oder wer nach wie vor die Arbeit als Mittel zum Zweck seines Broterwerbs versteht, was natürlich nicht verboten ist. Aber wenn er wirklich gute Mitarbeiter sucht, braucht er Sehende.
Zählt heute immer nur die Leistung und nie der Leistungsträger?
Ferdinand Rohrhirsch: Menschsein wird reduziert auf Funktionalität. Wenn ich so ein betriebswirtschaftliches Bild habe, braucht mich nicht mehr zu interessieren, wer dieser Leistungsträger ist. Mein Nachdenken dient nur dem, wie kann der, der jetzt im Moment diese Funktion ausfüllt, noch leistungsfähiger werden. Ich komme immer nur zu seinen beobachtbaren Eigenschaften, zu seinen Tätigkeiten, aber die Person an sich interessiert mich nimmer. Von daher sehe ich dieses Bild des Akteurs oder Leistungsträgers als eine völlig verkehrte Zugangsweise: Es sind doch Menschen, mit denen ich zu tun habe.
Wie würden Sie Wirtschaftsethik definieren?
Ferdinand Rohrhirsch: Gelingendes menschliches Leben ist nicht vorstellbar ohne Arbeit. Es gehört zum Vollzug meines Seins, aber auf die Bedingungen kommt es an. Wirtschaftsethik ist für mich ein Spezialfall der normalen Ethik. Wirtschaft ist kein Sonderraum, nur der andere Ort des Miteinandergestaltens von Welt. Man versucht dieses möglichst so zu gestalten, dass Weiterentwicklung, Gewinn, möglich sein muss, aber dass der Gewinn nicht auf Kosten der Weiterentwicklung von Menschen geht. Beides ist unabdingbar: Die Entwicklung von Unternehmen ist gleichzeitig die Entwicklung von Menschen, die in diesem Unternehmen arbeiten.
1957 in Offingen an der Donau (Bayern) geboren
1964-70 Grund- und Hauptschule Offingen
1970-74 Realschule (Markgrafenrealschule Burgau/Schwaben - Technischer Zweig)
1974-78 Ausbildung und Berufstätigkeit bei der Deutschen Bundesbahn im mittleren nichttechnischen Dienst (Bf Ulm Hbf)
1978-80 Fachoberschule Krumbach (Fachrichtung: Technik)
1980-88 Katholische Universität Eichstätt - Studium der Religionspädagogik (FH), Theologie (Dipl.-Theol. 1986) und Philosophie (M.A. 1988)
1988-2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Assistent / Oberassistent am Lehrstuhl
für Praktische Philosophie (Ethik) und Geschichte der Philosophie (Prof. Dr. Alexius J. Bucher)
1989 lic. theol. / 1992 Dr. theol. / 1996 Dr. theol. habil.- Lehrbefähigung für Philosophie / 1997- Lehrbefugnis - Ernennung zum Privatdozenten
2003 Ernennung zum außerplanmäßigen Professor für Philosophie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Webseite: "Der Sonntag"