"Es besteht immer noch Hoffnung, dass ein globales Umdenken stattfinden kann", meint Wettermoderatorin Christa Kummer.
"Es besteht immer noch Hoffnung, dass ein globales Umdenken stattfinden kann", meint Wettermoderatorin Christa Kummer.
Für die ORF-Wettermoderatorin Christa Kummer werden Extremwetterereignisse erst dann zu Katastrophen, wenn menschliches Hab und Gut betroffen ist. Die Theologin, Hydrogeologin und Klimatologin sieht in der intensiven Bebauung der Landschaft eine der Ursachen.
Sie haben ein naturwissenschaftliches und theologisches Studium absolviert. Sehen Sie einen Widerspruch darin, eine Naturwissenschaftlerin zu sein und an Gott zu glauben?
Christa Kummer: Das eine schließt das andere nicht aus. Wir können wissenschaftlich viel erklären. Aber auch die Naturwissenschaft stößt irgendwann an ihre Grenzen. Dann muss wieder das Gottvertrauen kommen, der Glaube an eine Macht, die über allem steht. Die Geisteswissenschaft ist dafür ein wichtiges Werkzeug, das uns in der Geschichte mitgegeben wurde.
Warum stellt der Klimawandel eine der wichtigsten Herausforderungen an die Menschheit dar?
Christa Kummer: Die babylonische Sprachverwirrung hat in unserer Zeit um sich gegriffen. Klimawandel an sich ist ja nichts Böses. Wenn es diesen im Laufe der Erdgeschichte nicht gegeben hätte, würden wir heute hier nicht sitzen. Wir sprechen definitiv von der globalen Erwärmung, von der Problematik, die von acht Milliarden Menschen auf der Erde durch Industrie, Verkehr, Re-ssourcenverschwendung verursacht wird. Der Klimawandel, der durch die globale Erwärmung hervorgerufen wird, schlägt ein rasanteres Tempo an. Früher haben sich Klimazyklen in 10.000, 20.000, 100.000 Jahren abgespielt. Heute spielt sich alles viel schneller ab. Auch ein Menschenleben reicht nicht aus, um diesen Klimazyklus jetzt zu beschreiben. Es dauert schon länger, wir spüren aber Veränderungen.
Verursacht der Mensch das Problem?
Christa Kummer: Wir "verhütteln" unsere Landschaft, wir betonieren alles zu und wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, schreien wir alle „Überschwemmung“. Es ist wichtig zu erkennen, dass Extremwetterereignisse erst ab dem Zeitpunkt zur Katastrophe werden, wenn menschliches Hab und Gut davon betroffen ist. Früher haben wir es nicht gespürt, wenn die Donau über die Ufer und in ihr Auland ausgetreten ist. Es war ganz normal, dass es ab und zu überflutet war. Wenn ich jedoch Aulandschaft in landwirtschaftliche Nutzfläche umwandle und ich habe Hochwasser, dann darf ich mich nicht wundern, dass die Äcker irgendwann einmal unter Wasser stehen.
Sind wir die letzte Generation, die wirklich gegen die globale Erwärmung etwas tun kann?
Christa Kummer: Wir haben folgende Problematik. Die Schwellenländer sagen: „Das alte Europa hat die Industrialisierung vorangetrieben. Diese Länder sind die Erwärmungstreiber Nr. 1 in der Geschichte mit den fossilen Brennstoffen gewesen. Jetzt, wo wir endlich unseren wirtschaftlichen Aufschwung haben, sollen wir Klimaschutz betreiben?“. Die Inder, die Chinesen, auch die Amerikaner wollen einfach nicht einsehen, dass gewisse Dinge notwendig sind. Das kleine Österreich wird es alleine nicht schaffen. Es besteht immer noch Hoffnung, dass ein globales Umdenken stattfinden kann.
Wie sehen Sie die Chancen, dass bei der Klimakonferenz in Paris eine neue internationale Klimaschutz-Vereinbarung beschlossen wird?
Christa Kummer: Ich würde es mir sehr wünschen, dass man einen globalen Konsens findet. Es ist jetzt auch unglaublich interessant, dass der amerikanische Präsident Barack Obama das Thema Klimaschutz ganz offensiv anspricht. Die Wirtschaft ist gegen Obama. Schauen wir einmal, was passiert. Es geht um unsere Erde. Sie ist uns geborgt worden, nicht einmal geschenkt. Wir als Menschen dürfen ein paar Jahrzehnte auf dieser Erde wandeln. Trotzdem sind wir nicht in der Lage, hier Verantwortung zu übernehmen, weil in vielen Bereichen die Profitgier einfach größer ist.
Papst Franziskus fordert eine ökologische Umkehr. Was bedeutet ein nachhaltiger Lebensstil?
Christa Kummer: Was der Papst meint ist: Wenn ich die Wertschätzung mir gegenüber nicht habe, dann kann ich sie auch meinem Nächsten und der Natur gegenüber nicht haben. Wir müssen vor allem den Jugendlichen wieder beibringen, diesen Selbstwert zu empfinden. Wir sind alle nur mehr materialistisch unterwegs. Wir definieren uns über Handy- und Automarken. Wenn der Heilige Vater sagt „ökologisch denken, wieder zurück zur Natur“, hat das auch mit dem Selbstwert des Menschen zu tun.
Der Papst spricht in seiner Umwelt-Enzyklika die Wasserfrage an: Wie kann sich Klimaänderung auf den Wasserhaushalt in Österreich auswirken?
Christa Kummer: Österreich ist Gott sei Dank ein gesegnetes Land, was Wassermenge und Wasserqualität betrifft. Ich habe keine Sorge, dass in den nächsten Jahrzehnten die große Wasserkatastrophe ausbrechen wird. Aber verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Wasser hat natürlich höchste Priorität. Es gibt in Österreich einige Regionen, die von Grundwasser leben, wo das Grundwasser nicht diese Topqualität wie das Quellwasser hat. Es gibt vieles zu bedenken, was die Schadstoffeinträge etwa der Landwirtschaft oder der Industrie betrifft.
Ist in den letzten Jahrzehnten ein Trend zu verzeichnen, dass die Extremwetterereignisse zunehmen? Oder erfahren wir einfach in unserer Informationsgesellschaft mehr darüber?
Christa Kummer: Die mediale Berichterstattung hat in den letzten 15 Jahren einen Hype erfahren, was die ganzen Social-Media-Netzwerke angeht. Wenn vor 20 Jahren in Mistelbach ein Kanal übergegangen ist und die Feuerwehr ausrücken musste, haben es die Mistelbacher gewusst und sonst niemand. Heute weiß es fast die ganze Welt. Statistisch gesehen kann man feststellen, dass wir seit Beginn der Messungen einen Trend nach oben haben. Vor allem seit 2003 merkt man schon, dass die Temperaturen deutlich ansteigen. Der heurige Sommer war ein absoluter Rekordsommer. Es gab eine gewaltige Anhäufung von Tagen mit über 30 Grad Celsius, die wir so noch nie in der Geschichte erlebt haben.
Wie schwierig ist es, die meteorologischen Fakten dem Fernsehpublikum möglichst verständlich zu machen?
Christa Kummer: Welche Art von Front das gerade ist, welche Druckverhältnisse herrschen, welche Systeme von Luftströmungen aneinander treffen, das ist dem Zuschauer in der Geschwindigkeit relativ egal. Dieser möchte nach der Sendung rausgehen und wissen: Brauche ich morgen einen Regenschirm oder nicht? Es ist die Kunst, trotz der Kürze der Sendung meteorologische Zusammenhänge einfließen zu lassen und die Zuschauer nicht mit zu viel Wissenschaft zu überfordern.
Mag. Dr. Christa Kummer
Hydrogeologin und Klimatologin; bekannt aus tausenden Livesendungen im ORF.
Christa Kummer wurde 1964 in Wien geboren.Nach der Matura studierte sie Geographie und Wirtschaftskunde sowie Katholische Theologie an der Universität Wien. Danach folgte das Doktoratsstudium in Geographie mit Schwerpunkt Geophysik und Geochemie.
Seit 1994 arbeitet Kummer in der ORF-Wetterredaktion; 1995 war sie die erste Frau im Österreichischen Fernsehen, die in der Männerdomäne Wetter eingesetzt wurde.
Wissenschaftliches Arbeiten im Bereich der Klimatologie gehört seit Jahrzehnten auch zu ihrer Berufung.
Christa Kummer hält auch zu diesem Thema viele Vorträge. Mehr unter www.christakummer.at
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